Rehkitz im Garten, Marienkäfer im Bett: Wohin falsch verstandene Tierliebe führen kann. Nabu und Deutsche Wildtierstiftung verstärken Aufklärung.
Duvenstedt. Manchmal zeigen Hamburger allzu viel Herz für wilde Tiere: Da werden Jungvögel mit nach Hause genommen, Marienkäfer im Bett vor kalten Nächten geschützt und Frösche im Kühlschrank überwintert. Was eigentlich Tierliebe sein soll, geht aber an den wirklichen Bedürfnissen der Wildtiere völlig vorbei. Ursache ist nach Ansicht der Deutschen Wildtierstiftung und des Naturschutzbundes Nabu vor allem das fehlende Wissen der vermeintlichen Tierfreunde. „Die Entfremdung des modernen Menschen von Tier und Natur wächst“, sagt Eva Goris, Sprecherin der Deutschen Wildtierstiftung. Und Nabu-Sprecherin Ilka Bodmann beobachtet, dass die Artenkenntnis immer geringer geworden sei.
Im Frühjahr sind Jungvögel die bevorzugten Objekte falsch verstandener Tierliebe. Sie werden außerhalb ihrer Nester aufgefunden und machen mit kläglich piepsenden Lauten auf sich aufmerksam. Mit der Folge, dass besorgte Bürger die jungen Amseln und Kohlmeisen in ihre Obhut nehmen. „Wer Jungvögel mit nach Hause nimmt, muss sich freilich auf einen Fulltime-Job einstellen und braucht einen Vorrat an Insekten, um das Findelkind alle 30 Minuten zu füttern“, sagt Eva Goris.
Solche Hilfeleistung ist nach Expertenansicht völlig überflüssig. Jungamseln zum Beispiel verlassen das Nest, bevor sie richtig fliegen können und suchen vereinzelt Unterschlupf im Garten. „So verringern sie das Risiko, dass eine Katze oder ein anderer Beutegreifer die gesamte Brut auf einmal erwischt“, sagt Nabu-Sprecherin Bodmann. Und mit den Piepslauten seien sie im ständigen Kontakt zu ihren Eltern.
Falsch ist es offenbar auch, Rehkitze und Junghasen in den eigenen vier Wänden groß zu ziehen. Niemals dürfte man ein solches Tier anfassen. Denn der menschliche Geruch schrecke das Muttertier ab, betonten die Tierschützer. Ein Rehkitz im Garten oder einen kleinen Mümmelmann im Wohnzimmer aufzupäppeln, verstößt nicht nur gegen das Jagdrecht, sondern stellt unerfahrene und sogar erfahrene Pfleger vor große Probleme. Deshalb fordert der Nabu. „Hände weg von den jungen Wilden!“ Gerade der so genannte Abwesenheitstrick schützt den Nachwuchs vor Fressfeinden wie Füchse und Greifvögel. Junghasen und Rehkitze haben einen angeborenen Drückreflex, der sie im Gras unsichtbar macht, sagt Eva Goris.
Derzeit rufen Tierfreunde beim Nabu an und fordern, endlich etwas gegen Elstern und Rabenvögel zu unternehmen. Denn sie gelten bei einigen Zeitgenossen als Singvogelkiller. Den Anrufen raten die Ornithologen, nichts gegen diese Vögel zu unternehmen. Sie seien geschützt, und die Verluste, die Singvögel durch Elstern erleiden, würden von der Natur wieder ausgeglichen.
Damit das Wissen über Wildtiere wieder wächst, gibt es bei Nabu und Wildtierstiftung viele pädagogische Projekte. Außerdem helfen Experten vor Ort weiter.