Vor dem Hamburger Parteitag zur Kandidatennominierung am 3. Oktober schlägt sich die Partei mit Rechtsextremen in den eigenen Reihen herum. Erster Entwurf des Hamburger Wahlprogramms liegt vor.

Hamburg. Nach der Wahl ist vor der Wahl. So bereitet sich auch die Alternative für Deutschland (AfD) derzeit nach ihren guten Ergebnissen in Brandenburg und Thüringen auf den Hamburger Wahlkampf vor. Im Vorwege des Parteitags am 3. und 4. Oktober, bei dem die Kandidaten für die Bürgerschaftswahl nominiert werden sollen, gibt es allerdings mittlerweile einigen Ärger.

So wirft der frühere Gründer der STATT-Partei, Markus Wegner, mittlerweile Mitglied der AfD, der Parteiführung vor, nicht genug gegen Rechtsextreme in der Partei zu tun. Er werde an dem Nominierungsparteitag aus mehreren Gründen nicht teilnehmen, hat Wegner jetzt an die Parteiführung geschrieben – unter anderem, weil ihm nicht klar sei, „weshalb eigentlich Personen in der Hamburger AfD Mitglied sind und eventuell Kandidat sein wollen, die mit einem Freundeskreis Gleichgesinnter erfolglos durch etliche Parteien (Schill/Offensive D, Zentrum) getingelt sind“. Wenn aber „darunter gar ein ehemaliger NPD Listenkandidat zur Bürgerschaft ist oder Ex-DVU´ler in der Partei herumgeistern, hört der Spaß auf“.

Wegner bezieht sich dabei u.a. auf die früheren Schill-Politiker Norbert Frühauf, Bodo Theodor Adolphi, Peter Lorkowski und Dirk Nockemann, die nun alle in der AfD Politik machen. Gravierender scheint aber der Fall des AfD-Mitglieds Björn J. Neumann, der bei der Bürgerschaftswahl 2011 in Hamburg als Spitzenkandidat der NPD angetreten war. Im April 2013 besuchte Neumann ein Treffen der rechtsextremen Schülerburschenschaft Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg.

Ausschlussverfahren gegen Neumann

Am Rande der Veranstaltung soll er einen Fotografen angegriffen haben, wie mehrere Medien damals berichteten. Derzeit läuft in der Hamburger AfD nach Angabe des Vorsitzenden Jörn Kruse ein Ausschlussverfahren gegen Neumann. Unklar ist die Rolle des früheren DVU-Mitglieds Torsten Uhrhammer in der AfD. Offiziell sind frühere Mitglieder von NPD oder DVU von einer Mitgliedschaft bei der AfD ausgeschlossen. Auf Nachfrage hieß es lediglich, Uhrhammer sei „kein Vollmitglied“.

Allerdings hat die AfD auch Mitglieder aus anderen rechtspopulistischen Parteien gewonnen. So war etwa der früherer Landesvorsitzende der kleinen rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“, Jens Eckleben, im Frühjahr 2013 „Landeskoordinator“ bei der Gründung des Hamburger Landesverbandes der AfD. Bis heute ist er Mitglied der Partei. Auch der frühere Landesschriftführer der „Freiheit“, Claus Döring, kam bei der Hamburger AfD unter und kandidierte im Mai für die AfD im Bezirk-Nord bei den Bezirksversammlungswahlen.

Auffällig ist, wie stark sich die AfD in den Wahlkämpfen in Ostdeutschland gewandelt hat. Statt auf die Euro-Kritik setzt sie nun längst vermehrt auf Themen wie die Innere Sicherheit und eine restriktive Flüchtlingspolitik. Im Brandenburger Wahlkampf näherte sie sich der NPD an, indem sie forderte, die Grenzen zu Polen wegen häufiger Diebstähle im Grenzgebiet zu schließen. Nach der Wahl in Sachsen vor einigen Wochen hatte die Staatsministerin für Integration und Hamburger Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz (SPD) dem Abendblatt gesagt: „Wir haben gesehen, wie frühere NPD-Mitglieder Wahlkampf für die AfD gemacht haben.“

Özoguz sieht die Gefahr, dass ein Teil der AfD nicht davor zurückschrecken würde, gemeinsam mit der NPD ausländerfeindliche Politik zu machen. Gleichzeitig lehnte die AfD wie die Linke aber auch Sanktionen gegen Russland ab – Parteichef Lucke lobte im Wahlkampf im Osten sogar die Sicherheitspolitik der DDR.

Biederes Wahlprogramm

Petra Federau, Vorstandsmitglied der AfD in Mecklenburg-Vorpommern, wetterte auf ihrer Facebook-Seite über Asylbewerber und Ebola-Kranke: „Wir holen uns nicht nur die Religionskriege, sondern auch alle Krankheiten der Welt ins Land. Werden wir demnächst auch noch zwangsverpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen!“ Und weiter: „Demnächst müssen wir für eine bessere Willkommenskultur auch noch Afrikanisch lernen.“

Das Hamburger Wahlprogramm, dessen Entwurf dem Abendblatt vorliegt, kommt dagegen weitaus biederer daher. Als Kernthemen werden dort Verkehrs- und Bildungspolitik, Verbrechensbekämpfung und die Bekämpfung von politischem Filz genannt. Hamburg sei „Stau- Hauptstadt Deutschlands“, heißt es dort etwa. Oder: „Privat fühlen sich die Bürger überdies in Hamburg zu recht ungeschützt. Die Aufklärungsquote bei den ca. 7000 Einbrüchen in Hamburger Wohnungen liegt bei nur zehn Prozent. Seit Jahren agieren politisch motivierte Rechtsbrecher unbehelligt und verunsichern die Bürger.“

Zudem sei Hamburg „durch Duldung faktisch rechtsfreier Räume kaum gehindert zur Hochburg des Linksextremismus in Deutschland“ geworden. Auch in Hamburg will die AfD die Flüchtlingspolitik thematisieren. „Selbstverständlich werden die Themen Flüchtlinge und Zuwanderung im Wahlkampf der AfD in Hamburg eine Rolle spielen“, sagte Landeschef Kruse dem Abendblatt. „Denn es hat eine hohe Bedeutung und die Länderkompetenz Hamburgs ist wichtig.“

Im Hamburger Wahl-Programm heißt es dazu: „Die derzeitige Anerkennungsquote in Höhe von 1,5 Prozent verdeutlicht, dass die überwiegende Zahl der Flüchtlinge aus wirtschaftlichen Gründen migriert. Für diese will die AfD ein eigenes, durchdachtes Zuwanderungsrecht schaffen.“ Im Gegenzug seien „Personen, die keinen Asylgrund nachweisen können oder die gesetzlich notwendige Angaben zu ihrer Person verweigern, umgehend abzuschieben“.

Zudem solle Hamburg durch eine Neufassung des „bundesweiten Verteilungsschlüssels für Asylbewerber und Flüchtlinge“ entlastet werden. „Hamburg verfügt als Stadtstaat nur über geringe Unterbringungsflächen. Der derzeitige Verteilungsschlüssel benachteiligt Hamburg unangemessen“, heißt es im Programmentwurf.

Angesichts der Abkehr der AfD von den Schwerpunkten Euro-Politik und Wirtschaftsliberalismus hat sie zuletzt auch Mitglieder verloren, die den Kursschwenk zu den Themen Kriminalität und Ausländerpolitik nicht nachvollziehen wollten. So berichtet etwa der frühere AfD-Bundestagskandidat Sigurd Greinert, wie er nach ein paar Wochen Mitgliedschaft plötzlich das Gefühl bekommen habe, der Inhalt der AfD sei etwas anderes als ihre Verpackung.

Lösung für Europa

„Alles, was ich befürchtet habe, hat sich bestätigt“, so der 49 Jahre alte Software-Unternehmer, der der Partei im März 2013 beigetreten war. „Euro-kritisch zu sein, aber nicht Europa-kritisch, das war mir damals wichtig.“ Er habe gedacht, eine Rückkehr zu nationalen Währungen könnte für Europa eine Lösung sein.

Heute sagt er: „Die Forderung führte nur zu dumpfem Nationalismus.“ Auch in der AfD. Als Greinert die Treffen der AfD in Hamburg besuchte, seien ihm immer wieder Äußerung anderer Mitglieder übel aufgestoßen. „Das waren keine rechtsextremen Parolen.“ Dafür seien diese Leute viel zu schlau. Aber es ging um „generelle Islamkritik“, um Provokationen gegen die „Political correctness“, um Politik als „Tabubruch“. So hat Greinert das empfunden.

Frühere Mitglieder der NPD habe er in seinen zwei Monaten AfD-Mitgliedschaft nicht kennengelernt. Aber es habe zu seiner Zeit Menschen in der Partei gegeben, die Kontakte zur rechtsextremen NPD gehabt hätten. Genauso wie zur rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“. Viel zu lange habe die Hamburger AfD „bestimmte Strömungen“ in der Partei gebilligt. Bundes-Parteichef Bernd Lucke hatte im Oktober 2013 einen Aufnahmestopp für ehemalige Mitglieder der „Freiheit“ verhängt. „Das kam aus meiner Sicht viel zu spät“, sagt Greinert, der im Mai 2013 wieder aus der AfD austrat.

Geht es nach ihm, hätte die Partei um den Hamburger Wirtschaftsprofessor Lucke konsequenter frühere Mitglieder rechtspopulistischer Gruppen ausgrenzen müssen. „Ich denke, es ist nicht viel passiert, weil die AfD schlicht auf die Prozentpunkte von rechten Kräften nicht verzichten will. Ohne diese Wählerklientel würde die Partei ja auch nicht die guten Ergebnisse erzielen.“

Nicht nur in Hamburg sind Mitglieder wie Greinert wegen des rechtspopulistischen Kurses aus der Partei ausgetreten. Mehrere als liberal geltende Funktionäre in Bundesländern wie Brandenburg oder Bayern haben nach Information des Abendblatts in den vergangenen Monaten resigniert und die Partei aufgrund der neuen politischen Ausrichtung verlassen.

Trotz der Querelen geht die Partei nach außen optimistisch in den Hamburger Wahlkampf. Parteichef Kruse hatte zuletzt das Ziel von acht Prozent ausgegeben. Der Hamburger Politikwissenschaftler Elmar Wiesendahl hatte der AfD ebenfalls gute Chancen attestiert.

Dabei dürfte es allerdings auch darauf ankommen, welches Personal die Partei am 3. Oktober als Kandidaten ins Rennen schickt. Der gebürtige Hamburger und frühere Industrieverbandschef Hans-Olaf Henkel, der für die AfD im Europaparlament sitzt und hier und da als möglicher Hamburger Spitzenkandidat gehandelt wurde, hat am Dienstag abgewinkt.

„Ich werde in den Wahlkampf in Hamburger allerdings eingreifen und meine Freunde der AfD unterstützen“, sagte Henkel dem Abendblatt. Das erhöht womöglich die Chancen anderer – zum Beispiel die von Dirk Nockemann. Der einstige Büroleiter von Ronald Schill und dessen Kurzzeit-Nachfolger als Innensenator sagte am Dienstag, er schließe eine Kandidatur für die Bürgerschaft nicht aus.