Nachdem seine Tochter fast in einem Goldfischteich ertrunken wäre, tüftelte der Hamburger Unternehmer Bernhard Markwitz acht Jahre daran, Kindern das Schwimmen sicher zu lehren - und erfindet die Schwimmflügel.

Es dürften unschöne Momente gewesen sein. Manchmal, wenn Bernhard Markwitz Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre ins Ohlsdorfer Schwimmbad ging, erntete er befremdliche Blicke. Es sind die Gummischläuche mit Fahrradventilen, die er bei sich hat und die für Kopfschütteln sorgen.

Markwitz ficht das nicht an. Zu sehr haben ihn die Momente des Sommertages im Jahr 1956 geprägt. Seine dreijährige Tochter Annette spielte im Winterhuder Garten der Familie an einem Teich mit Goldfischen. Plötzlich sah Mutter Gisela, dass das Kind kopfüber in den Teich gefallen war und rettete es in letzter Minute. Auch Bernhard Markwitz, der gerade von einem Fußballspiel zurück kam, packte mit an.

Der damals 36-Jährige hatte eigentlich ein gutes Verhältnis zum Wasser. Markwitz stammte aus Ostpreußen und war im Alter von 17 Jahren deutscher Meister in der „50-Meter-Kraul-Staffel“. Später arbeitete er als Schwimmlehrer und Rettungsschwimmer. Und nun musste er erleben, dass sein kleine Tochter beinahe in einem einfachen Goldfischteich ertrunken wäre.

„Mir wurde klar: Das Wasser soll der Freund des Menschen sein, nicht seine Todesfalle“, erzählte Markwitz später. „Damals habe ich mir geschworen, jedem Kleinkind so früh wie möglich Schwimmen beizubringen.“ Voraussetzung dafür war, dass die Kinder auch in tieferen Becken planschen konnten, ohne unterzugehen.

Acht Jahre tüftelte Markwitz an seiner Idee, mit Hilfe von „Schwimmflügeln“, die mit Luft gefüllt sind, für genügend Auftrieb zu sorgen. Bis dahin gab es Schwimmhilfen, die aus Kork bestanden. Die Schwimmer banden diese sich um den Bauch. Doch die Korkringe erfüllen nicht ihren Zweck.

Zum einen ist der Auftrieb, den sie entwickeln, für einen menschlichen Körper zu gering. Zum anderen besteht die Gefahr, dass Kinder vorn über kippen und so ihr Kopf unter Wasser gerät. Markwitz erkennt rasch, dass eine sichere Lösung des Drehpunkt-Problemes die Voraussetzung für den Erfolg seiner Erfindung ist.

Entscheidend ist, dass Nichtschwimmer in jeder Situation den Kopf und die Schultern über dem Wasser haben. Das, so findet Markwitz heraus, geht nur mit Schwimmhilfen an den Armen. Der Erfinder probierte es zunächst mit Fahrradschläuchen - das Kinderrad seiner Tochter hatte ihn auf diese Idee gebracht. Vom Prinzip her liegt Markwitz richtig, aber auch bei den Fahrradgummischläuchen reicht der Auftrieb nicht aus.

„Mir wurde klar, dass die Schwimmhilfe eine Triangelform haben muss; dass da ein Steg zwischengeschweißt werden musste“, erzählte er später. „Mit abgeflachten Innenseiten entstanden die zwei Tüten Luft, die bis heute so geblieben sind.“ Die Lösung findet Markwitz im PVC. Schon in den dreißiger Jahre war es gelungen, Folien aus dem Kunststoff herzustellen.

Für Markwitz’ Idee ist PVC bestens geeignet. Er kann damit so große Luftkammern herstellen, die ausreichend Auftrieb erzeugen, dass ein Mensch im Wasser nicht untergeht. Nachdem der Erfinder das geeignete Material für seine Idee gefunden hat, tüftelt er am „Komfort“ der Luftkissen: sie dürfen auf der Haut nicht drücken, die Blutversorgung nicht beeinträchtigen und auch wenn der Ventilstöpsel herausrutscht, darf nicht sofort alle Luft entweichen.

Erste Tests in der eigenen Badewanne sind Erfolg versprechend. Weitere „öffentliche“ Tests folgen. Am 13. Juni 1964 ist es dann soweit: Markwitz stellt seine „Schwimmflügel“ - orangene Tüten mit den blauen Ventilen im Schwimmbad Ohlsdorf der Öffentlichkeit vor. Seine Tochter, die die Erfindung testete, habe ihn an einen Engel mit Flügeln erinnert, begründete er später die Namensgebung.

So einleuchtend die Idee für Bernhard Markwitz ist, so wenig Anklang findet sie in der Öffentlichkeit. Vor allem die Ablehnung bei Sportartikelherstellern bereitet ihm Sorgen. Es hagelt Absagen. Niemand glaubt, dass „zwei Tüten Luft“ einen Menschen über Wasser halten können. Da verhilft ein Lottogewinn von 253 000 Mark Markwitz zum nötigen Startkapital. 1964 meldet er das Patent an, gründet die Firma BEMA (BErnhard MArkwitz) und kümmert sich selbst um die Produktion. 7,95 Mark kosteten die Flügel seinerzeit.

Markwitz ist in den Anfangsjahren der beste Vertreter seiner Erfindung. Um ihre Wirkungsweise vorzuführen, hat er immer ein Paar Schwimmflügel dabei. Auf Urlaubsreisen verteilt er sie unter den Mitreisenden. Der Erfolg kommt mit der Zeit und macht Markwitz zu einem wohlhabenden Mann. Weit mehr als 150 Millionen Stück sind bis heute verkauft worden. In Amerika muss das Wort „Schwimmflügel“ nicht übersetzen werden. Inzwischen werden sie im hessischen Frieda produziert.

Bernhard Markwitz starb im Februar 2000 im Alter von 80 Jahren. Für Millionen Kleinkinder gehören Schwimmflügel zum Schwimmunterricht dazu. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hatte frühzeitig den Wert der Erfindung des hamburger Tüftlers erkannt und ließ schon Ende des Jahres 1969 auf den Markwitzschen Schwimmflügeln das Logo DLRG drucken.