Der Stromkonzern aus Karlsruhe expandiert von der Hansestadt aus im Geschäft mit Offshore-Windparks. Neue Projekte auf der Nordsee geplant. Die Herausforderungen sind dabei groß.
Hamburg. Zwei Offshore-Windparks gibt es bislang auf dem deutschen Teil der Ostsee, westlich und nördlich der Insel Rügen. Einer ist bereits in Betrieb, der zweite soll 2015 erstmals Strom liefern. Beide Windparks baut und betreibt der Stromkonzern Energie Baden-Württemberg (EnBW) mit Hauptsitz in Karlsruhe. Doch Basis für die Projekte „EnBW Baltic 1“ und „EnBW Baltic 2“ ist Hamburg. Auch seine geplanten Windparks auf der Nordsee will EnBW von der Hansestadt aus realisieren. „Hamburg ist das Zentrum der deutschen Offshore-Branche“, sagte EnBW-Manager Dirk Güsewell, zuständig für den Ausbau der erneuerbaren Energien im Konzern, am Montag in Hamburg. Derzeit beschäftigt EnBW in der Stadt 110 Mitarbeiter, „die gesamte technologische Expertise, die wir für den Aufbau und den Betrieb von Offshore-Windparks brauchen“, sagte Güsewell. In den kommenden Jahren sollen, je nach Projekt, 30 bis 40 Mitarbeiter zeitweise hinzukommen.
EnBW ist nach RWE, E.on und Vattenfall der viertgrößte Stromerzeuger in Deutschland. Weitaus stringenter als die Wettbewerber richtet der Konzern sein Geschäft auf die Energiewende und die erneuerbaren Energien hin neu aus. Das hat hauptsächlich zwei Ursachen: Atomkraftwerke hatten an der Stromerzeugung bei EnBW jahrelang einen besonders hohen Anteil. Der geplante Atomausstieg bis zum Jahr 2022 zwingt das Unternehmen, schneller als andere Versorger Alternativen aufzubauen. Flankiert wird das durch die Politik. Einer der beiden Hauptaktionäre von EnBW ist das Land Baden-Württemberg. Nach der Regierungsübernahme von Winfried Kretschmann, des ersten deutschen Ministerpräsidenten, den die Grünen stellen, erwartet die Landesregierung von EnBW eine Art Vorbildfunktion bei der unternehmerischen Umsetzung der Energiewende.
Basis dafür soll die Windkraft sein, an Landstandorten wie auch auf dem Meer. Mit seinen beiden Ostsee-Windparks nimmt EnBW in Deutschland eine Pionierrolle ein. Die Baubedingungen auf der Ostsee unterscheiden sich vor allem durch die Struktur des Meeresbodens weitgehend von denen in der Nordsee. Zudem müssen Offshore-Windparks auf der Ostsee gegen Eisgang gesichert werden. „Der Netzbetreiber 50 Hertz ist derzeit dabei, ,Baltic 1‘ und ,Baltic 2‘ miteinander zu verbinden. ,Baltic 2‘ wird technisch auch für die Verbindung zum dänischen Windpark ,Kriegers Flak‘ vorbereitet“, sagte Stefan Kansy, Projektleiter „EnBW Baltic 2“. „Das wäre die erste grenzüberschreitende Verbindung zweier Offshore-Windparks in der Ostsee.“
Vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr hatten zahlreiche Unternehmen weitere Investitionen in deutsche Offshore-Parks gestoppt, weil sie zunächst die künftigen Förderbedingungen abwarten wollten. Vergangene Woche kündigte der Baukonzern Hochtief an, sein Offshore-Geschäft zu reduzieren, weil die Ausbauziele in Deutschland und in Europa nicht mehr so lukrativ seien wie noch vor einigen Jahren.
EnBW hingegen setzt nach der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) für die kommenden Jahre nun klar auf den Ausbau der Offshore-Windkraft. „Die Offshore-Wirtschaft in Deutschland ist aus der Testphase in die industrielle Phase übergegangen. Wir sind mittendrin in der Energiewende“, sagte Manager Güsewell. Die seit dem 1. August im novellierten EEG festgeschriebene Verringerung der Einspeisevergütungen für Offshore-Strom vom Jahr 2018 an führe allerdings dazu, dass die geplanten Nordsee-Projekte neu kalkuliert werden und dass „Hohe See“ noch einmal neu ausgeschrieben werden muss. Im Jahr 2016 soll die Investitionsentscheidung für den Nordsee-Windpark „Hohe See“ fallen, darauf dann das Projekt „He Dreiht“ in der Nordsee gestartet werden. „Hohe See“ hatte EnBW wegen unklarer Förderbedingungen 2012 zunächst gestoppt. „Gegenüber der früheren Planung müssen die Kosten für dieses Projekt nun um 23 Prozent gesenkt werden, damit wir auch angesichts sinkender Einspeisevergütungen profitabel arbeiten können“, sagte Güsewell. Andererseits sänken dadurch die Erzeugungskosten von derzeit 13 bis 14 Cent Offshore-Strom je Kilowattstunde in den kommenden Jahren deutlich. „Wir stehen in der Offshore-Branche noch ganz am Anfang der Lernkurve.“ EnBW will seine Erfahrungen von der Ostsee für die beiden geplanten wie auch für weitere Nordsee-Windparkprojekte nutzen.
Die Herausforderungen sind groß: „EnBW Baltic 2“ mit 80 Windturbinen kostet rund eine Milliarde Euro. Die beiden Nordsee-Windparks, die mehr als 100 Kilometer von der Küste entfernt in der Deutschen Bucht Strom produzieren sollen, veranschlagt EnBW derzeit mit einem Investitionsvolumen von je 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro. „Hohe See“ soll ebenfalls 80 Windturbinen umfassen, „He Dreiht“ ist bislang mit 119 Windkraftwerken geplant.
EnBW sieht den europäischen Offshore-Windkraftmarkt weit optimistischer als mancher Wettbewerber. Der jährliche Zubau an Erzeugungskapazität auf dem Meer könne von rund 8800 Megawatt 2014 bis zum Jahr 2020 auf 28.300 Megawatt steigen, zitierte Güsewell eine aktuelle Studie. Deutschland stehe bei der installierten Leistung derzeit in Europa hinter Großbritannien, Dänemark und Belgien an Rang vier. „Die Offshore-Windkraft stellt Erzeugungskapazitäten im Maßstab von Großkraftwerken zur Verfügung“, sagte Güsewell. Bis zur Hälfte des Jahres könne eine Offshore-Turbine Strom unter voller Nennleistung produzieren.