Die Jugendkriminalität in Niedersachsen geht zurück, die Rückfallquote bleibt aber hoch. Die Landesregierung setzt auf Unterstützung und Erziehung der jungen Täter. Eine härtere Bestrafung bringt nichts, sagt die grüne Justizministerin.

Braunschweig. Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz hat Forderungen nach härteren Strafen für junge Kriminelle eine Absage erteilt. Deren Wirksamkeit sei durch nichts belegt, sagte die Grünen-Politikerin am Freitag beim niedersächsischen Jugendgerichtstag in Braunschweig. Dort diskutierten rund 200 Experten aus Justiz, Jugendhilfe und Polizei über den Umgang mit straffälligen Jugendlichen. Deutlich wurde unter anderem, dass es in den Jugendgefängnissen nicht genügend Hilfen für psychisch kranke Insassen gibt.

Die Ministerin kündigte an, bis zum Sommer einen Gesetzentwurf für den Jugendarrest vorzulegen. Dabei gehe es um eine bessere Unterstützung und Förderung der jungen Insassen. Obwohl die meisten von ihnen 19 Jahre und älter sind, hätten mehr als die Hälfte keinen Schulabschluss, sagte Niewisch-Lennartz. Viele seien drogenabhängig, ein Fünftel sei bereits wegen psychischer Probleme behandelt worden. Ein großes Problem in den Jugendarrest-Einrichtungen sind nach einer Erhebung der Jungtäteranstalt in Vechta Selbstverletzungen und Suizidversuche.

Eine vom Justizministerium eingesetzte Projektgruppe erarbeitet bis März ein Konzept zur Verbesserung der psychiatrischen Versorgung im Gefängnis. „Psychisch auffällige junge Gefangene gehören zu den schwierigsten Insassen mit hoher Rückfallgefahr“, sagte Niewisch-Lennartz. In der Jugendanstalt Hameln, Deutschlands größtem Jugendgefängnis, könnten psychisch kranke Inhaftierte im Moment nicht adäquat behandelt werden, sagte Gefängnisleiterin Christiane Jesse. „Wir sind deshalb sehr dankbar, dass die Thematik aufgegriffen wird.“

Psychisch kranke Gefangene benötigten eine enge fachkundige Betreuung, sagte Jesse. Es könne aber nur stundenweise wöchentlich ein Kinder- und Jugendpsychiater in die Anstalt kommen, der dann die individuellen Therapien mit den Gefängnisärzten abspricht. In der Hamelner Jugendanstalt sind derzeit rund 500 junge Gefangene untergebracht. Die Zahl der Inhaftierten gehe zurück, sagte die Anstaltsleiterin. „Wie es aussieht, funktioniert die Prävention.“

Der Kriminalstatistik zufolge lag die Kinder- und Jugendkriminalität in Niedersachsen im vergangenen Jahr auf dem niedrigsten Stand seit 15 Jahren. Die Zahl der tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen sei 2012 im Vergleich zum Vorjahr um 8,5 Prozent zurückgegangen, berichtete Siegfried Löprick. Der niedersächsische Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen sieht dennoch Verbesserungsbedarf.

Löprick forderte das Land auf, die Förderung für ambulante sozialpädagogische Maßnahmen von derzeit zwei Millionen Euro jährlich aufzustocken. Nach der Teilnahme an einem Anti-Gewalt-Training sei die Rückfallquote von Jugendlichen geringer als nach dem Verbüßen einer Vollzugsstrafe. 30 Prozent der Jugendlichen im Arrest seien Schulverweigerer, berichtete Löprick, der auch Lehrer im Jugendvollzug Göttingen ist. „Arrest ist aber ein untaugliches Werkzeug gegen Schulverweigerung.“