Hamburger Sozialdemokraten zeigen sich beeindruckt von Protesten in Winterhude. Ein U-Bahn-Bau sei zwar deutlich teurer, dafür aber unproblematischer als eine neue Stadtbahn.
Boltenhagen. Falls es noch Zweifel an dem Kurs der SPD oder Hoffnungen in Sachen Stadtbahn gegeben haben sollte, so dürften diese seit dem vergangenen Wochenende endgültig ausgeräumt sein. Die Hamburger Sozialdemokraten lehnen eine Straßenbahn ab und wollen stattdessen das U-Bahn-Netz ausbauen. Die Entscheidung darüber soll aber erst frühestens nach der Bürgerschaftswahl 2015 fallen. Darauf haben sich der Landesvorstand und die Fraktion auf der gemeinsamen Klausurtagung, die traditionell im Ostseebad Boltenhagen abgehalten wird, geeinigt.
„Eine Stadtbahn mitten durch den verdichteten Straßenraum unserer Stadt zu bauen, ist angesichts zu erwartender Proteste und Klagen von Anliegern kaum durchsetzbar“, sagte Andreas Dressel, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Als Beispiel nannte er den Widerstand in Winterhude bei der Planung der Stadtbahn durch den schwarz-grünen Vorgängersenat.
Beeindruckt zeigte sich Dressel auch von den aktuellen Protesten in Winterhude gegen die Busbeschleunigung, „die viel weniger Eingriffe in den Straßenraum bedeuten als der komplette Neubau eines dritten oberirdisch geführten Schienensystems mitten durch die Quartiere“, sagte Dressel. Es sei zu befürchten, dass ein Stadtbahn-Projekt ein Vielfaches des derzeitigen Protestpotenzials in verdichteten Stadtteilen befördern würde: „Das wäre eine Busbeschleunigung hoch zehn.“
Damit positioniert sich die SPD erneut gegen die Hamburger CDU. Diese hatte auf ihrer Klausur von knapp zwei Monaten ein klares Plädoyer für die Stadtbahn abgegeben. Diese koste nur ein Viertel bis ein Zehntel einer U-Bahn, und deshalb könne bis zu zehnmal so viel Strecke gebaut werden, lautete damals eines der Argumente. Die CDU-Fraktion war Ende März mit ihrem Antrag, die Hochbahn mit der Planung der Stadtbahn zu beauftragen, gegen die Stimmen von SPD und FDP gescheitert. Grünen und Linksfraktion hatten für den CDU-Antrag gestimmt.
U-Bahn teurer, aber unproblematischer
Dagegen fand der von der Bürgerschaft beschlossene SPD-Antrag erneut Zustimmung, wonach der Ausbau der U-Bahn vorangetrieben werden solle. Dieser sei zwar „zweifellos teurer“, gibt Dressel zu. Doch der unterirdische Bau bedeute weniger Beeinträchtigungen als ein oberirdischer. Außerdem sei die U-Bahn in Kapazität und Schnelligkeit der Stadtbahn überlegen. Dies sei angesichts der steigenden Fahrgastzahlen ebenfalls ein Pluspunkt. „Eine U-Bahn wäre auch noch in 50 oder 100 Jahren das schnellste und leistungsstärkste innerstädtische Verkehrsmittel“, sagte Dressel. „So weitsichtig haben auch schon unsere Stadtväter zu Beginn des 20. Jahrhunderts gedacht.“
Nun sollen die Überlegungen dazu konkretisiert werden. „Finale Entscheidungen kann es aber erst in der kommenden Wahlperiode geben“, betonte der Fraktionschef. Der Bau einer neuen U-Bahn-Linie könne in diesem Jahrzehnt nicht mehr begonnen werden. „Das kann nur langfristig angegangen werden.“ Laut Dressel nicht vor Mitte der 2020er-Jahre – und ebenfalls nicht ohne Unterstützung durch den Bund. „Trotz verkehrspolitischer Differenzen sollten wir uns deshalb parteiübergreifend beim Bund dafür einsetzen, die Infrastrukturmittel des Bundes für Hamburg auf einem Niveau von mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr in dieser und der nächsten Dekade zu sichern.“
Haushaltsnachtrag wegen Flüchtlingen
Die SPD beschäftigte sich zudem mit dem Wohnungsbau. Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD), die auf der Klausurtagung zu Gast war, sagte, dass es nach dem Hamburger Vorbild bundesweit ein Bündnis für das Wohnen geben solle. Die Hamburger SPD hatte die Zusammenarbeit mit Unternehmen der Wohnungswirtschaft nach der Regierungsübernahme begonnen.
Die Sozialdemokraten sprachen auch über die Herausforderungen durch die steigenden Flüchtlingszahlen. Allein in diesem Jahr nehme der Bedarf an Plätzen für die Erstaufnahme – also in den ersten drei Monaten – sowie der anschließenden Folgeunterbringung um jeweils 2000 zu. Innensenator Michael Neumann (SPD) und Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) sagten, dass für die Finanzierung der zusätzlichen Kapazitäten ein Haushaltsnachtrag erforderlich sei. Wie hoch dieser ist, steht aber noch nicht fest. Und die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Inka Damerau setzte knapp sieben Wochen vor der Bezirksversammlungswahl am 25. Mai das Ziel der Partei: Alle sieben SPD-Bezirksamtsleiter sollen im Amt bleiben.
Zu Beginn des anderthalb Tage dauernden Treffens hatte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) die Hamburger Parteifreunde in seinem Bundesland begrüßt. Von der Wirtschaftskraft Hamburgs erwarte auch Mecklenburg-Vorpommern Impulse für seine eigene Entwicklung, sagte Sellering. Hamburg sei das Wirtschaftszentrum im Norden. Allein schon deshalb habe das Land „großes Interesse an einer engen Zusammenarbeit“ und sei auch Mitglied der Metropolregion geworden.