Am Dienstag will Senat Gesetzentwurf für den Jugendarrest beschließen. Im Zentrum steht der Erziehungsgedanke. Justizsenatorin: „Wollen die Zeit des Arrestes dafür nutzen, um mit den Tätern zu arbeiten.“

Hamburg. Einer wie B.: Der 17 Jahre alte Jugendliche, der seinen Hauptschulabschluss an der Handelsschule erreichen will, muss drei Wochen Dauerarrest wegen gefährlicher Körperverletzung in der Jugendarrestanstalt Hahnöfersand absitzen. B., der zuvor schon wegen Marihuana-Besitzes verurteilt worden war, hatte bei einem Familienstreit einen Angehörigen getreten und geschlagen.

Oder eine wie J.: Die 15 Jahre alte Schülerin muss auf Anordnung des Jugendgerichts für eine Woche in Beugearrest. J. hatte regelmäßig die Schule geschwänzt, aber weder das von der Schulbehörde verhängte Bußgeld von 75 Euro bezahlt, noch ersatzweise drei Tage gemeinnütziger Arbeit geleistet.

Im vergangenen Jahr wurde in Hamburg Jugendarrest in 361 Fällen verhängt, die mildere Sanktionsform im Vergleich zur Strafhaft. Höchstens vier Wochen darf der Jugendarrest dauern, als so genannter Freizeitarrest auch nur ein Wochenende. Auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand gibt es 20, vom übrigen Vollzug getrennte Arrestplätze – 14 für männliche und sechs für weibliche Jugendliche.

Am heutigen Dienstag will der Senat erstmals ein eigenes Jugendarrestvollzugsgesetz beschließen – nicht ganz freiwillig, denn das Bundesverfassungsgericht hatte den Ländern bereits 2006 aufgegeben, für den Freiheitsentzug von Jugendlichen wegen seiner speziellen erzieherischen Ausrichtung eine eigene gesetzliche Grundlage zu schaffen. Für den Jugendstrafvollzug hatte der Senat seine Hausaufgaben mit einem eigenen Gesetz bereits 2009 erledigt.

„Wir wollen die kurze Zeit des Arrestes dafür nutzen, um mit den jungen Tätern zu arbeiten“, sagt Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD). Es gehe beim Jugendarrest darum, den jungen Menschen eindringlich deutlich zu machen, dass sie für ihre Taten einstehen müssen. „Aber wir wollen kriminelle Karrieren verhindern und den Jugendlichen das Handwerkszeug für die Zeit nach der Entlassung mitgeben“, so Schiedek. Es nütze nichts, wenn ein Jugendlicher während des Arrestes straffrei bleibe und danach weitermache wie vorher.

„Der Jugendarrest ist erzieherisch zu gestalten“, heißt es programmatisch in §2 des Gesetzentwurfs. Die Jugendlichen sollen während des Arrestes unterstützt werden, „ihre persönlichen und sozialen Schwierigkeiten zu lösen“. Dabei sollen die von ihnen verübten Taten keinesfalls ausgeblendet werden. Den Jugendlichen sind laut Gesetzentwurf „auch die Folgen weiterer Straftaten zu verdeutlichen und die Perspektive des Opfers nahe zu bringen“. Erstmals ist gesetzlich festgeschrieben, welche konkreten Förderangebote in der Jugendarrestvollzugsanstalt vorgehalten werden müssen.

Es ist eine breite Palette von Maßnahmen, die vom Opfer-Empathie-Training über das Anti-Gewalt-Training bis hin zu Kursen reicht, die das ernsthafte Bemühen der Jugendlichen zum Ziel haben, einen Ausgleich mit Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich).

Im Arrest werden auch Grundkenntnisse der Hygiene und Ernährung vermittelt

Auf die neuen Arrestanten, die auf die Elbinsel Hahnöfersand kommen, wartet ein straffer Tagesablauf, der Einschlusszeiten in der Einzelzelle als Phase der Besinnung ausdrücklich vorsieht. Das Zauberwort lautet modulares stationäres soziales Training, das einen individuellen Zuschnitt je nach Problemlage erlaubt. Fester Bestandteil des Programms ist die Vermittlung von Grundkenntnissen der Wäsche- und Hausreinigung sowie die Sensibilisierung für das Thema Hygiene.

In der Küche der Arrestanstalt werden „niedrigschwellig Theorie und Praxis der Nahrungszubereitung, Ernährungslehre, Küchenhygiene und wirtschaftliche Fragen der Haushaltsführung erarbeitet“, wie es ahnungsvoll unbestimmt im Konzept zum stationären sozialen Training heißt. Offensichtlich bestehen in diesen Bereichen bei den arrestierten Jugendlichen erhebliche Defizite, andererseits sollen diese Einheiten auch die Selbstständigkeit der jungen Menschen fördern.

Wesentliche Bausteine des Trainings sind jedoch Einzelgespräche sowie eine Schullaufbahn-, Ausbildungs- und Berufsberatung. Als Schlüssel für den Erfolg des Trainings gilt die Zusammenarbeit mit den Institutionen, mit denen die Jugendlichen außerhalb der Gefängnismauern zu tun haben. Dazu zählen vor allem die Schulen, die Jugendhilfe, aber auch die Jugendgerichts- und die Jugendbewährungshilfe.

Die Jugendlichen haben Anspruch auf lediglich eine Stunde Aufenthalt im Freien pro Tag, „wenn die Witterung es zulässt“, wie es im Gesetzentwurf heißt, den die Bürgerschaft noch beschließen muss. Wenn ein Arrestant renitent ist, dürfen die Vollzugsbediensteten „Fesseln und Reizstoffe" als Mittel des unmittelbaren Zwangs einsetzen.

Der Jugendarrest von maximal vier Wochen kann in mehrere kurze Aufenthalte von bis zu vier Tagen oder am Wochenende (Freizeitarrest) aufgeteilt werden. Neben dem Beugearrest gibt es als dritte Form den Warnschussarrest, der verhängt werden kann, wenn eine Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt ist. Seit 2009 (525 Fälle) ist die Zahl der verhängten Jugendarreste um ein Drittel gesunken. Im vergangenen Jahr gab es erstmals mehr Beugearreste als sogenannte Urteilsarreste. Das liegt vor allem am gestiegenen Anteil hartnäckiger Schulschwänzer (50 Fälle).