Grund ist die zunehmende Alterung der Gesellschaft. Die Mehrkosten von durchschnittlich 1800 Euro pro Wohnung sollen durch Zuschüsse ausgeglichen werden. Auch Einbau eines Fahrstuhls wird gefördert.
Hamburg. Hamburg will vom kommenden Jahr an den Bau einer Wohnung nur noch dann fördern, wenn diese im barrierefrei errichtet wird. Nach Abendblatt-Informationen will der Senat im ersten Quartal 2015 eine entsprechende Änderung der Förderrichtlinien beschließen. Die Mehrkosten von etwa 1800 Euro pro Wohnung sollen durch zusätzliche Zuschüsse ausgeglichen werden. Zudem werde der Einbau eines Fahrstuhls gefördert.
Hintergrund der Initiative der SPD-Bürgerschaftsfraktion ist das Fehlen von barrierefreiem Wohnraum. Dieser wird angesichts der zunehmenden Alterung der Gesellschaft nötig. Schätzungen zufolge gelten weniger als fünf Prozent der rund 900.000 Wohnungen in der Hansestadt als barrierefrei. In fast jedem dritten der etwa 870.000 Haushalte leben Senioren. Eine Studie ergab unlängst, dass lediglich 31 Prozent der 65- bis 85-Jährigen ihre Wohnung als altersgerecht beschreiben.
Hamburg intensivierte in den vergangenen vier Jahren den Wohnungsbau. Dazu schloss der SPD-geführte Senat mit der Wohnungswirtschaft ein „Bündnis für das Wohnen“, durch das der Bau von jährlich rund 6000 Wohnungen sichergestellt werden soll. Den Bau von 2000 Sozialwohnungen fördert die Stadt jährlich mit rund 100 Millionen Euro. Das Thema Barrierefreiheit stand bislang jedoch nicht im Mittelpunkt. Lediglich rund ein Drittel der in den vergangenen Jahren geförderten Neubau-Mietwohnungen waren barrierefrei.
Die Türen müssen eine Breite von 1,10 Meter aufweisen
Als barrierefrei gilt eine Wohnung, wenn diese ohne Treppenstufen erreichbar ist. Das heißt, die Wohnung liegt ebenerdig oder im Haus wurde ein Fahrstuhl installiert. Innerhalb einer barrierefreien Wohnung darf es nicht mehr als drei Treppenstufen geben. Zudem muss die Dusche bodengleich sein. Die Türen wiederum müssen eine Breite von 1,10 Meter aufweisen - also 20 Zentimeter breiter sein als Standardtüren.
Nach den Worten von Matthias Günther vom Pestel-Institut in Hannover sind Bau und Sanierung barrierefreier Wohnungen trotz der Mehrausgaben von finanziellem Vorteil für die Gesellschaft. So ergab eine Untersuchung im Auftrag des Bundesbauministeriums, dass rund 15 Prozent der Pflegebedürftigen in ihren eigenen vier Wänden gepflegt werden könnten, wenn ihr zu Hause altersgerecht wäre. Private Haushalte und Sozialkassen könnten pro Jahr bis zu 5,2 Milliarden Euro sparen, da die Unterbringungin einem Pflegeheim teurer ist.
Umbau zur barrierearmen Wohnung kostet 15.600 Euro
Günther bezifferte die Mehrkosten der stationären gegenüber der ambulanten Pflege auf rund 7.200 Euro pro Jahr. „Dagegen kostet der Umbau zur barrierearmen Wohnung durchschnittlich 15.600 Euro.“ Damit rechne sich eine seniorengerechte Wohnungssanierung bereits nach gut zwei Jahren, sagte Günther. Der finanzielle Vorteil dürfte in den kommenden Jahren steigen, da Experten zufolge die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. „Insgesamt wird die Pflege im Jahr 2035 rund 25,4 Milliarden Euro mehr kosten als heute“, sagte Günther.
„Auch aufgrund der zunehmenden Zahl hochaltriger Menschen brauchen wir in Hamburg in den kommenden Jahren viele tausend barrierearme und barrierefreie Wohnungen", erklärten die seniorenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Karin Timmermann, und der SPD-Wohnexperte Dirk Kienscherf. „Daher war es uns wichtig, dass ab 2015 der öffentlich-geförderte Wohnungsbau grundsätzlich barrierefrei erfolgen soll.“ Es sei ein Zeichen an die Stadt und Wohnungswirtschaft, dass Barrierefreiheit kein Nischenthema, sondern Alltag sei.