Nachdem Dohnanyi (SPD), Peiner (CDU) und Maier (Grüne) mehr Engagement für den Wissenschaftsstandort Hamburg gefordert hatten, lehnte die SPD ein Diskussion darüber zunächst ab. Am Freitag besann sie sich anders.

Manchem Spaziergänger an der Alster sind in den vergangenen Jahren möglicherweise zwei Herren aufgefallen, die trotz fortgeschrittenen Alters sportlich ihre Runde drehten und ihm irgendwie bekannt vorkamen. Der Betrachter irrte nicht. Sowohl Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD, wird am Montag 86) als auch Ex-Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU, 70) halten sich auf diese Weise fit und begegnen sich dort gelegentlich.

Das Treffen von zwei der profiliertesten Politikern dieser Stadt sollte für Hamburg nicht ohne Folge bleiben – in dieser Woche hatte es allerdings gänzlich andere Konsequenzen, als die beiden es sich ausgemalt hatten.

In Kürze geht die Geschichte so: Dohnanyi und Peiner kommen an der Alster ins Gespräch, holen später noch den Vordenker der Grünen, Ex-Stadtentwicklungssenator Willfried Maier, hinzu und stellen Anfang April gemeinsam das vierseitige Papier „In Sorge um Hamburg vor“. In dem vertreten sie die These, dass die Stadt ihre Bedeutung nur erhalten kann, wenn sie sich zu einer „Wissenschaftsmetropole“ entwickelt. Die Zustimmung aus vielen Teilen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist groß. Doch als die CDU am Mittwoch in der Bürgerschaft beantragt, die drei Herren in den Wissenschaftsausschuss einzuladen, um über ihre Thesen zu sprechen, lehnt die allein regierende SPD das ab. Das Erstaunen ist groß, und die Opposition von CDU, Grünen und FDP schäumt . „Die SPD brüskiert ihren eigenen Altbürgermeister“, wettert CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich.

Diese Kurzversion hat durchaus Zutaten eines politischen Eklats. Tatsächlich hat sich hinter den Kulissen jedoch einiges mehr abgespielt, was das Verhalten einiger Akteure in ein etwas anderes Licht setzt. So hatten Dohnanyi, Peiner und Maier ihr Papier noch vor Veröffentlichung Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vorgestellt. Der zeigte sich bei dem Gespräch im Rathaus durchaus aufgeschlossen. Einige Anregungen von ihm sollen Niederschlag in dem Text gefunden haben, der daraufhin etwas weniger provokant ausfiel.

Die Reaktion von Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) fiel dagegen verhaltener aus. Zwar lud die Zweite Bürgermeisterin das Trio nach der Präsentation der Thesen auch zum Gespräch ins Rathaus, ließ aber trotz freundlicher Atmosphäre nicht durchblicken, ob sie sich den Inhalt des Papiers zu eigen macht. Dass das eher nicht der Fall ist, da sind sich die meisten Beobachter einig.

Im Gegensatz zum Bürgermeister, der mitunter eine gewisse Affinität zu technischen Themen und Lösungen aufblitzen lässt, gern über „ingenieurgetriebenen Umweltschutz“ spricht und politisch vor allem auf die wenigen Leuchttürme der Hamburger Wissenschaft wie das Bahrenfelder Desy setzt, ist Stapelfeldt durch und durch Geisteswissenschaftlerin. Als Studentin in Hamburg selbst Vorsitzende des damals noch sehr linken AStA, gilt sie als Anhängerin der traditionellen Gremienuniversität. Themen wie Mitbestimmung, Frauenquote und die – inzwischen erfolgte – Abschaffung der Studiengebühren sind ihr Herzensangelegenheiten. Auch die Sanierung des baufälligen Campus treibt sie durchaus voran. Begriffe wie „Spin-off aus den Universitäten“, „venture capital“ und „Exzellenz“, die den Dohnanyi/Peiner/Maier-Text prägen, stehen bei ihr dagegen nicht ganz oben auf der Agenda.

Hinzu kommt: Die dem Papier zugrunde liegende Analyse, dass der Wissenschaftsstandort Hamburg von wenigen Ausnahmen abgesehen qualitativ in der zweiten Liga spielt, dürfte Stapelfeldt, auch wenn sie im Text gar nicht genannt wird, als Kritik an ihrer Person und Politik aufgefasst haben. Dass Peiner als ehemaliger Spiritus Rector der CDU-Senate manchem Genossen ein rotes Tuch ist und Dohnanyi gern mal gegen den SPD-Strich bürstet und zum Beispiel die Abschaffung der Studiengebühren stets kritisiert hatte, machte die Sache nicht einfacher.

Kurzum: Offiziell begrüßte Stapelfeldts Behörde „diesen parteiübergreifenden Impuls“, inoffiziell löste er keinen Jubel aus – zumal der Senat an einem eigenen Strategiepapier für die Hochschulen arbeitet. Sichtbar wurde das jedoch erst durch den CDU-Antrag, die drei Autoren in den Ausschuss zu laden – ein geschickter Schachzug. Dass die CDU gar nicht erst den Versuch unternahm, einen parteiübergreifenden Antrag zu basteln, deutete darauf hin, dass ihre Motive auch nicht frei von Wahlkampfüberlegungen waren.

Allerdings machte es ihr die SPD auch sehr leicht. „Betriebsunfall“, nennt einer aus dem Regierungslager das, was am Mittwoch im Parlament geschah. Denn mit dem wissenschaftspolitischen Sprecher Philipp-Sebastian Kühn sollte ausgerechnet einer der SPD-Abgeordneten die Ablehnung vortragen, die durchaus gern über das Dohnanyi-Papier diskutiert hätten. Entsprechend schwer tat er sich. Und dem Vernehmen nach soll Stapelfeldt, die die Debatte auf der Senatsbank verfolgte, einen Redebeitrag vorbereitet haben, in dem sie darauf verweisen wollte, dass sie zunächst ihr eigenes Strategiepapier vorlegen wolle und man dann natürlich über alles reden könne – doch diese Rede hielt sie nicht. Vielleicht lag es daran, dass die Aufmerksamkeit der Abgeordneten nach einer äußerst turbulenten Aktuellen Stunde zu dem Zeitpunkt reichlich mau war. So blieb jedoch der verheerende Eindruck, dass die SPD das Thema einfach nur abräumen wollte. Eine Steilvorlage für die Opposition, die vor allem die CDU genüsslich verwandelte. „Peinlich“ sei das, schimpfte Wersich und forderte den Bürgermeister zum Eingreifen auf.

Im Normalfall sind derartige Forderungen der Opposition der sicherste Weg, eine Regierung vom Handeln abzuhalten. Kein Politiker lässt sich gern öffentlich als Getriebener vorführen. In dem Fall war den Sozialdemokraten die schnelle Schadensbegrenzung jedoch wichtiger. Und so schickte die Fraktionsführung Kühn am Freitag vor, genau das zu verkünden, was am Mittwoch kein Sozialdemokrat über die Lippen gebracht hatte. Im Herbst werde die „Perspektiv-Drucksache“ des Senats vorliegen, und dann könne man das Thema „ausführlich“ beraten. Auch eine Expertenanhörung sei dann geplant, „zu der wir auch Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi sowie die beiden ehemaligen Senatoren Willfried Maier und Wolfgang Peiner einladen möchten. Ihre Hinweise sind uns wichtig.“

Das nennt man eine Rolle rückwärts. Wenn sich die Herren das nächste Mal an der Alster treffen, haben sie sich etwas zu erzählen.