Die Großstädte müssten dringend entlastet werden, sagte der Sozialsenator. Dafür könnten ländliche Regionen deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als bisher. Hamburg würde dafür sogar die Kosten tragen.

Hamburg. Angesichts des wachsenden Flüchtlingsstroms fordert Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele, die Lasten zwischen Stadtstaaten und Flächenländern neu zu verteilen. „Vielleicht ist das ein Tabubruch: Aber meiner Meinung nach muss die Aufnahme von Flüchtlingen zwischen Großstädten und dünner besiedelten Regionen besser gelöst werden“, sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur dpa. „In Bezug darauf könnte zum Beispiel der Schlüssel, nach dem Asylbewerber auf die Bundesländer verteilt werden, geändert werden.“ Neben den Stadtstaaten klagen allerdings auch Flächenländer wie Thüringen über Kapazitätsprobleme.

Die Zahl der Menschen, die in Deutschland um Asyl bitten, steigt seit Jahren unaufhörlich. Allein im ersten Halbjahr 2014 stellten rund 77 000 Menschen einen Asylantrag – fast 60 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Mit 200 000 Anträgen insgesamt rechnet die Bundesregierung bis zum Jahresende.

Die Asylbewerber werden nach dem „Königsteiner Schlüssel“ auf die Bundesländer verteilt – ausgerichtet nach deren Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl. Das heißt, Nordrhein-Westfalen muss die meisten aufnehmen, gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg. In den Ländern kommen die Flüchtlinge zuerst in zentralen Einrichtungen unter und werden von dort auf die Kommunen verteilt.

Hamburg würde für Unterbringung zahlen

Scheele stellte die bisherige Verteilungspraxis infrage. „25 000 Flüchtlinge leben in Hamburg – und jede Nacht kommen neue Menschen“, sagte er. Die Lage sei ziemlich angespannt. „In Hamburg wissen wir kaum, wie wir die Flüchtlinge noch unterbringen sollen. In anderen Bundesländern dagegen werden ungenutzte Wohnungen abgerissen oder Schulen geschlossen.“

In manchen Regionen könnten diese nach Einschätzung Scheeles erhalten bleiben, wenn Flüchtlinge untergebracht werden. „Hamburg würde dafür auch zahlen, an der Finanzverteilung unter den Ländern muss sich ja nichts ändern. Auch wenn es natürlich schön wäre, wenn der Bund die Kosten dafür zumindest teilweise übernehmen würde.“

Das Flächenland Thüringen stößt bei der Aufnahme von Flüchtlingen ebenfalls an seine Grenzen, wie Innenminister Jörg Geibert (CDU) der Nachrichtenagentur dpa in Erfurt berichtete. Bis zu 7000 der bundesweit in diesem Jahr 200 000 erwarteten Menschen, die Schutz vor Bürgerkriegen suchten, würden auf den Freistaat verteilt. Derzeit seien rund 6000 Menschen in den Kommunen oder in der Erstaufnahmestelle in Eisenberg untergebracht. „Wir sind an unsere Kapazitätsgrenzen gestoßen“, beklagte Geibert.

In Baden-Württemberg gibt es angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen Debatten über die Einrichtung einer weiteren Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Einer Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zufolge sollen in diesem Jahr 23 000 neue Flüchtlinge in den Südwesten kommen. Die Erstaufnahmestelle des Landes in Karlsruhe musste zuletzt nach einem Masernfall mehr als eine Woche lang geschlossen werden, um eine Epidemie zu vermeiden.