Katja Suding will sich im Wahlkreis 4 gegen prominente Konkurrenten durchsetzen: Karin Prien (CDU) und Walter Scheuerl (parteilos)

Nienstedten. Den grauen Mantel am Kragen fest zusammengerafft, steht Katja Suding am Fähranleger Teufelsbrück. Auf der Elbe läuft gerade die „Cosco Portugal“ aus; der Lotse, der das Containerschiff bis hierher begleitet hat, dreht ab. Vereinzelte Schneeflocken fallen aus dem diesigen Himmel. Es ist kühl, und an diesem zugigen Ort gefühlt noch kälter. Aber im Wahlkampf kann man es sich eben nicht aussuchen. Katja Suding, 39 Jahre alt und Fraktionsvorsitzende der FDP in der Bürgerschaft, ist in ihrem Wahlkreis unterwegs, um Stimmen zu sammeln – für ihre Partei, aber auch für sich selbst.

Denn Suding tritt in diesem Wahlkreis 4, der von Rissen bis nach Groß Flottbek reicht, als Direktkandidatin an. Die Frontfrau der Liberalen, die mittlerweile auch Landesvorsitzende ihrer Partei ist, hatte hier – für eine FDP-Kandidatin recht ungewöhnlich – schon 2011 ein Direktmandat gewonnen, mit damals 22.354 Stimmen. Auch jetzt wieder wird sie als Gesicht der Liberalen auf den Wahlplakaten effektvoll in Szene gesetzt, als „unser Mann für Hamburg“ der FDP. Ihre Bekanntheit dürfte ihr zugute kommen.

Aber auch ihre Partei sieht Suding im Aufwind, nachdem die letzten Umfragen die Liberalen bei vier Prozent verorteten. Sie weiß, dass das schlechte Ansehen der Bundespartei gegen sie arbeitet. Doch nun gehe es zunehmend um Hamburger Themen, die Verkehrsprobleme der Stadt, die Zukunft des Hafens, die Bildungspolitik – und da will sie punkten. Genutzt hat ihr auch die Debatte über den „Tagesschau“-Beitrag, der beim Dreikönigstreffen ihrer Partei sekundenlang ihre Beine zeigte, wofür sich die „Tagesschau“ anschließend entschuldigte. Sie erlebe es nicht zum ersten Mal, dass auch über politikfremde Dinge berichtet werde. „Aber jeder hat gesehen, dass ich mit diesen sportlichen Beinen die Fünf-Prozent-Hürde überspringen kann.“ Wobei natürlich klar sei, dass sie mit ihrer liberalen Politik und nicht mit ihren Beinen überzeugen wolle. Aber es stimme: Aufmerksamkeit nütze immer. „Ich brauche sie, damit man mir zuhört, wenn ich über meine politischen Positionen spreche.“

Auch wenn die FDP in den vergangenen Wochen in der Wählergunst zugelegt hat: Derzeit ist alles andere als sicher, dass sie nach der Wahl am 15. Februar wieder in die Bürgerschaft einzieht. Lange hatten die Liberalen in den Umfragen bei zwei Prozent gedümpelt und eher mit internen Streitigkeiten als mit ihrer Politik Schlagzeilen gemacht. Aber selbst wenn die FDP den Sprung ins Parlament verpassen sollte, muss das nicht für Katja Suding selbst gelten. Sie könnte, wenn sie in ihrem Wahlkreis genug Stimmen bekommt, mit ihrem Direktmandat allein in die Bürgerschaft zurückkehren und dort als fraktionslose Abgeordnete Politik machen – als letzte Liberale gewissermaßen.

Von einem solchen Szenario möchte die 39-Jährige erst einmal nichts wissen. „Ich will mit einer starken Fraktion einziehen und unser Ergebnis möglichst noch verbessern“, sagt sie. Schließlich steht für die Liberalen viel auf dem Spiel: „Alles guckt nach Hamburg. Ein Wahlerfolg hier wird die Stimmungslage der FDP in ganz Deutschland verändern.“ Aber das Direktmandat aus dem Hamburger Westen, das würde sie im Zweifelsfall annehmen und notfalls als Einzelabgeordnete in der Bürgerschaft Politik machen – auch wenn ihre parlamentarischen Möglichkeiten dann begrenzt wären. So ist sie für Partei, Fraktion und Mandat in ihrem Wahlkreis unterwegs, besucht vor allem am Wochenende Infostände am Blankeneser Markt, in Lurup und Rissen, plant Veranstaltungen und geht zu sogenannten Hausabenden, bei denen Bürger Freunde und Bekannte zu Hause versammeln, um mit der FDP-Spitzenkandidatin über Politik zu reden.

Der Wahlkreis 4 mit seinen gut 81.000 Wahlberechtigten gehört ohnehin zu den interessantesten bei dieser Bürgerschaftswahl. Katja Suding trifft hier auf viel Konkurrenz: Wohl selten hatte die bürgerliche Klientel, die dort die Mehrheit stellt, eine so große Auswahl an bürgerlichen Kandidaten. So macht auch Walter Scheuerl von sich reden, der 2010 mit seinem Elternnetzwerk „Wir wollen lernen“ die Primarschulreform zu Fall brachte, für die CDU in die Bürgerschaft einzog und seither den sozialdemokratischen Schulsenator Ties Rabe unter Dauerbeschuss nimmt. Nachdem er sich mit der CDU-Fraktion überwarf, sitzt er als fraktionsloser Abgeordneter im Parlament und versucht nun den Wiedereinzug auf eigene Faust: Scheuerl tritt im Wahlkreis 4 als Einzelbewerber zur Wahl an, man könnte auch sagen: als Einzelkämpfer.

Dabei nutzt er das neue Wahlrecht, das direkt gewählte Wahlkreiskandidaten an den Listenaufstellungen der Parteien vorbei ins Landesparlament tragen kann. Fünf Abgeordnete entsendet der Wahlkreis 4; Scheuerl hat ausgerechnet, dass er rund 22.500 Stimmen benötigen dürfte. Jeden Sonnabend steht der ebenso eloquente wie umstrittene Rechtsanwalt an seinen Infoständen am Elbe-Einkaufszentrum, an der Nienstedtener Straße und in Blankenese. Der Wahlkreis ist größtenteils Stammland des bürgerlichen Protestes gegen die Primarschulreform, zu dessen Gesicht Scheuerl wurde. Das will sich der 53-Jährige zunutze machen.

Sein 15-köpfiges Wahlkampfteam besteht nach seinen Worten aus einem kampagnenerprobten Kreis von Aktiven des Elternnetzwerks „Wir wollen lernen“. Mit seiner Unterstützung der Kampagne für eine Schulzeitverlängerung an Gymnasien hat er allerdings viele andere Mitstreiter von damals verprellt. Im Wahlkampf setzt Scheuerl stark auf Online-Medien und soziale Netzwerke. Thematisch will er mit den Schwerpunkten Bildung und Energiepolitik um Wähler werben.

Spannend ist die Konkurrenz, auf die Scheuerl im Wahlkreis bei der CDU stößt: Spitzenkandidatin ist die streitbare Blankeneser Ortsvorsitzende Karin Prien. Sie und Scheuerl kennen sich gut aus der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Dort haben die beiden Rechtsanwälte nicht nur oft Seite an Seite, sondern ebenso oft gegeneinander gekämpft. Prien ist als Fachsprecherin für die Schulpolitik der Fraktion verantwortlich, Scheuerl war Vorsitzender des Schulausschusses und hatte zu bildungspolitischen Themen stets viel zu sagen – abgesprochen und auch unabgesprochen. Seine Kandidatur sieht Karin Prien nach eigenen Worten gelassen. Sie stehe für ein sehr viel breiteres Themenspektrum als Scheuerl. Ihre Gelassenheit mag auch daran liegen, dass der Schulrebell ihren eigenen Wahlchancen als Spitzenkandidatin kaum gefährlich werden kann in einem Wahlkreis, in dem ein CDU-Mandat als sicher gilt. Für ein zweites Mandat hingegen sieht dies schon anders aus. Um dieses zweite Mandat wollen die Christdemokraten in der inhaltlichen Auseinandersetzung kämpfen. Prien bekennt: „Es gibt im bürgerlichen Lager eine nicht unerhebliche Konkurrenz.“

Das sieht auch Scheuerl so, und er findet es gut. Der 53-Jährige pflegt sein Image als bürgerlicher Rebell, der – stets korrekt gekleidet – doch keiner Auseinandersetzung aus dem Weg geht und die Zuspitzung liebt, manchmal bis zur Schmerzgrenze. Viele Menschen fänden es gut, wenn ein parteiloser unabhängiger Kandidat wichtige Themen kritisch anspreche, ist er überzeugt. Als Spitzenkandidat der SPD kandidiert der Sozialpädagoge Frank Schmitt, der seit 2011 in der Bürgerschaft sitzt. Für die Grünen geht die Bürgerschaftsabgeordnete Filiz Demirel ins Rennen; die Volkswirtin kümmert sich sehr um Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik.