Detlef Scheele und sein Staatsrat tragen nach Ansicht der Christdemokraten eine politische Verantwortung für „in Teilen arbeitsunfähige“ Jugendämter in den Bezirken Mitte und Eimsbüttel.
Hamburg. Wer trägt die politische Verantwortung für den gewaltsamen Tod der dreijährigen Yagmur, die am 18. Dezember 2013 starb? Dieser Frage geht der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA), der den Fall aufklären soll, auf den Grund. Für die CDU-Bürgerschaftsfraktion steht bereits fest, dass Sozialsenator Detlef Scheele (SPD), der am kommenden Dienstag im PUA aussagen wird, und Staatsrat Jan Pörksen (SPD) zu den Verantwortlichen zählen.
„Eine politische Verantwortung von Senator Scheele und Staatsrat Pörksen für die in Teilen arbeitsunfähigen ASD-Abteilungen in den Bezirken Mitte und Eimsbüttel, die für Yagmur zuständig waren, ist nicht mehr zu leugnen“, sagte der CDU-Abgeordnete Christoph de Vries. „Das Verteidigungsgerüst der Behördenspitze ist endgültig zusammengekracht.“ Scheele habe nicht genug unternommen, um die Handlungsfähigkeit der Jugendämter sicherzustellen und einen Schutz des Wohls gefährdeter Kinder nach dem Methadon-Tod des Pflegekindes Chantals Anfang 2012 zu gewährleisten.
Fakt sei, dass das von der Sozialbehörde in Auftrag gegebene Lagebild 2012 gezeigt habe, dass mehrere der 35Abteilungen des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) nicht arbeitsfähig seien. „Trotzdem hat Heer Scheele zwei Jahre lang das Personal nicht verstärkt“, kritisierte de Vries. Zudem sollte das Personalbemessungssystem bis Ende 2013 eingeführt werden. Tatsächlich wurde die Projektgruppe im August 2013 eingesetzt und habe sich erst im April 2014 erstmals getroffen. „Die Verzögerung begründete die Sozialbehörde damit, dass ein Personalbemessungssystem erst dann eingeführt werden könne, wenn das Qualitätsmanagementsystem fertiggestellt sei“, sagte de Vries. „Absurd ist, dass der Senat so argumentiert und gleichzeitig im Juni entschieden hat, dass die Not leidenden ASD-Abteilungen 26 zusätzliche Stellen erhalten.“ Dazu zählten auch die ASD-Abteilungen, die für Yagmur zuständig waren.
Gegen den Vorwurf, der Senat habe keine besonderen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation beim ASD ergriffen, wehrt sich die Sozialbehörde. „Das ist einfach nur falsch“, sagte Behördensprecher Marcel Schweitzer. „Den Bezirken wurde verboten, freie Stellen im ASD nicht zu besetzen, um Spareffekte für den Bezirkshaushalt zu erwirtschaften.“ Alle freien Stellen müssten besetzt werden. Zudem sei die Bezahlung von Mitarbeitern verbessert worden. „Nirgendwo in Deutschland werden die Mitarbeiter so gut bezahlt wie in Hamburg“, sagte Schweitzer. „Darüber hinaus wurden 44 Netzwerkstellen geschaffen, deren Ziel eine Entlastung des ASD durch die Vermittlung von hilfsbedürftigen Familien zu sozialräumlichen Hilfsangeboten ist.“
Fünfeinhalb Monate nach dem Tod von Yagmur legte die Sozialbehörde außerdem ein Konzept zur Verbesserung des Kinderschutzes vor. Senator Scheele sagte damals, dass der Senat damit auf den Bericht der Jugendhilfeinspektion zum Fall Yagmur reagiere und gleichzeitig einen Standard für die kommenden Jahre festlegen wolle.
Neben zusätzlichem Personal beim ASD sieht das Konzept die Einführung einer Kita-Pflicht für Kinder aus besonders kritischen Familienverhältnissen vor. Zudem soll es verbindliche Kooperationen zwischen den Institutionen geben – Behörde, Jugendämter, Kinderärzte, Rechtsmedizin, Justiz und Polizei sollen enger zusammenarbeiten.
Dass es in der Zusammenarbeit zwischen Kitas und Jugendämtern Probleme gibt, bestätigte auch der Sachverständige Martin Peters vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, der am Montag im PUA aussagte. Peters kritisierte mangelnden Informationsfluss und dass die Arbeit der Jugendämter den Kitas undurchsichtig erschien.
„Aus Sicht der Kitas stellt sich der Informationsaustausch mit den Jugendämtern als eine Art ‚Blackbox‘ dar – mit der Folge, dass Erzieherinnen häufig davon absehen, den ASD bei Verdachtsmomenten überhaupt einzuschalten“, sagte Christoph de Vries. Es gebe bisher in der Regel keine schriftlichen Informationen, welche Art von Gefährdung vorliegt, wann und in welchen Fällen eine sofortige Meldung ans Jugendamt erforderlich sei. „Dieser Zustand muss dringend abgestellt werden.“ Zudem bemängelten Sachverständige die Personalsituation in Kitas. „Wieder mal mussten wir hören, dass diese inakzeptabel sei“, sagte Christiane Blömeke (Grüne). „Wie viele Warnungen muss es noch geben, bevor der SPD-Senat endlich handelt?“