Der langjährige Entwickler Bernhard Conrad verrät die Erfolgsrezepte einer verschwiegenen Branche. Im Ruhestand leitet er aber weiter den wichtigen Verein Hamburg Aviation.
Hamburg. Für Bernhard Conrad hat seine Arbeit in der Luftfahrt stets zwei Seiten: Es geht ihm darum, das Fliegen komfortabler, ökologischer und sicherer zu machen, aber wichtig ist ihm auch die Bewahrung des technischen Erbes früherer Generationen. Das wird so bleiben, auch wenn Conrad nun aus Altersgründen als Leiter des Entwicklungsbetriebes von Lufthansa Technik ausgeschieden ist. In dieser Funktion hat er dazu beigetragen, die Innovationsstärke des Hamburger Unternehmens erheblich voranzubringen. Als er 1998 dieses Amt antrat, arbeiteten unter seiner Verantwortung 350 Ingenieure mit der behördlichen Lizenz, technische Änderungen an Flugzeugen vorzunehmen; heute sind es 600.
„Außerhalb der Hersteller wie Airbus oder Boeing kenne ich keinen größeren und kompetenteren Entwicklungsbetrieb auf der Welt“, sagt Conrad. Den Anstoß für viele Innovationen geben nicht zuletzt die Scheichs, Staatschefs und superreichen Unternehmer, deren Jets bei Lufthansa Technik in fliegende Paläste verwandelt werden: „Wir haben vor gut zehn Jahren festgestellt, dass wir den VIP-Kunden oft nicht das bieten konnten, was sie aus ihren Büros oder Villen kennen.“ Ein Beispiel für eine solche Neuerung, die schnell auch in Passagierflugzeuge für die Allgemeinheit Einzug hielt, ist die Internetverbindung an Bord. 500 Patente hält das Unternehmen heute.
Nach dem Ausscheiden bei Lufthansa Technik arbeitet Conrad in einer anderen Eigenschaft weiter am Fortschritt in der Fliegerei: Er ist Vorstandsvorsitzender des Vereins Hamburg Aviation, der die Zusammenarbeit am weltweit drittgrößten Luftfahrtstandort zwischen den drei Kernunternehmen Airbus, Lufthansa Technik und Flughafen Hamburg sowie rund 300 Zulieferern, fünf Hochschulen und der Wirtschaftsbehörde organisiert.
Nach einem Studium der Luft- und Raumfahrttechnik arbeitete Conrad bei Lufthansa Technik in Hamburg zunächst an einem Stück Luftfahrtgeschichte: Er war an der Restaurierung der Junkers Ju 52 beteiligt, mit der die Lufthansa Berlin Stiftung seit mehr als 25 Jahren in jedem Sommer bundesweit Rundflüge anbietet. Von 1988 bis 1989 war Conrad Repräsentant der Lufthansa bei Boeing in Seattle. Das war eine verantwortungsvolle Aufgabe für den jungen Ingenieur: „Zu Spitzenzeiten sorgte ich mit mehr als zehn Luftfahrt-Prüfern für einen hohen Qualitätsstandard der an Lufthansa ausgelieferten Flugzeuge. Wir waren auf uns allein gestellt, fernab der Heimat und der Zentrale in Deutschland, ohne E-Mails und Internet.“
Auf diese Bewährungsprobe folgte der nächste Karriereschritt, diesmal in Berlin. Es galt, unmittelbar nach der Wende einen Instandhaltungsbetrieb für Lufthansa Technik in Berlin aufzubauen. Das Personal kam fast ausschließlich von der früheren DDR-Staatslinie Interflug. Die Motivation dieser Beschäftigten war sehr hoch, wie sich Conrad erinnert: „Sie wollten bei der Überholung von Boeing-737-Jets mindestens so gut sein wie die Kollegen im Westen. Das haben sie auch schnell geschafft.“
Vor dem Ende der aktiven Managerlaufbahn im Unternehmen hat der Vater von drei erwachsenen Söhnen und einer Tochter keine Angst: „Ich falle nicht in ein Loch.“ Er bleibt nicht nur bei Hamburg Aviation engagiert, sondern auch als Vorstandsvorsitzender der Lufthansa Berlin Stiftung. In dieser Funktion kommt eine spannende Aufgabe auf ihn zu. Denn innerhalb der nächsten zwei Jahre wird die aufwendige Restaurierung einer viermotorigen Lockheed L-1649A Super Star, die dann ebenfalls mit Passagieren für die Stiftung abheben und in Hamburg stationiert sein soll, abgeschlossen.
Auch im Privatleben verbindet Conrad das Alte mit dem Neuesten. Mit seiner Frau wohnt er in einem Gebäude aus dem 19. Jahrhundert in Groß Borstel, das er liebevoll restauriert und mit modernster Haustechnik ausgestattet hat. Mehr Zeit hat er künftig auch für sein eigenes Flugzeug, einen kleinen, stoffbespannten Zweisitzer vom Typ Aeronca Super Chief, Baujahr 1941. „Die Tankanzeige ist noch die Gleiche wie in den Autos der Ford-Reihe Modell T“, sagt Conrad, „aber die Funkgeräte sind Hightech.“