Im Prozess gegen die Eltern der toten Yagmur schildern Mitarbeiterinnen des Kinder- und Jugendnotdiensts einen Hausbesuch bei der Familie. Eine weitere Zeugin sagt aus - und wiederruft frühere Aussagen.

Hamburg. Die Mutter der getöteten Yagmur aus Hamburg hat sich vom Jugendamt belästigt und „gestalkt“ gefühlt. Das sagte eine Mitarbeiterin des Kinder- und Jugendnotdienstes am Montag als Zeugin vor dem Hamburger Landgericht.

Das Jugendamt habe ihr und einer Kollegin den Auftrag erteilt, an einem Wochenende im September 2013 nach dem Mädchen zu sehen, weil es zuvor mehrere Tage nicht im Kindergarten erschienen war. Als sie die Eltern schließlich nach mehreren vergeblichen Versuchen am späten Abend des 22. September zu Hause antrafen, sei die Mutter sehr aufgebracht über den Besuch gewesen, erklärte die 57-Jährige am ersten Verhandlungstermin nach vier Wochen Sommerpause.

Die dreijährige Yagmur war kurz vor Weihnachten 2013 in der Obhut ihrer Eltern an inneren Blutungen gestorben. Die 27 Jahre alte Mutter steht wegen Mordes vor Gericht, sie soll ihre Tochter aus Hass zu Tode misshandelt haben. Der ein Jahr jüngere Vater muss sich verantworten, weil er das Mädchen nicht geschützt haben soll. Yagmur war seit ihrer Geburt von den Behörden betreut worden, die wegen Versäumnissen in der Kritik stehen. Das Jugendamt habe ihnen erklärt, das Mädchen sei „drei bis vier Tage“ nicht im Kindergarten gewesen, sagte die Mitarbeiterin des Notdienstes.

Yagmur sei seit fast drei Wochen nicht in der Kita gewesen

Entgegen einer Vereinbarung habe die Mutter auch kein Attest vorgelegt, dass Yagmur krank sei. Ihnen habe die 27-Jährige gesagt, ihre Tochter habe eine Mandelentzündung und Läuse. Ein Attest des Kinderarztes habe sie bereits zur Kita gebracht – allerdings erst am späten Freitagnachmittag, als im Jugendamt bereits niemand mehr zu erreichen war. Der Vorsitzende Richter betonte, es gebe Anhaltspunkte dafür, dass ein solches Attest nie beim Kindergarten eingereicht worden sei. Zudem war Yagmur nach Darstellung des Gerichts vor dem Hausbesuch nicht erst wenige Tage, sondern bereits seit fast drei Wochen nicht mehr in der Kita gewesen. Diese Information hätten sie vom Jugendamt nicht bekommen, erklärte die Zeugin. Bei dem Hausbesuch habe sie Yagmur vorsichtig geweckt und sie gefragt, ob es ihr gut gehe. Das Kind habe verschlafen „Ja“ gesagt und zum Abschied kurz gewunken.

Sie habe das Mädchen nur bei schummriger Nachtbeleuchtung gesehen. Das Jugendamt habe sie nicht beauftragt, Yagmur genauer in Augenschein zu nehmen und etwa zu entkleiden, sagte die 57-Jährige. Dass das Mädchen auf Betreiben der Behörden wieder bei seinen leiblichen Eltern leben durfte, hätten sie als „klares Indiz“ gesehen, sagte ihre 49 Jahre alte Kollegin: „Sonst gibt man ein Kind ja nicht zurück.“ Yagmur hatte zuvor lange bei einer Pflegemutter gewohnt. Nachdem sie Anfang 2013 mit gravierenden Verletzungen im Krankenhaus behandelt werden musste, war sie mehrere Monate in einem Kinderschutzhaus untergebracht worden.

Zeugin streitet Aussage vor Gericht ab

Neben der Mitarbeiterin des Kinder- und Jugendnotdienstes sagte am Nachmittag noch eine weitere Zeugin aus. Es handelt sich um eine Nachbarin der Eltern aus Hamburg-Billstedt. Sie hatte nach Yagmurs Tod der Polizei gesagt, sie habe häufig Geschrei und ein weinendes Kind in der Wohnung gehört. Vor Gericht wollte die 64-Jährige davon jedoch nichts mehr wissen: „Es war jedenfalls nicht so, dass man sagen konnte, da wird ein Kind gehauen.“ Auch dass die Angeklagten Drogen genommen hätten, wie sie zuvor gesagt hatte, wollte sie nicht mehr bestätigen. Sie habe keinen Wert darauf gelegt, Kontakt zu der Familie zu haben: „Ich wollte eigentlich nur noch meine Ruhe haben.“ In der Wohnung ihrer Nachbarn habe es außerdem „nicht gerade sehr appetitlich“ ausgesehen.

Die Wohnung der Angeklagten wurde Ende Juli erneut durchsucht, wie der Vorsitzende Richter am Montag sagte. Unter anderem wurde ein Computer beschlagnahmt, der im Kinderzimmer stand. Auf der Festplatte sei allerdings „nicht viel drauf“, erklärte der Vertreter der Staatsanwaltschaft. Weitere Details wurden nicht genannt.