Das Cinefest zeigt bis Sonntag im Metropolis, wie sich das Genre in der Nachkriegszeit entwickelt und verändert hat. Das diesjährige Motto lautet etwas sperrig „Gegen?Öffentlichkeit!“.
Hamburg. Eigentlich sind die Organisatoren des Cinefests so eine Art Schatzgräber. Wie Trüffelschweine durchwühlen die Filmhistoriker im Vorfeld die Archive nach Schmuckstücken, die in ihr Programm passen. Die „Beute“ dieses Jahres kann man noch bis zum 23. November im Metropolis in Augenschein nehmen. Das diesjährige Motto lautet etwas sperrig „Gegen?Öffentlichkeit!“.
Das ist die wortspielerische Variante des von Oskar Negt und Alexander Kluge in ihrem Buch „Öffentlichkeit und Erfahrung“ diskutierten Begriffs der Gegenöffentlichkeit, bei dem es um alternative Kommunikationsformen geht. Den Cinefest-Machern geht es insbesondere um Neuerungen im Dokumentarfilm in der Nachkriegszeit.
Die Kameras wurden kleiner und leichter, die Tontechnik schloss sich dieser Entwicklung an. Ab den 60er-Jahren wurde es einfacher, Dokumentarfilme zu drehen. Der technische Fortschritt passte gut zum Zeitgeist, denn es war zugleich die Ära zahlreicher Protestbewegungen, die nicht immer ihren Weg in die öffentlich-rechtlichen Medien fanden.
Franz Josef Strauß sollte nicht Bundeskanzler werden
Wie Getreide nicht nur ein Nahrungsmittel ist, sondern von Spekulanten gleichzeitig als Waffe und Ware eingesetzt wird, hat Peter Krieg schon vor mehr als 30 Jahren in seinem Film „Septemberweizen“ thematisiert. Zur gleichen Zeit polarisierte ein Unionspolitiker auf heute kaum noch vorstellbare Weise die Bundesrepublik.
Franz Josef Strauß wollte 1980 Bundeskanzler werden. Intellektuelle und Kulturschaffende wollten das unbedingt verhindern. Deshalb taten sich Stefan Aust, Volker Schlöndorff, Alexander Kluge und Alexander von Eschwege zusammen und drehten das kritische Porträt „Der Kandidat“. Beide Filme laufen Dienstag im Metropolis. Begleitet wird das Festival von einem internationalen filmhistorischen Kongress, zu dem täglich rund 60 Teilnehmer erwartet werden. Er wird am Mittwoch eröffnet.
Das Cinefest konzentriert sich traditionell auf das deutsche Filmerbe, wagt aber auch den Blick über den Tellerrand nach Großbritannien und nach Tschechien. Die Briten haben eine starke Dokumentarfilm-Tradition. Der Freitag steht unter dem Motto „British Films in Opposition“. Gezeigt werden „Upper Clyde Shipbuilders“ über die drohende Schließung der Schiffswerften in Schottland. Interessant auch „The Miner’s Campaign Tapes“ über den Streik der Bergarbeiter in der Thatcher-Ära. Die BBC berichtete einseitig über die Ereignisse. Abgerundet wird die Reihe durch Ken Loachs Streik-Film „Which Side Are You On?“, der erst im britischen Fernsehen gezeigt wurde, nachdem er bei der Berlinale einen Preis gewonnen hatte.
Am Sonnabend kommt ein Oscar-Gewinner zu Besuch. Filmhistoriker Kevin Brownlow zeigt „It Happened Here“ 50 Jahre nach seiner Uraufführung. Er spekuliert in der fiktiven Dokumentation, was passiert wäre, wenn die Deutschen im Zweiten Weltkrieg Großbritannien erobert hätten. Am Sonntag endet das Cinefest um 21.30 Uhr mit Andres Veiel und seinem Film „Die Überlebenden“. Er porträtiert darin seine Mitschüler, von denen drei sich das Leben genommen haben.
www.cinefest.de bis 23.11.