Zum Auftakt der Haushaltsberatungen der Bürgerschaft fehlt es der Opposition an Esprit, um den Senat in Bedrängnis zu bringen – eine Analyse
Hamburg. Generaldebatten in der Bürgerschaft zum Haushalt sind traditionell die Gelegenheit für die Opposition, mit der Politik des Senats abzurechnen. Für den Bürgermeister besonders unangenehm ist daran, dass er stundenlang auf seinem Platz vorn links auf der Senatsbank den Sturm über sich ergehen lassen muss, bevor er selbst eingreifen darf. An diesem Montagnachmittag war das für Olaf Scholz (SPD) jedoch eher ein Vorteil: Denn die „Abrechnung“ fiel in weiten Teilen derart zahm und unspektakulär aus, dass der Bürgermeister danach seinerseits darauf verzichtete, auf Wahlkampfmodus zu schalten, sondern in eher präsidialem Ton die Vorzüge seiner Politik ausbreitete – auf den Tag genau zwei Monate vor der Bürgerschaftswahl ein bemerkenswerter Vorgang.
Doch der Reihe nach: Als Oppositionsführer eröffnete CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich um kurz nach 15 Uhr die Debatte mit der Feststellung, dass die SPD-Politik vielerlei Protest provoziere: Studenten und Professoren gingen gegen die Unterfinanzierung der Hochschulen auf die Straße, Erzieherinnen und Kita-Eltern für eine bessere Betreuungsqualität und Anwohner und Geschäftsleute gegen „Baustellenchaos und Busbeschleunigung“, so Wersich. Diese durchaus korrekte Situationsbeschreibung nutzte der frühere Sozialsenator jedoch nicht für schärfere Attacken, sondern deklinierte stattdessen die einzelnen Politikbereiche durch.
„Spitze“ sei Hamburg nur bei der Kriminalität, Staus, HVV-Preiserhöhungen und Firmeninsolvenzen, kritisierte der CDU-Fraktionschef. In wichtigen Bereichen wie Wissenschaft und Wirtschaftswachstum hänge Hamburg hingegen zurück. Der Haushalt 2015/2016, um den es in dieser Debatte eigentlich ging, sei „ideen- und fantasielos“ und versäume wichtige Weichenstellungen. Die mögliche Olympiabewerbung nannte Wersich eine „Jahrhundertchance“ für Hamburg, daher vermisse er die Begeisterung des Bürgermeisters für das Thema. „Wo ist Scholz? Fotowirksam Aale in der Alster aussetzen, aber bei der Präsentation der Olympiapläne durch Abwesenheit glänzen, das geht nicht“, rief der Oppositionsführer – einer der wenigen Momente, in denen er den Mann, den er herausfordert, direkt ansprach. Bei früheren Debatten hatte Wersich Scholz hingegen schon derart attackiert, dass dem der Kragen geplatzt war.
„Herr Wersich, das war nix“, konterte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel genüsslich. Der CDU sei wohl entgangen, dass die Zufriedenheit der Bürger mit dem Senat und insbesondere mit dem Bürgermeister Umfragen zufolge „weit über 50 Prozent“ liege. „Wir haben gut gearbeitet“, betonte Dressel und verwies auf Erfolge beim Wohnungsbau, bei der Abschaffung von Kita- und Studiengebühren und bei der Sanierung von Straßen und Infrastruktur. Der Haushalt sei nun das „solide Fundament, diese Arbeit fortzusetzen“.
Ebenfalls bemerkenswert: Die Tatsache, dass Hamburg schon 2014 ohne neue Kredite auskommt und möglicherweise die Vorgaben der Schuldenbremse fünf Jahre früher als vorgeschrieben erfüllt, spielte in den Beiträgen der Hauptredner kaum eine Rolle.
Die eigentliche Front in diesem Wahlkampf, das wurde im weiteren Verlauf der Debatte deutlich, verläuft zwischen SPD und Grünen. Während CDU und Linkspartei nach Lage der Dinge in erster Linie um ein achtbares Ergebnis kämpfen und die FDP ums Überleben, hoffen einzig die Grünen auf eine Regierungsbeteiligung – was die allein regierende SPD wiederum unbedingt verhindern möchte. Dementsprechend scharf versuchte SPD-Fraktionschef Dressel den potenziellen Partner auf Distanz zu halten – etwa indem er Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan daran erinnerte, dass seine Partei zu schwarz-grünen Zeiten die Kitagebührenerhöhung mitgetragen hatte.
„Die SPD hat nicht die Zukunft der Stadt im Blick, sondern ihre absolute Mehrheit“, konterte Kerstan. Er wolle Scholz ja nicht mit dem Weihnachtsmann vergleichen, aber die SPD verteile zwecks Absicherung ihrer Macht gerade reihenweise Wahlgeschenke – wie es die Grünen seit vier Jahren prophezeit hätten, als der Senat anfing, sich eine „schwarze Wahlkampfkasse“ anzulegen, so Kerstan. Einmal in Fahrt, warf der Kospitzenkandidat der Grünen der SPD auch noch „traditionelle Wissenschaftsfeindlichkeit“ vor, dass sie Probleme stets „mit der Maurerkelle“ löse und dabei die Menschen vergesse, dass die Pläne für eine neue U-Bahn ihn an das Ungeheuer von Loch Ness erinnere, das immer nur vor Wahlen auftauche, und dass die SPD die Bürger über Olympia abstimmen lassen wolle, ohne dass etwas über die Kosten bekannt sei. Kerstans Fazit: „Die SPD will ihre absolute Mehrheit auf Biegen und Brechen verteidigen.“
Geradezu zahm kam dagegen FDP-Fraktionschefin Katja Suding mit ihrem Wortspiel „Hamburg verscholzt“ daher. Der Haushalt sei ein „mutloses Dokument ohne Ideen“. Ihre Partei setze dagegen auf eine „Gründer-Initiative“, sagte Suding und erinnert an große Firmen wie Apple oder Microsoft, die in den USA in Garagen entstanden seien. „Auch in Hamburg gibt es viele Garagen“, so Suding. „Aber in Hamburg würde Facebook-Gründer Mark Zuckerberg genervt im Bezirksamt sitzen – und dann gehen.“
Dora Heyenn, Fraktionschefin der Linkspartei, kritisierte vor allem die „soziale Spaltung“ der Stadt. Während bei Bedürftigen gekürzt werde, hapere es beim Steuervollzug bei den Reichen. 818 Selbstanzeigen von Steuersündern allein bis Ende November seien Ausdruck davon. „Dieser Senat investiert viel zu wenig, begrenzt die Ausgaben und sichert nicht in ausreichendem Maße Einnahmen“, so Heyenn. Scharf kritisierte sie den SPD-Parteitag vom Wochenende, bei dem sich die Sozialdemokraten nur als „Abnickverein“ präsentiert hätten. „Das Einzige, was gefehlt hat, war, dass der Bürgermeister die Wahlprogramme signiert hätte.“
Scholz ließ das an sich abperlen und referierte daraufhin 30 Minuten lang die Erfolge seines Senats. Sein Fazit: „Hamburg geht es gut.“ Zwar sei die Stadt nicht „ohne Probleme“, aber wenn ununterbrochen Menschen hierherkämen, man keine Schulden mehr mache und die Stadt im Bundesvergleich gute Noten bekomme, „dann muss in den vergangenen vier Jahren irgendetwas ganz gut gelaufen sein.“