Wie es bei den Hamburger Liberalen nach dem Austritt von Sylvia Canel weitergeht, soll auf einer Klausurtagung am kommenden Wochenende beraten werden. Canels Parteikollegen waren offenbar überrascht.
Hamburg. Eine halbe Stunde dauerte ihre Abschiedsrede. Dann bedankte sich Sylvia Canel und ließ einen verdutzten FDP-Landesvorstand in der Geschäftsstelle an der Feldbrunnenstraße (Rotherbaum) zurück. Kein Anwesender hatte geahnt, dass die Hamburger FDP-Chefin auf der Landesvorstandssitzung am Montagabend ihren Hut nehmen, geschweige aus der Partei austreten würde. Noch am späten Abend ließ der kommissarisch eingesetzte Vorsitzende Dieter Lohberger verlauten, dass er Canels Schritt „mit großem Bedauern“ zur Kenntnis nehme. Wie es nun weitergeht, darüber soll auf einer ohnehin anberaumten Klausurtagung am kommenden Wochenende beraten werden.
Auf der Klausurtagung sollte es ursprünglich um den Bürgerschaftswahlkampf gehen. Nun wird es in erster Linie um die Frage gehen, ob Fraktionschefin Katja Suding das Amt der Parteichefin übernehmen soll. Sie selbst erklärt sich nicht zu einer Kandidatur. „Darüber beraten wir in den nächsten Tagen. Mir geht es darum, wie wir den bestmöglichen Wahlkampf machen können.“
Wie berichtet, hat Sylvia Canel sich von Parteichef Christian Lindner und der Entwicklung in der FDP enttäuscht gezeigt. „Soziale Kompetenz und Empathie sind verloren gegangen“, so ihr Vorwurf. Später fasste sie nach und ließ verlauten, es gebe einen „falschen Korpsgeist in der FDP“, mit dem jede Diskussion erstickt werde. „Ich habe das Gefühl, dass man innerhalb der FDP nicht mehr frei sagen kann, was man denkt.“ Canel hatte zudem angekündigt, sich der Gruppe ehemaliger FDP-Politiker um ihren einstigen Stellvertreter Najib Karim anzuschließen, der Ende September eine neue liberale Partei gründen will. Liberalismus habe nichts mit Einkommen zu tun, so Canel, sondern mit Würde. Sie strebe einen sozialliberalen Kurs an.
Katja Suding zeigt sich angesichts der inhaltlichen Auseinandersetzung Canels mit ihrer nun ehemaligen Partei überrascht. „Ich kenne sie so nicht. Unzufriedenheit mit der Programmatik habe ich bei ihr noch nicht beobachten können.“ Sie sagte aber auch: „Jeder Parteiaustritt ist bedauerlich.“ Bundesparteichef Lindner wollte sich zum Austritt Canels nicht äußern, aber in der Bundespartei wurde der Schritt gelassen aufgenommen. „Das ist der Auszug der Enttäuschten“, hieß es in Lindners Umfeld. Der Landesverband habe nun die Chance, sich rechtzeitig vor der Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015 neu aufzustellen. Lindner hofft auf eine Trendwende in Hamburg. Die sich anbahnende Gründung einer neuen liberalen Partei in Hamburg wird nach Ansicht des stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzenden Wolfgang Kubicki keinerlei Einfluss auf die Gesamtpartei haben. „Das ist eine rein regionale Erscheinung, die viel damit zu tun hat, dass große Verletzungen entstanden sind im Zusammenhang mit der Aufstellung der Landesliste zur Bürgerschaftswahl“, sagt der Kieler FDP-Fraktionschef.
Lindner und Kubicki hatten Suding, derzeit die große Hoffnungsträgerin der Partei, Schützenhilfe bei den parteiinternen Auseinandersetzungen mit Canel gegeben. Sie unterstützten die Fraktionschefin dabei, die damaligen Landesvorsitzende dazu zu drängen, Anfang Juli auf einen Platz auf der Landesliste zu verzichten. Das dürfte bei Canel den letzten Ausschlag gegeben haben, von ihrem Amt zurückzutreten und darüber hinaus auch den Liberalen den Rücken zuzukehren.
Dass der Rückzug Canels tatsächlich für alle überraschend kam, zeigt sich daran, dass es weder bei Suding noch ihren Vertrauten eine Strategie für ein derartiges Szenario gibt. Zwar sagt der Bürgerschaftsabgeordnete Wieland Schinnenburg, dass der Rücktritt Canels „gut für die FDP“ und Suding nun „unangefochten“ sei. Aber nur hinter vorgehaltener Hand heißt es aus Sudings Umfeld, dass es eine logische Konsequent wäre, dass sie den Landesvorsitz anstrebe.
Eine klare Aufforderung für die Kandidatur für den Parteivorsitz erhält Suding dagegen nur von einem Widersacher. Der Ex-Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen sagt: „Als Vorgänger von Katja Suding als Vorsitzender der FDP-Bürgerschaftsfraktion und jetziger Bezirksabgeordneter fordere ich Katja Suding auf, konsequenter Weise auch als Landesvorsitzende anzutreten. Katja Suding trägt nach dem Rücktritt von Sylvia Canel sowieso die volle Verantwortung für den Wahlerfolg im Februar nächsten Jahres, den ich mir für meine FDP so sehr von Herzen wünsche.“ Angesichts der Rolle, die Müller-Sönksen bei der letzten Landesvorstandswahl nachgesagt wurde, dürfte das ein vergifteter Vorschlag sein. So soll der 55-Jährige sich entgegen der Absprache, Suding bei der Wahl zu unterstützen, mit seinen Eimsbüttler Liberalen im letzten Moment auf die Seite von Canel geschlagen haben. Sie gewann mit 66 zu 50 Stimmen.