Als eine Mieterin im Streit um eine Nebenkostenabrechnung Klage einreichte, soll der Angeklagte gedroht haben, vier Männer bei ihr vorbeizuschicken. Wegen versuchter Nötigung wird er zu 38.000 Euro Strafe verurteilt.
Neustadt. In dem Mann brodelt es. Wie sprungbereit sitzt er da, in angespannter Haltung, mit grimmigem Gesicht und unruhigen Fingern, mit denen er leise, aber beharrlich auf den Tisch vor ihm trommelt. Offenbar nur mühsam kann Roman O. sein Temperament zähmen; zu aufwühlend ist für den 65-Jährigen dieser Prozess vor dem Amtsgericht. Er, der erfolgreiche Architekt und Besitzer mehrerer Immobilien, als Angeklagter vor Gericht, weil er Streit mit einem seiner zahlreichen Mieter hatte – Roman O. scheint diese ungewohnte Rolle als unter seiner Würde und als Zumutung zu empfinden.
Doch es ist alles andere als eine Lappalie, was dem grauhaarigen Mann von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird. Im Rahmen einer Auseinandersetzung über eine Nebenkostenabrechnung, wegen der die Mieterin eine Klage beim Zivilgericht eingereicht hatte, soll er der 29-Jährigen am Telefon gedroht haben: „Wenn Sie die Klage nicht zurückziehen, schicke ich Ihnen vier Männer vorbei. Ich weiß, wo Sie wohnen.“ Von einer versuchten Nötigung könne indes keine Rede sein, versichert Roman O., der sich in diesem Prozess gegen einen Strafbefehl über 900 Euro wehrt. „Ich habe ihr nicht gedroht.“
Rückendeckung bekommt der Architekt von seiner Frau. „Er sagte bloß: ‚Nehmen Sie das zurück, ich bin stinksauer.‘ Dann hat er aufgelegt.“ Sie habe das Telefonat genau verfolgt. „Mein Mann ist ein emotionaler Typ.“ Es geschehe „fast jeden Tag, dass er laut wird. Auf Baustellen bin ich deshalb dabei. Und wenn ich sehe, dass er telefoniert, renne ich hin. Ich habe mir angewöhnt, deeskalierend zu wirken“, erzählt die 56-Jährige und schüttelt ihre blonde Mähne. Sie empfinde das nicht als „aufpassen“, sondern „als Doppelspitze“.
Besagten Anruf erinnere sie unter anderem deshalb, weil „ich mich geärgert habe, dass ich nicht beruhigend auf ihn einwirken konnte“. Auch sei das Telefonat deshalb so in ihrem Gedächtnis haften geblieben, weil an jenem Tag eine Familienfeier habe stattfinden sollen. Doch als überlegt wird, andere Familienmitglieder ebenfalls als Zeugen zu laden, rudert die Zeugin zurück und schrammt damit ganz knapp an einem Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage vorbei. Sie wisse nichts von einem entsprechenden Telefonat, gibt sie nun kleinlaut an. Und auch ihr Mann schwenkt daraufhin um und räumt zögernd und zähneknirschend die Vorwürfe ein.
Nunmehr rückt in den Mittelpunkt der Verdienst des Angeklagten, an dem sich die Höhe eines Tagessatzes bei einer Geldstrafe orientiert. Tausend Euro betrage sein Nettoeinkommen in etwa monatlich, hatte Roman O. zunächst angegeben. Doch diesen geringen Betrag wollte der Amtsrichter dem Mann angesichts dessen großzügigen Immobilienbesitzes, einem eigenen edlen Wohnhaus in bester Lage und eines offenbar beeindruckenden Fuhrparks nicht abnehmen. Das Landeskriminalamt nahm die Ermittlungen zum Vermögen von Roman O. auf. Allein die Übersicht aller Konten umfasse 60 Seiten, berichtet der Richter. Unter Umständen müsse man noch wochenlang weiterforschen, um den gesamten Besitz bewerten zu können. Es sei sogar denkbar, von diversen Banken etliche Mitarbeiter als Zeugen zu laden, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Doch diese aufwendige Prozedur möchte Roman O. verhindern und den Prozess abkürzen. 1000 Euro netto erziele er tatsächlich – allerdings pro Tag, gibt der Hamburger schließlich mit mühsam gezähmtem Groll an. Daraus errechnet sich, nach Abzug bestimmter Kosten, nach Überzeugung des Amtsrichters eine Tagessatzhöhe von 950 Euro. 40 Tagessätze seien angemessen, damit ergibt sich eine Geldstrafe von insgesamt 38.000 Euro für Roman O. wegen versuchter Nötigung. Er habe es „selten erlebt“, so der Amtsrichter in der Urteilsbegründung, dass jemand einen ihm nahestehenden Menschen wie die Ehefrau „so in eine Falschaussage reinlaufen lässt, und das ganz bewusst“. Und einer Mieterin so massiv zu drohen, verdeutlicht der Richter, „das ist ziemlich ungeheuerlich“.