Ohne die zusätzliche Finanzspritze sehen die Pädagogen das Konzept der Inklusion an den Stadtteilschulen in Gefahr. Die Zahl der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist erneut gestiegen.
Hamburg. Wegen der wachsenden Zahl von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an ihren Schulen schlagen die Leiter der Stadtteilschulen jetzt Alarm. „Die personelle Ausstattung reicht nicht, um für alle Schüler ein passendes individuelles Lernangebot sowie die notwendige Begleitung und Unterstützung im Unterricht zu gewährleisten“, sagt Pit Katzer, Leiter der Erich-Kästner-Schule in Farmsen und einer der Sprecher der Vereinigung der Stadtteilschulleiter.
Wie berichtet, hat sich der Anteil der Kinder, denen ein Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung (LSE) attestiert wurde, an dieser Schulform erneut deutlich erhöht. Nach einer Erhebung der Schulleiter beträgt die Quote der LSE-Kinder, die im Zuge der Inklusion jetzt an einer Stadtteilschule angemeldet wurden, in den künftigen fünften Klassen 15,6 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es noch 10,8 Prozent. Die finanziellen Zuweisungen der Schulbehörde sind dagegen auf der Basis eines Anteils von nur acht Prozent berechnet.
Die Schulleiter fordern nun, dass sich die Zuweisung zusätzlicher Lehrerstunden an der tatsächlichen Zahl der LSE-Schüler orientiert und nicht an Planzahlen. Außerdem müsste die Zahl der Förderstunden pro Kind erhöht werden: von drei auf fünf Stunden pro Woche, „um allen Schülern im Unterricht gerecht zu werden“, wie es in einer Mitteilung der Schulleiter-Vereinigung heißt.
„Wir sind uns bewusst, dass die Erfüllung unserer Forderungen viel Geld kostet. Wenn die Inklusion hochwächst, werden langfristig 40 bis 50 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich benötigt“, schreiben die Schulleiter. Allerdings seien für die Einführung der später gescheiterten Primarschule 65 Millionen Euro vorgesehen gewesen, während die Inklusion „derzeit ausschließlich durch Umverteilung innerhalb des Schuletats finanziert werde.“ Ausdrücklich bekennen sich die Schulleiter zur Verantwortung für die Weiterentwicklung einer inklusiven Pädagogik und Didaktik.
Nach Berechnungen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fehlen an den Stadtteilschulen rund 350 Lehrkräfte und an den Grundschulen noch einmal 200 Pädagogen für eine gelingende Inklusion. Kosten: rund 30 Millionen Euro. „Inklusion geht nicht im Sparmodus. Das Konzept läuft in Hamburg Gefahr, vor die Wand zu fahren“, sagt die GEW-Vorsitzende Anja Bensinger-Stolze.
„Es rächt sich jetzt, dass Schulsenator Ties Rabe zu schnell zu viele Förderschulen geschlossen hat“, sagt Anna von Treuenfels (FDP). Rabe müsse wenigstens zur Einzelfalldiagnose zurückkehren, um den jahrelangen Streit darüber zu beenden, ob die Zahl der LSE-Kinder wirklich gestiegen ist.