Am heutigen Sonnabend berät die Spitze der Hamburger CDU über die Landesliste für die Bürgerschaftswahl. Streit gibt es um den „Frauenplatz“ sechs. Spitzenkandidat Wersich überlegt, ihn extern zu vergeben.

Hamburg. Wenn diese Geschichte mal vorbei ist, in einigen Jahren oder Jahrzehnten, dann könnte man ein Buch schreiben. Titelvorschlag: „Die Hamburger CDU und die Frauen“. Mindestens ein Kapitel würde dann vom Sommer 2014 handeln, und einige Sätze müssten dem heutigen Sonnabend gewidmet werden.

Doch der Reihe nach. Die Geschichte würde irgendwann nach dem Krieg beginnen, und die ersten Kapitel wären schnell erzählt. Sie würden davon handeln, dass die Hamburger CDU über Jahrzehnte eine von Männern dominierte Partei war. Frauen in aussichtsreichen Positionen waren die Ausnahme – eine war Birgit Breuel, bis 1978 Bürgerschaftsabgeordnete, bevor sie als Ministerin in Niedersachsen und später als Treuhandchefin bundesweit Karriere machte. Dass in der CDU nicht nur die Damen außerhalb Hamburgs ihr Glück suchten, war logisch, denn in den 44 sauren Oppositionsjahren an der Elbe waren kaum Posten zu vergeben.

Doch auch nach dem Machtwechsel 2001 änderte sich das Bild kaum. In die drei Senate unter Bürgermeister Ole von Beust schaffte es nur eine einzige Hamburger CDU-Frau: Birgit Schnieber-Jastram. Die wenigen anderen Senatorinnen auf CDU-Ticket – etwa Alexandra Dinges-Dierig oder Karin von Welck – kamen entweder von außerhalb oder waren parteilos oder beides. Einzig Herlind Gundelach, die Beust aus Hessen holte, warf einen Anker in der Hamburger CDU und gehört bis heute zum Führungszirkel.

Die Geschichte dieses Sommers begann mit dem Machtverlust 2011. Danach begehrten die Frauen in der CDU auf und forderten offen mehr Mitsprache ein. Sichtbarstes Zeichen war, dass sich mit der Bürgerschaftsabgeordneten Karin Prien und der Vorsitzenden der Frauen-Union, Marita Meyer-Kainer, gleich zwei Frauen um den Landesvorsitz bemühten. Ironie der Geschichte: Wären sich die Damen einig gewesen, hätte sich in der parteiinternen Mitgliederbefragung vielleicht eine durchgesetzt. Doch weil das nicht der Fall war, machte der Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg das Rennen. In der Praxis war das jedoch ein Glücksfall für die Sache der Frauen. Denn der liberale Lehrer aus Altona ist weniger in den traditionellen Männer-Netzwerken verhaftet als seine Vorgänger und setzte sich zudem mit dem Fraktionsvorsitzenden Dietrich Wersich für eine Frauenquote ein. Mindestens jeder dritte Platz sollte bei innerparteilichen Wahlen einer Frau vorbehalten sein. Nächste Ironie der Geschichte: Da rang sich die Parteiführung endlich zu einer Revolution durch – doch die Mitglieder lehnten sie ab, und das sogar mit Stimmen von Frauen. 2012 war das.

Wenn heute nun der 17er-Wahlausschuss der CDU in der Parteizentrale am Leinpfad zusammenkommt, um über die Landesliste für die Bürgerschaftswahl im Februar zu beraten, findet er in Sachen Gleichberechtigung eine erschütternde Lage vor: In der Bürgerschaft stellen Frauen gerade vier der 27 Abgeordneten, in den sieben Bezirksversammlungen entfallen nur 24 von 91 CDU-Mandaten auf Frauen, und als Anfang des Sommers die Kandidaten nominiert wurden, die sich in den 17 Wahlkreisen um ein Direktmandat für die Bürgerschaft bewerben, ging nur in drei Fällen der Spitzenplatz an eine Frau: Karin Prien (Wahlkreis Blankenese) und Birgit Stöver (Harburg) dürften ihr Mandat erneut sicher haben, dazu stößt wohl Franziska Grunwaldt (Altona). „Dass sich in 17 Wahlkreisen nur drei Frauen durchsetzen konnten, ist ein Trauerspiel“, findet Karin Prien. Der Parteiführung sei das aber nicht anzulasten. „Marcus Weinberg und Dietrich Wersich bemühen sich sehr, Frauen zu fördern. Aber in einigen Kreisverbänden gibt es noch Handlungsbedarf.“

Worin der besteht, darüber gehen die Meinungen in der CDU auseinander. Die einen schieben es auf die machtbewussten Männerbünde, auf deren Spielchen Frauen einfach keine Lust hätten. Die anderen sehen die Verantwortung beim weiblichen Geschlecht selbst. Die Frauen müssten sich nur durchsetzen wollen, dann hätten sie auch Chancen, heißt es. In anderen Parteien funktioniere das ja auch. Wahr ist vermutlich von beidem etwas.

Weil die Lage nun einmal ist, wie sie ist, wird umso genauer auf die Landesliste geschaut. Auch wenn sie dazu nicht verpflichtet sind, wollen Weinberg und Spitzenkandidat Wersich unbedingt jeden dritten Platz an eine Frau vergeben. Um Friederike Föcking, die hinter Wersich und Roland Heintze auf Rang drei stehen soll, gibt es auch keine Diskussionen. Hans-Detlef Roock und Christoph de Vries – allesamt etablierte Bürgerschaftsabgeordnete – haben ihre Plätze auch sicher. Doch um Platz sechs, intern der zweite „Frauenplatz“ genannt, gibt es ein erbittertes Ringen. Das hat zwei Gründe: Sollte das CDU-Ergebnis nicht deutlich besser ausfallen als 2011 (21,9 Prozent), gelten nur die ersten sechs bis sieben Listenplätze als sicher. Zweitens fühlen sich viele Hamburger Christdemokratinnen brüskiert, seit bekannt wurde, dass Wersich damit liebäugelt, die Plätze sechs und neun „externen“ Frauen anzubieten. Zwar versucht er intern zu beschwichtigen, dass er „natürlich“ auch ganz viele der 9000 Parteimitglieder, von denen immerhin 40 Prozent weiblich sind, für geeignet halte. Aber die Debatte ist da.

„Völlig richtig“, finden einige Parteimitglieder Wersichs Gedanken und verweisen auf die lange CDU-Tradition, externen Sachverstand in Fraktion und Senat zu holen. „Im Übrigen: Wo sind denn die Frauen, die sich aufdrängen?“, fragt ein Abgeordneter. Das wiederum bringt vor allem die Frauen-Union um Marita Meyer-Kainer auf die Palme. Nicht nur, weil sie selbst gern ins Parlament einziehen würde, sondern auch, weil sie gut nachgefragte Mentoring-Programme durchführt, bei denen 30Frauen über ein Jahr gezielt an die Politik herangeführt werden. Nun indirekt zu erfahren, dass diese Damen das Anforderungsprofil nicht erfüllen, empfindet sie als unfreundlichen Akt.

Gegen „Wild Cards“ für externe Fachleute ist diese Gruppe keineswegs. Aber dass es gerade Frauenplätze treffe, müsse doch nicht sein. Es könnte doch auch mal einer der Herren zurückstehen. Die Debatte wird lebhaft, und sie muss heute nicht enden. Vorsichtshalber ist für nächste Woche noch ein Treffen des 17er-Ausschusses angesetzt. So füllt sich das Buch, Kapitel für Kapitel.