Die Rechnung war eine böse Überraschung für den 21-jährigen Gast. Doch aus Angst vor Ärger zahlte er – und ging dann zur Polizei. Die Kellnerin pocht darauf, der Gast hätte auch seinen Spaß gehabt.

Neustadt. Eine knappe halbe Stunde hat er sich gut amüsiert. Klönen und lachen in Gesellschaft zweier Damen und dabei gemütlich seine Cola trinken, diesen Spaß wollte er sich gern leisten. Und die 5 Euro für sein Getränk erschienen ihm auch nicht allzu teuer. Aber mit der Rechnung kam der Schock. 650 Euro – sollte das ein Witz sein? Dass sie es mit dem stolzen Betrag allerdings sehr ernst meinte, daran ließ die Kellnerin in der Tabledance-Bar auf der Reeperbahn offenbar keinen Zweifel. Sie könne die Polizei holen oder „das auch ganz anders regeln“, soll sie ihrem irritierten Gast gedroht haben. „Da bekam ich Angst“, erzählt der junge Mann. Vor „Schlägertypen, die vielleicht mit Baseballknüppeln irgendwo lauern und zuhauen“, habe er sich gefürchtet. Also zahlte er, zögernd und widerwillig. Und ging dann zur Polizei.

Jetzt im Gerichtssaal treffen sie sich wieder, der damals so arglose 21-Jährige aus Niedersachsen, der zum ersten Mal in seinem Leben über die Sündige Meile bummelte, und die scheinbar so ausgebuffte Kellnerin. Räuberische Erpressung lautet der Vorwurf, der Ute L. (alle Namen geändert) auf die Anklagebank gebracht hat und gegen den sich die 50-jährige Hamburgerin mit Verve verteidigt. „Von irgendeiner Bedrohung war nie die Rede“, verkündigt die Blondine. Die üppige Rechnung war demnach für fünf Flaschen Mischgetränke, die zwei Damen mit Erlaubnis des Gastes getrunken hätten.

130 Euro für eine kleine Flasche, wundert sich der Richter. „So viel Geld in so kurzer Zeit?“ „Die haben viel Spaß gehabt, sich nett unterhalten.“ Auch ein „bisschen tanzen gucken“ gehöre zum Service und Preis, ergänzt die Angeklagte. „Und man hat eine Dame im Arm.“ Die Tänzerinnen hätten mehrfach angekündigt, sie dürften etwas bestellen. „Ich schaute den Gast an, er nickte, dann habe ich die Getränke gebracht“, schildert sie eine angeblich aufs Angenehmste entspannte Situation.

„Sie haben so ein Vertrauensverhältnis?“

Was denn unternommen werde, wenn der Gast gar nichts zahlt, möchte der Vorsitzende Richter weiter wissen. „Dann bitten wir ihn, wiederzukommen und dann zu zahlen.“ Das funktioniere in der Regel auch. „Sie haben so ein Vertrauensverhältnis?“, wundert sich der Richter. „Dass es so viele Gutmenschen gibt, kann ich mir kaum vorstellen.“ Und auch die Staatsanwältin hat arge Zweifel, dass alles mit rechten Dingen zugegangen sei. 130 Euro für 0,37 Liter – das müsse ja wohl ein „Weltklassegetränk“ sein, spottet die Anklägerin. Aus anderen Verfahren wisse sie, dass besagtes Gemisch im Einkauf 1,59 Euro kostet. Wirklich viel getrunken haben die Damen offenbar sowieso nicht. „Sie nahmen nur einen Schluck, dann klatschten sie in die Hände, und es kam Nachschub“, erzählt der offenbar geneppte Gast Viktor M. im Prozess als Zeuge. Er sei an jenem Maitag vergangenen Jahres auf der Reeperbahn spazieren gegangen. „Ein Portier sprach mich an und meinte, ein Getränk koste nur 5 Euro, mehr müsse ich nicht zahlen. Ich wollte mir einmal angucken, was da so los ist.“ Also bestellte er eine Cola und beglich sofort die Rechnung. Zwei Damen hätten sich zu ihm gesellt und gefragt, ob sie etwas bestellen dürfen. „Mich hat das nicht interessiert. Das war ja nicht mein Geld. Dachte ich jedenfalls“, sagt Viktor M.

Von der Kellnerin sei erheblicher Druck ausgeübt worden, damit er schließlich bezahlt. Weil er nicht genug Geld bei sich hatte, habe er in 100-Euro-Tranchen zahlen müssen, wurde immer wieder innerhalb mehrerer quälender Minuten zur Eingabe seiner PIN-Nummer in ein Kartenlesegerät gedrängt.

Bei dieser Aussage hilft es auch nichts, dass beide Tänzerinnen aussagen, der Gast habe ausdrücklich ihre Bestellungen gebilligt. Das Gericht hält die Schilderung des jungen Zeugen für glaubhaft und verurteilt die Angeklagte zu sieben Monate Haft auf Bewährung.