Das Fraunhofer-CML beschäftigt sich mit unbemannten Frachtern und der Optimierung von Containerterminals. Für Hamburgs maritimes Netzwerk ist die dauerhafte Einrichtung des CML eine Aufwertung.
Hamburg. Eine Etage im Gebäude D der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH): ein Raum mit Computerschirmen, einem Schiffssimulator, einem interaktiven Arbeitstisch. Hier verschaffen sich Professor Carlos Jahn, 48, und seine Mitarbeiter Einblicke in die Zukunft von Häfen und Schifffahrt. In eine Zukunft, die sie mit ihrer Arbeit am Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) selbst mitgestalten. Am Schiffssimulator zum Beispiel kann man auf immer größeren Containerschiffen in den Hamburger Hafen hineinfahren. „Ein Ende der Größenentwicklung bei den Schiffen ist nicht abzusehen“, sagt Jahn. „Die Häfen ziehen mit, wenn sie im Wettbewerb bestehen wollen. Wir können die Anläufe immer größerer Schiffe in die Häfen hier bei uns sehr gut simulieren.“
Gegründet im Jahr 2010, ist das CML zum 1. Januar 2015 nach der nötigen Testphase ein fester Teil des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund geworden. Mit der Verstetigung des Zentrums tritt Hamburg zugleich dem finanziellen Fördersystems der Fraunhofer-Gesellschaft bei. Die ist die größte Organisation für angewandte Forschung in Europa, eine Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft und eine der Säulen für Innovation aus Deutschland. Als letztes der 16 Bundesländer hatte Hamburg bislang keine eigene, dauerhafte Fraunhofer-Einrichtung. Diese Lücke schließt nun das CML. „70 Prozent unseres Finanzbedarfs müssen wir durch Akquisition und Bearbeitung von Aufträgen selbst erwirtschaften, das ist das Modell der Fraunhofer-Gesellschaft“, sagt Jahn. „30 Prozent stammen aus der Grundfinanzierung von Bund und Ländern für unsere Institute. Von dieser Grundfinanzierung wiederum entfallen 90 Prozent Anteil auf den Bund, zehn Prozent auf das jeweilige Land.“
Derzeit betreibt die Fraunhofer-Gesellschaft in Deutschland 67 Institute und Forschungseinrichtungen. Rund 23.000 Mitarbeiter erarbeiteten 2013 ein Forschungsvolumen von etwa zwei Milliarden Euro, rund 24 Millionen Euro davon entfielen auf das Institut IML, dessen Teil das CML in Hamburg ist. Für die Arbeit in Hamburg nennt Jahn keine Geschäftszahlen, wohl aber die ehernen Regeln der Fraunhofer-Gesellschaft, die für jeden Standort gelten: „Jede neue Fraunhofer-Einrichtung muss in einer fünfjährigen Evaluierungsphase nachweisen, dass sie sich selbst trägt. So kann es sein, dass eine Einrichtung auch wieder geschlossen wird“, sagt er. „Generell aber möchten die Bundesländer oft gern noch weitere Institute in ihrem Einzugsbereich haben. Da muss die Fraunhofer-Gesellschaft mitunter bremsen.“
Der promovierte Ingenieur Jahn baute das CML auf. Zugleich leitet er als Professor das Institut für Maritime Logistik an der TUHH. Damit steht er für die enge Verbindung von Universität und Fraunhofer-Zentrum, von der beide Seiten profitieren. „Unsere Nähe zur TUHH ermöglicht es uns, die Studenten etwa des Fachbereichs Schiffbau oder des Instituts für Maritime Logistik eng in unsere Arbeit einzubinden – und bei Bedarf auch Absolventen von dort zu übernehmen, die schon in Projekten für uns gearbeitet haben“, sagt Jahn. 25 Mitarbeiter hat das CML derzeit, je nach Auftragslage könnten es in den kommenden Jahren mehr werden.
Kernaufgabe des CML ist es, wo immer möglich zur Verbesserung der maritimen Transportkette beizutragen. Am interaktiven Arbeitstisch entstehen optimale Auslegungen für Hafenterminals, am Schiffssimulator werden Fahrten unbemannter Massengutfrachter simuliert. Mit Blick über die Elemente von Logistikketten hinweg berechnete das CML, wie groß das Potenzial zur Vermeidung von Leercontainertransporten ist. 30 Milliarden Dollar im Jahr geben Logistikunternehmen für den Transport leerer Container aus, damit die bei Bedarf an der richtigen Stelle für neue Ladung stehen. „Unsere Auftraggeber sind Hafenverwaltungen, Reedereien, Logistikunternehmen – im Prinzip alle an der maritimen Transportkette beteiligten Unternehmen, Verwaltungen und Behörden“, sagt Jahn.
Für Hamburgs maritimes Netzwerk ist die dauerhafte Einrichtung des CML eine wichtige Aufwertung. Gemeinsam mit der Schiffbau-Versuchsanstalt, mit der Klassifikationsgesellschaft DNV GL, mit universitären und anderen öffentlichen Einrichtungen sorgen die Fraunhofer-Mitarbeiter dafür, dass in der Hansestadt für die Schifffahrt weiterhin auf höchstem Niveau geforscht und entwickelt wird. „Hamburg hat ein exzellentes maritimes Netzwerk für unsere Arbeit“, sagt Jahn. „Die Nähe zu Reedereien, Terminalbetreibern, Logistikunternehmen sowie zu den Verwaltungen und Behörden bietet eine Vielzahl interessanter Kontakte und Anregungen für unsere Forschung.“ Aus eigener beruflicher Erfahrung weiß der Logistikexperte, wie wichtig persönliche Kontakte und Netzwerke in diesem Geschäft weiterhin sind: „Die maritime Wirtschaft – speziell die Schifffahrt – funktioniert anders, wesentlich informeller als viele andere Branchen“, sagt Jahn. „Es ist ein sehr tradierter Wirtschaftszweig, in dem man die Akteure mitunter erst von bestimmten Innovationen überzeugen muss. Das Anstoßen von Innovationen und die Akquisition von Aufträgen ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit.“