Der Notfahrplan ist bereits scharf gestellt. Der Streik trifft die Deutsche Bahn empfindlich. Was Fahrgäste in Hamburg und im Norden jetzt wissen müssen.

Hamburg/Frankfurt/Main. Sie sind wütend, sie machen sich in Foren im Internet über die Deutsche Bahn lustig, über die Lokführer, die den längsten Streik in der modernen Geschichte des Unternehmens vom Zaun brechen. Doch die Fahrgäste im Nah- und Fernverkehr müssen vier Tage lang umdenken. Die Alternativen heißen Fernbus, Mietwagen, Taxi – oder zu Hause bleiben. Der angekündigte Rekordstreik bei der Deutschen Bahn wird das Alltagsleben der mobilen Deutschen nachhaltig verändern. Von den Auswirkungen auf den Güterverkehr ganz zu schweigen.

Der Notfallfahrplan ist bereits scharf gestellt. Die Bahn ist gerüstet, aber verzweifelt. Konzernchef Rüdiger Grube hat Gespräche angeboten. Es hilft nichts. Der Marathonstreik beginnt am Mittwoch um 15 Uhr. Die Bahn wird wie üblich mit kleinen Tricks versuchen, schon vorher ein bisschen Luft aus dem Fahrplan zu nehmen. Das werden die Kunden also schon vor 15 Uhr zu spüren bekommen.

Die Bahn will bereits von diesem Dienstagabend an auf Streikmodus umstellen. Der erste Notfahrplan werde für Donnerstag gelten, den ersten Streiktag bei den Personenzügen, teilte das Unternehmen mit. Ab Mittwochabend 18 Uhr sei in den Auskunftssystemen dann der Ersatzfahrplan für Freitag abrufbar. Entsprechendes gelte für die Folgetage.

Im Güterverkehr beginnt der Ausstand am Mittwochnachmittag um 15 Uhr. Das Ende des Streiks ist für Montag, 10. November, um 4 Uhr geplant.

Im Norden forderte DGB-Nord-Chef Uwe Polkaehn die GDL auf, in einer Tarifgemeinschaft mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG zu vernünftigen Lösungen zu kommen. „Gewerkschaftliche Tarifkämpfe sind auch ohne Rosinenpickerei einzelner Berufsgruppen möglich.“ Ein geordnetes gemeinsames Vorgehen der Gewerkschaften verhindere auch, dass die Gegner der Gewerkschaften den Unmut der Bahnfahrer und Pendler zusätzlich schüren könnten. „Deshalb ist jetzt höchste Zeit, eine Tarifgemeinschaft zu bilden.“

Das müssen Fahrgäste jetzt wissen

Die Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein forderten die Lokführergewerkschaft GDL auf, ihren angekündigten Streik abzusagen. Ein solcher Streik hätte für die Norddeutsche Wirtschaft gerade im Güterverkehr erhebliche negative Auswirkungen, sagte UVNord-Hauptgeschäftsführer Michael Thomas Fröhlich. Gerade für die Logistikdrehscheibe Hamburg und die gesamte Metropolregion wären die Auswirkungen fatal, sagte Fröhlich.

Diese Zugverbindungen in Hamburg und Schleswig-Holstein bleiben

Während des geplanten Streiks haben Reisende in Schleswig-Holstein trotzdem Chancen, zumindest auf einigen Strecken einen Zug zu bekommen. Wie die landesweite Verkehrsservicegesellschaft am Dienstag in Kiel mitteilte, bieten mehrere Bahnunternehmen Zugverbindungen an.

Nord-Ostsee-Bahn und AKN

Die Nord-Ostsee-Bahn fährt von Hamburg-Altona über Husum nach Westerland. Außerdem bietet die NOB zahlreiche Busverbindungen an. Die Nordbahn fährt von Neumünster Richtung Büsum sowie Richtung Bald Oldesloe.

Die AKN fährt von Neumünster Süd bis Ulzburg Süd, von dort bis Hamburg-Eidelstedt. Zwei anderen Verbindungen führen von Ulzburg Süd nach Elmshorn beziehungsweise Norderstedt Mitte. In Nordfriesland bietet die NEG Züge von Niebüll nach Dagebüll Mole an, wo Schiffsfähren nach Amrum und Föhr ablegen.

Auch die Züge der Hamburg-Köln-Express GmbH (HKX) sind nach Unternehmensangaben vom Streik nicht betroffen. „Wir fahren wie gewohnt nach unserem normalen Fahrplan“, sagt HKX Geschäftsführer Carsten Carstensen.

Die Hauptverbindungen von Hamburg nach Kiel, Lübeck und Flensburg werden nur von der DB betrieben. Die DB wolle aber wie beim vorangegangenen Streik einen Notfahrplan mit etwa einem Drittel des normalen Fahrplans anbieten, sagte eine Sprecherin.

Metronom fährt wie gewohnt – fast

Der Metronom fährt weitestgehend fahrplangemäß. Doch Fahrgäste müssen sich auf Bitte stellen Sie sich dennoch auf „vereinzelte, leichte Verspätungen“ einstellen, wie das Unternehmen mitteilte. Alle gültigen Fahrkarten des DB Fernverkehrs und DB Nahverkehrs würden im Metronom anerkannt. Und: „Über eventuell zusätzliche Halte der Metronom-Züge an S-Bahnstationen südlich von Hannover und zwischen Hamburg-Harburg und Buxtehude informieren wir kurzfristig.“

Es ist der sechste Streik im laufenden Tarifkonflikt und der längste seit Gründung der Deutschen Bahn AG im Jahr 1994. „Dieser Streikaufruf macht nur noch sprachlos und ist reine Schikane“, kritisierte Personalchef Ulrich Weber.

Betroffen sind auch die Feiern zum 25. Jahrestag des Mauerfalls am Wochenende in Berlin, wo bislang Hunderttausende Gäste erwartet wurden. Die Tourismusbranche in der Hauptstadt sprach von einer „egoistischen Entscheidung von einigen Wenigen auf Kosten sehr Vieler“.

Die Lokführer-Gewerkschaft gibt sich kampfbereit

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) begründete die Aktion mit der Weigerung der Bahn, über einen eigenständigen Tarifvertrag auch für Berufsgruppen zu verhandeln, die nicht Lokführer sind. Ein Einigungsversuch beider Seiten war am Sonntag gescheitert. Dabei ging es um Spielregeln für die künftige Zusammenarbeit zwischen der Bahn, der GDL sowie der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).

GDL-Chef Claus Weselsky sagte, man wolle und müsse für alle Mitglieder Tarifverträge aushandeln: „Dieses Grundrecht ist in Gefahr und damit die Funktion von Gewerkschaften an sich.“

Hauptstreitpunkt ist die Forderung der GDL, nicht nur für Lokführer, sondern auch für das übrige Zugpersonal Tarifverträge aushandeln zu dürfen. Der von der Bahn vorgelegte Vertragsentwurf sieht ein Verhandlungsmandat der GDL auch für die Zugbegleiter vor.

Sollten sich beide Gewerkschaften aber nicht über Tarifregelungen für diese Berufsgruppe verständigen, soll letztlich das Ergebnis der Verhandlungen mit der EVG gelten. Weselsky sprach daher von einer „Scheinzuständigkeit für Zugbegleiter“, die die GDL nicht akzeptieren könne.

Der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner griff Weselsky an. „Er schadet nicht nur der Bahn, er schadet der Gewerkschaftsbewegung, weil er eine andere Gewerkschaftslandschaft haben will“, sagte Kirchner im Hessischen Rundfunk.

Die Busunternehmer jubeln bereits

In dem Tarifkonflikt bei der Bahn geht es auch um mehr Geld für die Beschäftigten. Die GDL fordert fünf Prozent mehr Lohn und zwei Stunden weniger Wochenarbeitszeit. „Es muss Schluss damit sein, dass die Kollegen wegen maßloser Überstunden schon im September ihre Jahresarbeitszeit erfüllt haben und ihnen zustehende Freizeit dauerhaft entzogen wird“, sagte Weselsky.

Die Busunternehmer reagierten erfreut auf die Streik-Ankündigung. Sie bereiteten sich auf einen Ansturm der Reisenden vor, wie der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer mitteilte. Einzelne Fernbus-Betreiber kündigten schon zusätzliche Fahrten an.

Hier kommen Sie zum Ersatzfahrplan der Bahn