Bis Montag verkehrt nur ein Bruchteil der Züge. Neben den Passagieren wird der Hafen und die Industrie beeinträchtigt. Der Autovermieter Sixt ernennt GDL-Chef Weselsky zum „Mitarbeiter des Monats“.
Hamburg. Der Rekordstreik hat begonnen und trifft auch den Norden Deutschlands immens: Zum sechsten Mal im laufenden Tarifstreit mit der Deutschen Bahn haben die Lokführer der Gewerkschaft GDL die Arbeit niedergelegt. Am Mittwochnachmittag traf der Streik bereits den Güterverkehr, am Donnerstagmorgen sollte der Personenverkehr folgen.
Bis Montagmorgen sollen die Züge stehenbleiben. Die Bahn reagiert mit einem Ersatzfahrplan – doch Bus- und Fluglinien sind die Nutznießer. Tausende Reisende müssen ihre Routen ändern. Zugausfälle bereits am Mittwochabend waren nach Angaben der Bahn im Norden nur in wenigen Ausnahmen zu erwarten.
Von Donnerstag an sollte der Nahverkehr auf den Strecken Kiel-Hamburg, Lübeck-Hamburg und Lübeck-Kiel im Stundentakt bedient werden, die Verbindungen Kiel-Flensburg, Neumünster-Flensburg und Kiel-Husum alle zwei Stunden. Der Hamburger S-Bahn-Verkehr fahre auf den Linien S1, S3, S21 und S31 dann im 20-Minuten-Takt, sagte ein Bahnsprecher.
Die GDL Nord rechnet mit 600 bis 1000 streikenden Lokführern allein in Norddeutschland. Der Vorsitzende des GDL-Bezirksverbands, Hartmut Petersen, warb vor Beginn des viertägigen Streiks um Verständnis. „Je länger wir streiken, desto größer wird der Stress auch für die Lokführer“, sagte Petersen. „Aber wir müssen die Belastungen im Arbeitsalltag der Lokführer auf ein erforderliches Maß bringen.“
Das müssen Fahrgäste jetzt wissen
Vor der Arbeitsniederlegung habe die Bahn bereits viele Streikwillige aus dem Dienst abgezogen, so dass sie die Zeit entweder nacharbeiten müssten oder von ihrem Überstundenkonto verlieren. „Diese Kollegen zählen wir auch als Streikende.“ Die jüngsten Verhandlungsangebote der Deutschen Bahn seien nicht akzeptabel gewesen, sagte Petersen. „Dann wären wir im Streikrecht komplett eingeschränkt gewesen.“
Die Privatbahn Metronom ist nach eigenen Angaben nicht direkt vom Streik betroffen. Bis Sonntag sollen daher zusätzlich die S-Bahn-Haltestellen Neugraben, Neu Wulmstorf und Fischbek angefahren werden. Auf Nebenstrecken im Norden verkehren auch die Nord-Ostsee-Bahn, Nordbahn, AKN, NEG und der Hamburg-Köln-Express – in einigen Fällen aber zu erhöhten Preisen.
Diese Zugverbindungen in Hamburg und Schleswig-Holstein bleiben
Viele Bahnkunden müssen wegen des Streiks komplett auf andere Verkehrsmittel ausweichen. „Wir haben seit Dienstag fünf Mal so viele Zugriffe wie sonst“, sagte etwa eine Sprecherin von Mein Fernbus. „Der Ansturm ist enorm. Wir werden zusätzliche Busse anmieten.“ Auch die Lufthansa erwartete kurzfristige Buchungsanfragen. Auf Twitter organisierten sich private Fahrgemeinschaften mit dem Hashtag #twitfahrzentrale.
Auch die Seehäfen wird der Streik erheblich treffen, wie die Bahn-Tochter DB Schenker Rail mitteilte. Die Schiene sei etwa für die Hinterlandanbindung des Hamburger Hafens äußerst wichtig: „Mehr als jeder dritte Container, der heute in Hamburg ankommt, wird mit dem Zug abgefahren.“ DB Schenker Rail will rund die Hälfte der Gütertransporte aufrechterhalten.
Die GDL begründete die geplante Arbeitsniederlegung mit der Weigerung der Bahn, über einen eigenständigen Tarifvertrag auch für Berufsgruppen zu verhandeln, die nicht Lokführer sind. Ein kurzfristiges Schlichtungsangebot, das den Streik verhindern sollte, lehnte die GDL am Mittwoch ab.
Sixt ernennt GDL-Chef Weselsky zum „Mitarbeiter des Monats“
Der Autovermieter Sixt hat die Wut vieler Pendler auf die streikende Lokführergewerkschaft GDL erneut für eine provokante Werbekampagne genutzt. „Unser Mitarbeiter des Monats“ – so betitelt das Unternehmen ein ganzseitiges Foto des GDL-Chefs Claus Weselsky in der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag). Sixt wirbt damit für „Mietwagen an allen Bahnhöfen“. Zuletzt hatte der Autovermieter aus Pullach bei München den Lokführern mit folgendem Spruch für ihren Streik gedankt: „HDGDL, GDL“ („Hab' dich ganz doll lieb, GDL“).