Fast überall in Hamburg wird gebaut, entsteht Neues. Nico Binde, Andreas Dey, Rainer Grünberg, Jan Haarmeyer, Jens Meyer-Wellmann, Oliver Schirg, Axel Tiedemann über sieben Vorhaben, die die Hansestadt noch jahrelang beschäftigen werden
Über Sinn und Notwendigkeit von Großprojekten lässt sich trefflich streiten. Die Gleichung, dass der Streit umso heftiger ausfällt, je größer die umstrittene Summe ist, geht zwar nicht auf – manchmal scheint sogar eher das Gegenteil zuzutreffen. Aber dass die Politik in Hamburg es sich leicht macht mit Großprojekten, kann man ihr auch nicht vorwerfen.
Schon Legende in diesem Zusammenhang ist die Bürgerschaftsdebatte vom 27. Februar 2013. Seinerzeit warf CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) fantasielose Politik ohne Mut zu großen Entscheidungen vor. Scholz geriet darüber so in Rage, dass er Wersich anblaffte: „Bleiben Sie mir mit Ihren Fantasien vom Halse. Wir zahlen noch heute für diese Fantasien, die eine heißt HSH Nordbank, die andere Elbphilharmonie.“
Trotz der berechtigten Hinweise auf die immensen Probleme, die so manches unüberlegt gestartete Großprojekt der Stadt einbrockt hat, lässt sich dennoch feststellen, dass es aktuell so viele Mega-Baustellen gleichzeitig in der Stadt gibt wie selten zuvor. Und einige weitere werden schon bald hinzukommen. Jedes einzelne Projekt ist einerseits mit Ärger und Einschränkungen für die Bürger während der Realisierung verbunden, andererseits werden große Hoffnungen darauf projiziert. Am deutlichsten wird dies vielleicht am Deckel über die A7: Was für die lärmgeplagten Anwohner ein Segen sein soll, ist bis zur Fertigstellung für alle Autofahrer im Hamburger Westen ein Fluch.
Das Abendblatt stellt die sieben größten Projekte auf dieser Doppelseite vor – ihre Geschichte, die Pläne, die Kosten sowie Chancen und Risiken. Die Liste ließe sich natürlich noch erweitern, etwa um die Elbvertiefung oder die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße. Darüber hinaus gilt: Die wenigsten der hier aufgeführten Projekte wurden vom aktuellen SPD-Senat angeschoben, viele stammen aus der Zeit der CDU-Senate davor oder sogar, wie die HafenCity, aus Zeiten von Bürgermeister Henning Voscherau (1988 bis 1997).
Olympia
Das Projekt: Olympische Sommer- und Paralympische Spiele 2024, 2028 oder 2032. Olympia ist das größte Sportereignis der Welt mit bis zu 11.000 Athleten und 16.000 Medienvertretern. Die Mitgliederversammlung des internationalen Olympischen Komitees (IOC) entscheidet jeweils sieben Jahre zuvor über den Ausrichter. Eine Bewerbung muss neun Jahre vorher beim IOC vorliegen.
Der aktuelle Stand: Unter Leitung von Sportsenator Michael Neumann (SPD) entwickeln derzeit fünf Projektgruppen Konzepte. Bis zum 31. August müssen 13 Fragenkomplexe des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) beantwortet, bis Mitte Oktober die von der Bürgerschaft geforderte Machbarkeitsstudie erstellt werden. Ein erster Zwischenbericht liegt vor.
Ziel: Internationale Bewerbung Hamburgs um Olympische Sommer- und Paralympische Spiele für die Jahre 2024 bis 2032.
Kosten: Die Ausgaben für Stadien, Hallen, Olympiapark, direkte Olympia-Infrastruktur, Organisation und Durchführung der Spiele sind momentan schwer zu kalkulieren. Die Handelskammer schätzt sie auf rund sechs Milliarden Euro, in London 2012 beliefen sich die Gesamtkosten auf 14 Milliarden Euro. Die Spiele selbst werfen Gewinn ab. In London 2012 waren es rund 30 Millionen, in Sotschi 2014 etwa 180 Millionen Euro.
Chancen der Realisierung: Im Wettstreit um den nationalen Zuschlag mit Berlin gilt die Hauptstadt wegen ihrer weltweiten Bekanntheit und als renommierter Ausrichter von Sportgroßereignissen als Favorit. Für das Hamburger Konzept mit Spielen am Wasser und in der City gibt es im DOSB jedoch Sympathie. Der begeisterte Empfang der Hamburger für die deutsche Olympiamannschaft im August 2012 hat zudem nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Das DOSB-Präsidium will auf seinen Sitzungen Mitte September und Ende Oktober eine Entscheidung treffen, der noch die Mitgliederversammlung am 6. Dezember in Dresden zustimmen muss.
Chancen des Projekts: Mit einer Olympiakampagne würde Hamburg weltweit stärker wahrgenommen. Das könnte den Tourismus beflügeln wie die Ansiedlung von Betrieben und den Zuzug junger, gut ausgebildeter Menschen aus Deutschland und dem Ausland – was langfristig zu höheren Steuereinnahmen führte. In den nächsten Jahrzehnten notwendige Investitionen in die Infrastruktur würden vorgezogen und zum erheblichen Teil vom Bund finanziert. Auf dem Kleinen Grasbrook entstünde ein Stadtteil mit 6000 Wohnungen, Büros und Gewerbeflächen. Mit Olympia könnte ein neuer Geist und eine neue Aufbruchstimmung in die Stadt einziehen. Hamburg würde für Mut, Selbstbewusstsein und Energie stehen. Es könnte sich eine neue Kultur der Begegnung entwickeln; mehr Gemeinsamkeiten im Innenverhältnis, im Miteinander der Hamburger, mehr Offenheit in der Begegnung mit anderen. Olympia würde für Hamburg das Tor zur Welt ganz weit öffnen.
Risiken: Mehr Schulden, Profit für wenige, Lasten für alle, hohe Folgekosten, fehlende Nachnutzung, höhere Mieten, stärkere Gentrifizierung, Vernachlässigung anderer Projekte, weiteres Auseinanderdriften der Gesellschaft von Arm und Reich.
U5
Das Projekt: Verlängerung der U4 um 1,3 Kilometer bis zu den Elbbrücken und Bau einer neuen U-Bahnlinie 5. Die U4 soll zusätzlich zu den bisherigen Haltestellen Überseequartier und HafenCity-Universität eine Station Elbbrücken bekommen, an der auch ein Umsteigen in die S-Bahn ermöglicht wird. Zudem plant der SPD-Senat den Bau einer vollkommen neuen U-Bahnlinie U5. Diese soll eine Gesamtlänge von 28 bis 32 Kilometern haben und von Bramfeld über Steilshoop und den Hauptbahnhof bis nach Osdorf und Lurup führen. Im Westen gibt es zwei mögliche Varianten für den Verlauf der Strecke: entweder vom Hauptbahnhof auf der Linie des aktuellen Metrobusses 5 bis zum Siemersplatz und von dort bis Lurup/Osdorf mit Anschluss von Stadion und Arena – oder vom Hauptbahnhof über Altona und Bahrenfeld bis nach Osdorf und Lurup. Außerdem ist eine neue Station Oldenfelde auf der Linie U1 geplant und eine weitere Station der U4 in der Horner Geest. Je nach Wahl der Westvariante der U5 ist auch der Bau einer Station Universität auf der U1 angedacht.
Der aktuelle Stand: Mit dem Bau der U4-Verlängerung wurde bereits begonnen. Für den Bau einer neuen Linie 5 gibt es bisher nur vage Pläne. Derzeit arbeitet die Hochbahn an einer sogenannten Konzeptstudie, die im Herbst vorgestellt werden soll. Eine deutlich aufwendigere und aussagefähigere Machbarkeitsstudie soll erst 2015, also nach der kommenden Bürgerschaftswahl, beauftragt werden.
Ziel: Die neue Station „Elbbrücken“ der U4 soll 2018 eingeweiht werden. Mit dem Bau der U5 könnte voraussichtlich frühestens im nächsten Jahrzehnt begonnen werden. Die gesamte Strecke dürfte erst gegen 2030 fertig sein. Für die neuen Stationen Oldenfelde (U1) und Horner Geest (U4) könnte im besten Fall bereits von 2017 an gebuddelt werden.
Kosten: Die Verlängerung der U4 und der Bau einer neuen Station „Elbbrücken“ soll nach derzeitigem Stand 180 Millionen Euro kosten. Der Bau einer komplett neuen U-Bahnlinie 5 wird momentan mit etwa 3,5 Milliarden Euro veranschlagt.
Chancen der Realisierung: Die U4-Station Elbbrücken kommt sicher, falls uns allen nicht morgen der Himmel auf den Kopf fällt. Denn mit den Bauarbeiten wurde ja bereits begonnen. Ganz anders sieht es mit dem Bau der U5 aus. Der SPD-Senat ist mit diesem Vorschlag jetzt vor allem deswegen an die Öffentlichkeit gegangen, weil CDU, Grüne und Handelskammer eigene Konzepte für eine Stadtbahn bzw. für eine unter- und oberirdisch fahrende Metrobahn vorgelegt haben. Bürgermeister Olaf Scholz glaubt, dass der Bau einer Stadtbahn bei den Anwohnern massive Gegenwehr hervorrufen würde – anders als der unterirdische Bau einer U-Bahn im Schildvortrieb. Allerdings hat die SPD den Hamburgern im Wahlkampf schon in den 1970er-Jahren eine neue U-Bahn versprochen und dieses Versprechen nach der Wahl wegen zu hoher Kosten wieder kassiert. Tatsächlich ist der U-Bahn-Bau mit bis zu 110 Millionen Euro Kosten pro Kilometer deutlich teurer als der einer Stadtbahn, die etwa 20 Millionen Euro pro Streckenkilometer kostet. Zudem dauert der Bau länger. Dafür hat die U-Bahn eine deutliche größere Beförderungs-Kapazität. Manche Experten sehen angesichts des starken Wachstums im öffentlichen Personennahverkehr beides als sinnvoll und nötig an: sowohl eine neue U-Bahn als auch eine Stadtbahn.
Chancen des Projekts: Der Bau einer U5 würde endlich die Stadtteile Bramfeld, Steilshoop, Osdorf und Lurup an das Hamburger Schienennetz anbinden – was diesen Stadtteilen von der Politik seit Jahrzehnten versprochen wird. Auch könnte sie zumindest in einer der Varianten die Metrobuslinie 5 entlasten, die derzeit passierstärkste Busstrecke Europas.
Risiken: Die Kosten eines solchen Großprojektes sind sehr hoch und zudem schwer kalkulierbar – und können bekanntlich leicht aus dem Ruder laufen. Auch die Beteiligung des Bundes an der Finanzierung ist nicht gesichert. Ein weiteres Risiko ist die lange Bauzeit, die sich aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse schnell weiter verlängern kann. Hamburg braucht aber schon sehr bald einen schienengebundenen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs.
A7
Das Projekt: Sanierung und Ausbau der Autobahn 7 auf Hamburger Gebiet sowie die Errichtung von drei Lärmschutztunneln im Westen der Hansestadt werden das größte Verkehrsprojekt Norddeutschlands der kommenden zehn Jahre sein. Bestandteil ist die Erneuerung der gut 400 Meter langen Langenfelder Brücke, die über 17 Bahngleise führt, und des fast vier Kilometer langen Abschnitts südlich des Elbtunnels, der auf 660 Stützen über weichen Marschboden führt. Zu dem Projekt gehört die Erneuerung der A7 bis hoch zum Bordesholmer Kreuz.
Der aktuelle Stand: Planung und Vorbereitungsarbeiten laufen seit mehr als fünf Jahren. Für den Tunnel in Schnelsen und die Erneuerung der Langenfelder Brücke wurde Baurecht bereits erteilt. In den kommenden Monaten rechnet die zuständige Baumanagementgesellschaft Deges mit Baurecht auch für den Tunnel in Stellingen. Anfang Mai dieses Jahres wurde mit der Erneuerung der Langenfelder Brücke begonnen. Dort können die Autofahrer die Bauarbeiten bereits sehen. Die Experten gehen davon aus, dass die neue Brücke 2018 fertig sein wird. Für September dieses Jahres ist mit dem Start der Arbeiten für den Tunnel in Schnelsen zu rechnen. Dieser soll 2018 vollständig für den Verkehr freigegeben werden. Mit dem Bau des Tunnels in Stellingen wird 2015 begonnen, mit der Erneuerung der A7 südlich des Elbtunnels 2016. Als letztes kommt der Lärmschutztunnel im Bezirk Altona an die Reihe. Dort werden die Bauarbeiten 2019 starten.
Ziel: Die A7 hat europäische Bedeutung, weil sie die nordeuropäischen Länder mit dem Kontinent verbindet. Zudem wird die Strecke zwischen dem Kreuz Nordwest und der Abfahrt Stellingen täglich im Durchschnitt von 155.000 Fahrzeugen passiert. Sie gilt als das am meisten befahrene Autobahnteilstück Deutschlands. Nicht zuletzt wächst die Bedeutung des Hamburger Hafens infolge der Integration Osteuropas in die weltweite Arbeitsteilung. Das erfordert leistungsfähigere Hafen-Hinterland-Anbindungen. Nach dem Bau der vierten Elbtunnelröhre muss die Autobahntrasse südlich und nördlich entsprechend angepasst werden. Nach mehr als 40 Jahren im Dauerbetrieb und infolge des sprunghaft gestiegenen Lkw-Verkehrs sind ferner viele Brücken in die Jahre gekommen und müssen ersetzt werden. Die Erneuerungsarbeiten werden auch genutzt, die verschärften Lärmschutzbestimmungen, die für Verkehrstrassen gelten, umzusetzen.
Kosten: Es wird auf alle Fälle teuer. Da es sich um die Erneuerung einer Bundesautobahn handelt, übernimmt der Bund die gesetzlich vorgeschriebenen Kosten. Allerdings nutzt Hamburg die Bauarbeiten, um im Sinne des Lärmschutzes und der Zusammenführung westliche Stadtteile über die gesetzlichen Vorgaben hinaus Tunnel zu errichten. So soll die Erneuerung der A7 in Schnelsen insgesamt 222 Millionen Euro Kosten. Da Hamburg statt hoher Lärmschutzwände einen 550 Meter langen Tunnel möchte, muss die Stadt sich mit 69,6 Millionen Euro an den Baukosten beteiligen. Die Kosten für die Erneuerung der Langenfelder Brücke in Höhe von 80 Millionen Euro und die der Hochstraße Elbmarsch südlich des Elbtunnels in Höhe von geschätzt 200 Millionen Euro übernimmt der Bund vollständig. Bei den anderen Projekten liegen noch keine genauen Kostenschätzungen vor, in Stellingen ist aber vor allem der Bund in der Pflicht. Am unklarsten ist die Situation in Altona. Das Gesetz schreibt dem Bund vor, auf einer Länge von 730 Metern einen Tunnel zu errichten. Anwohner, Stadtplaner und fast alle Bürgerschaftsparteien plädieren allerdings für einen Deckel mit einer Länge von etwas mehr als zwei Kilometern zwischen der Behringstraße und dem Volkspark. Die Verlängerung würde nach groben Schätzungen 150 Millionen Euro kosten. Das Geld müsste durch Hamburg aufgebracht werden. Allerdings erhofft die Stadt sich durch den dann möglichen Neubau von Wohnungen in unmittelbarer Nähe der Autobahntrasse Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe, um den längeren Tunnel finanzieren zu können.
Chancen der Realisierung: Die Chancen sind hoch, da ein großer Teil der Arbeiten gesetzlich vorgeschrieben ist und die Projekte allesamt im Bundesverkehrswegeplan Eingang gefunden haben. Unklar ist, ob Hamburg die Kosten für einen Verlängerung des Tunnels in Altona übernimmt.
Chancen des Projekts: Die Lärmschutztunnel bieten die einmalige Chance, die durch die Autobahntrasse geteilten Stadtviertel im Westen Hamburgs teilweise wieder zusammenzuführen. Auf der Oberfläche der Tunnel sind Parks, Ruhezonen und Kleingärten geplant. Diese würden die Wohnqualität in den umliegenden Siedlungen erheblich steigern. Angesichts der hohen Verkehrsdichte führt an der Erweiterung der A7 – bis zum Kreuz Nordwest wird die Zahl der Spuren von sechs auf acht erhöht – zudem kein Weg vorbei.
Risiken: Experten fürchten, dass die jetzt geplante Erweiterung der A7 nicht ausreichen wird. Prognosen gehen davon aus, dass bereits in einigen Jahren im Durchschnitt 165.000 Fahrzeugen am Tag den Bereich passieren werden. Allerdings haben Vorhersagen sich in der Vergangenheit stets als zu gering angesetzt erwiesen. Noch nicht geklärt ist ferner die Situation in Altona. Zwar haben Anfang Juni die Bürgerschaftsfraktionen von SPD, CDU, FDP und Grünen in einem gemeinsamen Beschluss den langen Tunnel gefordert. Zugleich verlangten sie aber eine Beteiligung des Bundes an den Mehrkosten. Angesichts der Unterfinanzierung des Verkehrsetats rechnet jedoch kaum einer damit, dass der Bund mehr Geld gibt. Letztlich wird Hamburg entscheiden müssen, ob ein längerer Tunnel gebaut – und finanziert wird.
Uni-Erweiterungsbau
Das Projekt: Nach der Grundsatzentscheidung, die Universität im Bezirk Eimsbüttel zu stärken statt sie auf den Kleinen Grasbrook zu verlegen, kündigte die damalige Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) im Jahr 2010 umfangreiche Erweiterungs- und Neubauten an. Im Grunde erfolgt nun eine Zentralisierung der über die Stadt verteilten Institute. Zwei Kerngebiete sollen dabei in Rotherbaum entstehen: Zum einen ein völlig neuer naturwissenschaftlicher MIN-Campus an der Bundesstraße, zum anderen, später, der reformierte Von-Melle-Park im Grindelviertel. Im Gegensatz zur konkreten Planung an den Bundesstraße, sind die Pläne für den Von-Melle-Park allerdings noch vage. Insgesamt geht es bei diesem Großprojekt vor allem um Flächengewinn für die Universität, denn laut Entwicklungsplan werden in den kommenden zehn Jahren etwa 100.000 Quadratmeter zusätzlicher Raum benötigt. Auch die Qualität der Räume soll steigen.
Das Ziel: Die Stadt will sich als Metropole des Wissens positionieren, dafür wird aber auch die bauliche Infrastruktur benötigt. Bisher kneift es an allen Ecken, die Kapazitäten der Uni sind mehr als ausgelastet. Die inhaltlich angestrebte Exzellenz wird aus diesem Grund auch äußerlich das Ziel sein. Deshalb werden ausreichend hochwertige Flächen entstehen, um eine optimale Entwicklung von Forschung und Lehre zu gewährleisten. Im aktuellen Strategiepapier des Senats ist dieser Punkt ebenfalls festgehalten.
Der aktuelle Stand: Die Uni-Verwaltung ist bereits in das ehemalige Milchstraßen-Verlagsgebäude am Mittelweg gezogen, um Flächen im Hauptgebäude freizumachen. Die Arbeiten am Campus Bundesstraße haben im Januar begonnen – mit „bauvorbereitenden Maßnahmen“ rund um das Geomatikum, dessen Fassade zeitgleich gesichert wird. Hier sind die Pläne bereits am konkretesten, ein echtes Uni-Viertel soll entstehen. Zum Beispiel mit einem siebengeschossigen Neubau für elf Institute mit Speziallaborflächen, Standardlaborflächen, Seminarräumen, Büros, Open-Space-Arbeitsplätzen und einer Cafeteria mit 22.000 Quadratmeter Fläche. Für das siebengeschossige MIN-Forum und das elfgeschossige Informatikgebäude sind 17.800 Quadratmeter vorgesehen, in denen die Studienberatung, die Standortbibliothek für den Campus Bundesstraße und die Mensa mit einer Kapazität von 3200 Essen pro Tag Platz finden. Nach den Neubauten soll auch das Geomatikum für die Klima- und Erdsystemforschung saniert werden. Ende: etwa 2018, eher 2019. Weitere Gebäude und Plätze erweitern den Campus in Richtung Grindel. Ziel: den Von-Melle-Park und den MIN-Campus räumlich zu verbinden.
Kosten: Insgesamt waren 500 Millionen Euro bis zum Jahr 2030 vorgesehen. Allein der Umbau des Campus an der Bundesstraße soll dabei rund 320 Millionen Euro kosten. Neueste Schätzungen gehen allerdings von höheren Summen aus. Denn der Neubau am Geomatikum – anfangs mit 140 Millionen Euro kalkuliert – wird inzwischen auf 177 Millionen Euro taxiert.
Chancen: Während der Bundesstraßen-Campus sicher realisiert wird, besteht beim Von-Melle-Park noch planerische Unklarheit. Die räumliche Zusammenlegung sich inhaltlich nahestehender Institute ergibt grundsätzlich Sinn. Außerdem soll sich die eher abweisende Anmutung der Uni-Gebäude an der Bundesstraße mit neuen Entwürfen der Stadt öffnen. Es entsteht ein echtes, zusammenhängendes Viertel. Für die Universität tut sich die Möglichkeit auf, künftig nicht nur mit dem hohen Freizeitwert erstklassige Wissenschaftler nach Hamburg zu locken, sondern auch mit tadellosen Bedingungen. Möglicherweise ergibt sich daraus tatsächlich so etwas wie Exzellenz. Für Hamburg besteht zudem die Chance, die alten, über die Stadt verteilten Uni-Areale neu zu nutzen. Bestes Beispiel: In Stellingen, wo bisher die Informatiker untergebracht waren, werden Sportplätze und Wohnungen entstehen.
Risiken: Laut Wissenschaftsbehörde gibt es neben grundsätzlichen Baurisiken wie schlechtem Grund, miesem Wetter und Insolvenzen der beteiligten Firmen einen weiteren Knackpunkt am Campus Bundesstraße: Es wird im dicht bebauten Quartier und bei laufendem Universitätsbetrieb gearbeitet, was Konfliktstoff birgt und die Akzeptanz schwächen kann. Prinzipiell besteht bei der Uni die Gefahr, dass zwar irgendwann die Infrastruktur stimmt, aber das Geld für die Honorierung exzellenter Forschung fehlt. Denn die Steigerung des bis 2020 zugesicherten Budgets ist minimal. Zudem haben Hochschulverband und Senat offenbar unterschiedliche inhaltliche Vorstellungen. Während der Hochschulverband mehr Stellen, Geld und mehr Zeit für Forschung und Lehre fordert, sieht das Strategiepapier des Senats mehr Exzellenz in Forschung und Lehre, mehr Internationalität, mehr Drittmittel aus der Wirtschaft und im Gegenzug mehr Wissenstransfer vor.
HafenCity
Das Projekt: Das ist einmal wahre Größe, jedenfalls in den Ausmaßen: Auf 6,5 Kilometer Länge soll sich der neue Stadtteil am Wasser am Ende ausdehnen, gut einen Kilometer breit wird er an den meisten Stellen sein. 6000 Wohnungen sollen hier einmal gebaut sein, 45.000 Menschen ihren Arbeitsplatz haben. Schon jetzt gilt die HafenCity bei ihren Machern als Vorzeigequartier, das sie bei den Immobilienmessen dieser Welt gern und ausgiebig mit Hochglanzbroschüren präsentieren. Seit vor 14 Jahren vom Senat der Masterplan verabschiedet wurde, haben sich dort tatsächlich etliche namhafte Architekten austoben können. Nicht immer aber zur Freude aller, oft genug treten Kritiker voller Häme auf den Plan: „Architekturzoo“, „Würfelhusten“ ,“Retortenstadtteil“ heißt es dann. Doch es gibt auch viel Zuspruch zu diesem wohl größten europäischen Stadtentwicklungsprojekt, und zumindest am Wochenende ist die HafenCity für Touristen und auch Hamburger längst ein beliebtes Ziel geworden. Wenn es denn eine Abstimmung mit den Füßen gibt, dann dürfte die HafenCity in Hamburg die erhoffte Zustimmung längst gefunden haben.
Aktueller Stand: Vor 13 Jahren gab es in dem ehemaligen Hafenareal den ersten Spatenstich für ein Büro-Gebäude, in den später der deutsche Software-Konzern SAP zog. Mittlerweile haben die HafenCity-Planer der städtischen HafenCity in etwa die Halbzeit bei der Fertigstellung erreicht, die von West nach Ost voranschreitet. Aktuell wühlen sich die Bagger durch das Gelände am alten Baakenhafen rund um das frühere Afrika-Terminal, wo im kommenden Jahr vor allem Wohnungen gebaut werden sollen, auch Sozialwohnungen. Bis 2025 soll die Bebauung an den Elbbrücken abgeschlossen sein, dort sehen erste Entwürfe dann auch drei mehr als 100 Meter hohe Bürotürme vor. SAP ist im Übrigen schon wieder aus seinem HafenCity-Gebäude ausgezogen. Der neue Stadtteil dürfte damit in der Normalität von Stadtentwicklung angekommen sein – noch bevor er wirklich fertig ist.
Kosten und Ziele Als der damalige Bürgermeister Hennig Voscherau Ende der 1990er-Jahre völlig überraschend für die Öffentlichkeit das Projekt HafenCity vorstellte, klang alles noch ganz plausibel: Das alte Hafengebiet gehörte der Stadt, die in den Jahren zuvor private Grundstücke klammheimlich aufgekauft hatte. Mit dem Weiterverkauf der Grundstücke sollte dann vor allem die Hafenerweiterung in Altenwerder finanziert werden. Getreu dem Motto: Alter Hafen finanziert neuen Hafen. Doch die schöne Rechnung, wie so oft in solchen Fällen, ging nicht auf: Denn mit dem Grundstückverkauf muss auch das Geld erwirtschaftet werden, um Straßen, Kaimauern und andere öffentliche Infrastruktur im neuen Stadtteil zu bezahlen. Und: Die Herrichtung der Bauflächen direkt an der Elbe erweisen sich als ziemlich teuer, weil das gesamte Gelände um etliche Meter aufgeschüttet werden muss, um es sturmflutsicher zu machen. Und so diskutierte die Bürgerschaft kürzlich über ein Finanzloch im sogenannten „Sondervermögen Stadt und Hafen“ von gut 300 Millionen Euro, das dort mittlerweile entstanden war. Insgesamt, so schätzen die Planer, wird Hamburg in der HafenCity 2,4 Milliarden Euro selbst investieren. Dagegen stehen rund 8,5 Milliarden Euro an privaten Investitionen – knapp die Hälfte davon ist bereits verbaut oder verplant.
Chancen und Risiken So eine Chance haben nicht viele Großstädte: Wenn sie wachsen, wachsen Metropolen in der Regel am Rand. Wie ein ausgekippter Grießpudding quillt dann die Stadt ins Land – mit all den negativen Folgen wie etwa langen Wegen für Berufspendler. Mit der HafenCity gewinnt Hamburg urbanes Gelände direkt am alten Kern. Um gut 40 Prozent wird sich die Fläche der Innenstadt dadurch am Ende vergrößert haben.
Das neue Innenstadtkonzept sieht daher auch ausdrücklich eine Verschmelzung von alter und neuer City vor. Doch das Konzept der Innenstadt-Erweiterung ist bei Stadtplanern umstritten: Kritiker warnen beispielsweise davor, dass der Bau von großen Einkaufsarealen in der HafenCity andere Einkaufsort in der Stadt gefährden könnte – oder so nicht funktionieren kann. Und tatsächlich ließ sich auf dem Büromarkt zunächst beobachten, dass die HafenCity kaum neue Unternehmen anzog, sondern lediglich Hamburger Unternehmen den Standort wechseln und woanders Leerstand produzierten. Aber es sind nicht unbedingt neue Büros und Luxuskaufhäuser, die Hamburg nahe der Innenstadt braucht, sondern neue Wohnungen. Der Senat hat das inzwischen erkannt und legt im zweiten, östlichen Abschnitt jetzt einen Schwerpunkt auf den Wohnungsbau.
Elbphilharmonie
Das Projekt: Am 2. April 2007 begann der Bau des neuen Wahrzeichens an der Elbe. Die Elbphilharmonie auf dem historischen Kaispeicher beinhaltet ein Fünf-Sterne-Hotel, 45 Wohnungen, ein Parkhaus und drei Konzertsäle. Herzstück ist der Große Saal mit 2150 Plätzen, die Bühne befindet sich in der Mitte des Raumes. Ein Reflektor mit 15 Meter Durchmesser an der Decke sowie die sogenannte Weiße Haut sorgen für optimale Akustik. Zwei ineinander liegende, nur durch Federung verbundene Betonschalen garantieren absolute Schallisolierung von außen. Über eine 82 Meter lange, gebogene Rolltreppe gelangen die Besucher auf die öffentliche Plaza, eine nach allen Seiten offene Aussichtsplattform in 37 Meter Höhe. Die geschwungene Glasfassade besteht aus 1100 Fassadenelementen, die teilweise gebogen sind. An ihrem höchsten Punkt ist das Jahrhundertbauwerk 110 Meter hoch.
Der aktuelle Stand: Die Weiße Haut, die gewaltige Glasfassade, die gebogene Rolltreppe, der in luftiger Höhe „aufgehängte“ Konzertsaal – vieles in der Elbphilharmonie ist weltweit noch nie gebaut worden. Weil außerdem die Architekten dem Baukonzern Hochtief lange nicht vertraglich unterstellt waren, kam es immer wieder zu gegenseitigen Schuldvorwürfen, Verzögerungen und Stillstand, was die Kosten explodieren ließ. Seit der vertraglichen Neuordnung des Projekts, dem 200 Millionen Euro teuren Nachtrag 5 im März 2013, gehen die Arbeiten zügig voran. „Der Bau befindet sich voll im Plan“, sagt Enno Isermann aus der Kulturbehörde.
Die Kosten: Nachdem die Kosten für den Bau der Elbphilharmonie in einer ersten Machbarkeitsstudie im Jahr 2005 auf 186 Millionen Euro (davon 77 Millionen für die Stadt) geschätzt worden sind, belaufen sie sich nun auf 865,65 Millionen Euro, wovon der Steuerzahler 789,05 Millionen aufbringen muss. Die gesamte Summe ist im Haushalt etatisiert und etwa 600 Millionen Euro sind bereits bezahlt. Der Baukonzern Hochtief erhält 575 Millionen, das Honorar der Architekten beträgt 94 Millionen Euro.
Das Ziel: Die Elbphilharmonie soll einer der zehn besten Konzertsäle der Welt werden. Sie soll Touristen aus aller Welt an die Elbe locken, Hamburg auf der nationalen und internationalen musikalischen Landkarte etablieren und der HafenCity einen kulturellen Impuls geben. Die Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron wollen an dieser „herausragenden Schnittstelle zwischen Hafen und Innenstadt“ einen „Ort für alle Hamburger schaffen – nicht nur für Konzertgänger“. Durch die insgesamt drei Konzertsäle soll sichergestellt werden, dass in der Elbphilharmonie auch Platz ist für kulturelle Veranstaltungen, die sich jeder Hamburger leisten kann.
Die Fertigstellung: Die Fertigstellung der Elbphilharmonie ist vertraglich für den 31. Oktober 2016 zugesichert, die Eröffnung soll ein halbes Jahr später, im Frühjahr 2017, erfolgen.
Die Risiken: Ob die Elbphilharmonie wirklich einmal zu den zehn besten Konzertsälen der Welt gehören wird, lässt sich heute nicht sagen. Das kann auch Yasuhisa Toyota, einer der weltbesten Akustiker und zuständig für den Klang an der Elbe, nicht garantieren. Ein Risiko ist zudem die Höhe der laufenden Betriebskosten. Und außerdem trägt die Stadt, anders als ursprünglich geplant, das Investorenrisiko für den Bau des Luxushotels. Es soll nach 20 Jahren verkauft werden, mit den Pachteinnahmen sollen die Zinsen für einen 130-Millionen-Euro-Kredit bedient werden, mit dem Verkaufserlös soll der Kredit bezahlt werden.
Neue Mitte Altona
Das ProjektWährend in der HafenCity versucht wird, aus dem Nichts einen neuen Stadtteil mit Büros, Geschäften, Kinos, Wohnungen und sogar einer Kirche zu schaffen, dient die Neue Mitte vor allem einem Ziel: dem Wohnungsbau. Das inzwischen in zwei Abschnitte gegliederte Areal ist mit rund 30 Hektar etwa doppelt so groß wie die Binnenlaster. Dort, wo heute noch alte Bahnschuppen stehen und Gleise liegen, sollen in den nächsten Jahren rund 3500 Wohnungen gebaut werden. Der Masterplan dazu sieht eine sogenannte Blockbebauung mit bis zu siebengeschossigen Gebäuden vor, die sich an der örtlichen Architektur von Ottensen und Altona-Altstadt orientieren sollen.
Aktueller Stand Wer mit der S-Bahn an dem Plangebiet vorbeirollt, erkennt bereits reichlich aufgewühlten Sand und Gerippe von alten Güterbahnhallen. Für den ersten Bauabschnitt mit rund 1600 Wohnungen hatte sich die Stadt mit den drei Grundeigentümern vor kurzem vertraglich auf die Art der Bebauung und eine Beteiligung an den Erschließungskosten geeinigt. Zehn Blöcke mit jeweils 160 Wohnungen sollen es werden. Zurzeit wird dort im Boden lediglich nach Altlasten gebuddelt, die konkreten Architekten-Wettbewerbe stehen noch aus. Etwa 2017, so der Plan, könnten die Gebäude bezogen werden. Ob der zweite Abschnitt überhaupt angegangen werden kann, stand indes lange auf der Kippe. Erst in dieser Woche verkündeten Bahn und Senat die Verlegung des Altonaer Fernbahnhofs und damit auch der Gleisanlagen nach Diebsteich. Bis 2023 soll die Verlegung erfolgt sein, dann erst kann mit dem Bau von Wohnungen auch hier gestartet werden.
Kosten und Ziele Das Ziel ist klar, die Kosten eher nicht: Die Neue Mitte ist vor allem Teil des ehrgeizigen Wohnungsbauprogramm des Scholz-Senats. Kosten lassen sich nur grob schätzen: Für den ersten Abschnitt sollen die Investoren 47,80 Millionen Euro für die Erschließung, also den Bau von Straßen, Wegen oder auch Kitas zahlen. Die Stadt kalkuliert für sich selbst noch einmal 16,4 Millionen Euro ein. Für den zweiten Abschnitt dürften Planer mit ähnlich hohen Kosten rechnen. Hinzu kommt die Investition in Grunderwerb und Wohnungsbau. Nimmt man aktuelle Kalkulationen der Wohnungsgenossenschaften als Grundlage, ergibt sich bei den durchschnittlichen Kosten pro Wohnung von grob geschätzt 290.000 Euro eine Gesamtsumme von rund einer Milliarde Euro. Zieht man die grob geschätzte Summe für die Erschließung hinzu, kommt man auf einen Betrag von rund 1,1 Milliarden Euro.
Chancen und Risiken Wenn man sich ein Luftbild von den Bahnanlagen in Altona anschaut, wird schlagartig klar, wo dort die großen Chancen liegen. Zwischen zwei der heute beliebtesten Innenstadtquartiere der Stadt liegt die riesige Bahnfläche, rumpeln Züge über marode Brücken und Gleisanlagen. Wo, wenn nicht hier, lohnt es sich zukunftsfähigen Wohnungsbau zu betreiben. Nahversorgung, öffentlicher Nahverkehr, Schulen, Kitas – alles liegt hier dicht beieinander. Auf ein Auto lässt sich gut verzichten, kurze Wege sind garantiert. Ein Idealbild der Urbanität. Doch wie immer gibt es Schattenseiten. Im Boden schlummern Altlasten der Bahn wie Ruß und Öl. Die Bodensanierung birgt für die Stadt ein finanzielles Risiko. Viel größer aber ist die Gefahr, wenn die Stimmung kippt und sich vor Ort eine breite Front gegen die Fernbahnhofsverlagerung bildet. Und der Bau des zweiten Abschnitts dadurch verzögert, wenn nicht verhindert wird.