Mehr Personal für Jugendämter: Nach dem Tod der kleinen Yagmur will der Senat den Kinderschutz in Hamburg deutlich verbessern. Die Sozialbehörde will dafür 26 weitere Stellen einrichten.
Hamburg Fünfeinhalb Monate nach dem gewaltsamen Tod der dreijährigen Yagmur legt die Sozialbehörde ein Konzept vor, wie aus ihrer Sicht der Kinderschutz verbessert werden kann. Der Fall vom 18. Dezember mache deutlich, „dass das Kinderschutzsystem in Hamburg weiter verbessert werden muss“, heißt es in einem Entwurf einer entsprechenden Senatsdrucksache, die dem Abendblatt vorliegt. „Der Senat reagiert damit auf den Bericht der Jugendhilfeinspektion zum Fall Yagmur und will gleichzeitig einen Standard für die kommenden Jahre festlegen“, sagte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD). Vor vier Wochen hatten die Spitzen der Behörden für Soziales, Gesundheit, Justiz und Innen mit Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) das Konzept besprochen.
Im Wesentlichen sollen die Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) in den Jugendämtern, die Familien in Krisen- und Notsituationen betreuen, mehr Personal erhalten. Zudem führt die Sozialbehörde eine Kita-Pflicht für Kinder aus besonders kritischen Familienverhältnissen ein. Künftig soll es auch verbindliche Kooperationen zwischen den unterschiedlichen Institutionen geben, die mit dem Schutz von Kindern befasst sind. Sozialbehörde, Jugendämter, Kinderärzte, Rechtsmedizin, Justiz und Polizei sollen enger zusammenarbeiten als bisher, kündigte Scheele an.
Eine elementare Veränderung betrifft die Personalsituation in den 35ASD-Abteilungen, die die Mitarbeiter in den vergangenen Wochen mehrfach massiv kritisiert hatten. In mehreren Schritten soll zu den 406 vorhandenen Stellen zusätzliches Personal eingestellt werden. Grünes Licht gibt der Senat zunächst für 26 weitere Stellen: Die stellvertretenden ASD-Leitungen, die neu eingeführt werden, können die Hälfte ihrer Arbeitszeit damit verbringen, Mitarbeiter zu unterstützen – dafür entstehen 17,5 Stellen. Weitere 8,75 Stellen wird es für „Jus-IT-Multiplikatoren“ geben, die die Mitarbeiter bei der Nutzung der umstrittenen Behörden-Software unterstützen sollen.
„Die Kollegen freuen sich über jede Entlastung“
Neben weiterem Personal in den Geschäftsstellen werden auch zusätzliche Mitarbeiter in den 13 besonders belasteten ASD-Abteilungen eingestellt. „Wie viele neue Stellen es in diesem Bereich geben wird, wird derzeit ermittelt“, sagte Detlef Scheele dem Abendblatt. Fest steht, dass alle neuen Stellen aus dem bestehenden Budget der sogenannten Hilfen zur Erziehung (HzE) finanziert werden, das in diesem Jahr 250,6 Millionen Euro beträgt. Abgestimmt werden die Maßnahmen nicht mit der Bürgerschaft, sondern nur vom Senat – voraussichtlich schon am Dienstag in einer Woche. „Es handelt sich hierbei um die Position der Landesregierung zum Kinderschutz“, so Scheele. Für Ver.di-Fachbereichsleiterin Sieglinde Frieß ist der in Aussicht gestellte Personalzuwachs zu wenig. „Er ist aber ein erster guter Schritt“, sagte sie. „Die Kollegen freuen sich über jede Entlastung.“
Die Sozialbehörde plant weiterhin, erfahrenes Personal durch bundesweite Ausschreibungen, flexiblere Vergabe von Erfahrungsstufen und die Möglichkeit, neben Sozialpädagogen auch anderer Professionen als Fachkräfte im ASD einzustellen, gewinnen. „Und wir forcieren die Verbeamtung von Mitarbeitern, um diese zu binden und zu motivieren“, sagte Scheele. Eine gravierende Änderung ist, dass die Sozialbehörde die Kita-Pflicht für Kinder einführen will, bei denen es einen Verdacht der Kindeswohlgefahr gibt. „Notfalls können wir den Besuch einer Kita auch familiengerichtlich anordnen lassen“, sagte Scheele. Für Kinder mit einer HzE wird der Kita-Besuch „ein prioritäres Hilfeplanziel“ werden, das gegebenenfalls auch durch das Familiengericht durchgesetzt werden kann. Scheele: „Der Fall Yagmur hat gezeigt, dass es hier einer Regel bedarf.“
Meldepflicht für Versterben von Kindern
Das Konzept zur Verbesserung des Kinderschutzes sieht auch vor, dass Kinderärzte bei einem Verdacht auf Kindesmisshandlung das Kinderkompetenzzentrum am Institut für Rechtsmedizin am UKE einschalten können. Bei einem erhärteten Verdacht muss das Jugendamt ohnehin miteinbezogen werden. In dem Senatsentwurf heißt es weiter: „Im Fall des Versterbens von Kindern ist eine Meldepflicht geplant.“ Das bedeutet: Stirbt ein Kind, muss der Arzt, der die Leichenschau vornimmt, künftig Polizei oder die Staatsanwaltschaft beteiligen. „Dadurch soll vor allem das Kindeswohl von Geschwisterkindern erhöht werden“, so Scheele zum Abendblatt.
Auf der Familienministerkonferenz vor zwei Wochen hatte Sozialsenator Detlef Scheele außerdem auf Bundesebene eine Initiative angeschoben, mit der die Rechte von Kindern und Pflegefamilien gegenüber den Herkunftsfamilien gestärkt werden sollen. Diskutiert werden soll nun auch, ob die Kooperation zwischen den beteiligten Institutionen wie Jugendamt, Staatsanwaltschaft, Polizei und Kita gesetzlich festgeschrieben werden sollte.
Sozialsenator Detlef Scheele sagte weiter: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, noch in dieser Legislaturperiode der Bundesregierung ein Ergebnis zu erzielen.“