Bekommen die Naturschützer Recht, muss Stadt beim Umweltschutz nachbessern. In dem Verfahren geht es um die zu starke Belastung von Hamburgs Luft mit Stickstoffdioxid.

Hamburg. Die Richter am Hamburger Verwaltungsgericht waren am Mittwoch nicht zu beneiden. Anfangs schien die Verhandlung über die Klagen eines Anwohners der Max-Brauer-Allee und der Umweltschutzorganisation BUND wegen Luftverschmutzung nach einem eindeutigen Fall auszusehen. Doch die gut vierstündige, in ruhigem Ton vollzogene juristische Auseinandersetzung im Haus der Gerichte am Lübecker Tor brachte die Feinheiten der Materie ans Tageslicht.

Der Anwalt der Stadt. Prof. Alexander Schink, betonte gleich mehrfach, das man es mit einer „komplexen Materie“ zu tun habe. Der Vorsitzende Richter Claus von Schlieffen führte mit ruhiger, sachlicher Stimme und Rüdiger Nebelsieck als Vertreter der Anklage legte mehr als einmal den Finger in die Wunden staatlichen Handelns. Dass das Gericht am Ende - obwohl anders geplant - seine Urteilsverkündung auf Donnerstag verschob, gereicht dem Rechtsstaat durchaus zur Ehre.

In dem Verfahren geht es um die zu starke Belastung von Hamburgs Luft mit Stickstoffdioxid. Der Fakt an sich ist unter den Beteiligten unstrittig. Mit bis zu 65 Mikrogramm pro Kubikmeter liegen die an den vier Hamburger Messtellen gemessene Werte weit über dem von der Europäischen Kommission im Jahr 2010 festgelegten Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Bis zum Jahr 2026 oder gar bis 2030 wird sich daran auch nichts ändern. Das hat der Senat der Brüsseler Kommission bereits mitteilen müssen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Matthias Pätzold als Anwohner wollten sich damit aber nicht abfinden und verlangen nun, dass das Gericht den Behörden der Stadt auferlegt, mehr als bisher für die Reinhaltung der Luft zu tun. Denkbar wären aus Sicht der Kläger die Einführung von Umweltzonen, einer City-Maut und von Tempo 30 auf Hamburgs Hauptverkehrsstraßen. Auch könnte der SPD-Senat angehalten werden, im Kampf gegen die Luftverschmutzung über den Bundesrat aktiver als in den vergangenen Jahren zu agieren.

Wie ernst die Stadt die Klage nimmt, zeigte das Aufgebot, das Alexander Schink im Schlepptau hatte. Gut zehn Beamte waren anwesend, und ihre Reaktionen während der Verhandlung zeigten ein ums andere Mal ihre Anspannung. Medienberichte über eine Kürzung der Investitionen beim Busbeschleunigungsprogramm wurde genauso mit Empörung zurückgewiesen wie die Anmerkung der Kläger, die Stadt lehne Tempo 30 auf Hauptstraßen oder Umweltzonen allein aus politischen Vorbehalten ab.

Relativ rasch drehte sich die Debatte zwischen den Parteien und dem Richter darum, welche Maßnahmen zusätzlich zur Luftreinhaltung möglich und inwieweit sie verhältnismäßig seien. Schink verwies darauf, dass die Umweltbehörde im Jahr 2004 einen Luftreinhalteplan erlassen und diesen inzwischen mehrfach fortgeschrieben habe. Immerhin 80 Maßnahmen würde dieser Plan enthalten und all das, was BUND und Anwohner verlangten, stünde da auch drin.

Rüdiger Nebelsieck stellte den Plan an sich nicht in Frage, sondern dessen Nachhaltig- und Verbindlichkeit. Viele Punkte - wie beispielsweise die Aussage, den Schienenverkehr zu fördern - seien sehr allgemein formuliert und könnten deshalb nicht als Handlungsanweisung für Beamte verstanden werden. Auch der Umstand, dass im Plan oftmals nicht konkret benannt werde, welche Auswirkungen eine Maßnahme auf die Luftreinhaltung habe, sorgte für eine längere, rege Debatte.

Nebelsieck resümierte, es sei für die Stadt noch „viel Luft nach oben“, wenn es darum gehe, die Grenzwerte einzuhalten. Zudem vermute er „politische Gründe“, die hinter der Ablehnung von Umweltzone, Tempo 30 oder City-Maut stünden. Alexander Schink und die Beamten ließen diesen Vorwurf nicht auf der Stadt sitzen. Vielmehr seien die von der Gegenseite vorgeschlagenen Maßnahmen sehr wohl genau geprüft und keineswegs aus politischen Gründen abglehnt worden.

Da wären beispielsweise die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Hauptstraßen: Werde dort Tempo 30 eingeführt, führe das zu mehr Verkehr in Wohngebieten. Zudem, so Alexander Schink, gebe es im Kampf gegen eine Stickoxidverschmutzung der Luft viel einflussreichere Ansprechpartner als die Stadt Hamburg. Hier seien Autohersteller gefordert, abgasärmere Fahrzeuge herzustellen, und der Bund, der gesetzliche Vorgaben wie die Euro-6-Norm beschließen könne. Daher erwarteten die Kläger von der Stadt Hamburg etwas Unmögliches. „Wir bauen aber keine Wolkenkuckucksheime.“

Richter von Schieffen dämpfte die Hoffnungen der Umweltschützer auf massive Belastungen für die Autofahrer. Das Gericht könnte die Stadt nur dazu verpflichten, weitere Maßnahmen in die Planung aufzunehmen, sagte er. „Maßnahmen wie die Einführung Tempo-30-Zonen kann das Gericht dagegen nicht vorschreiben.“