Zum Benefizspiel für Diren D., der während eines Schüleraustauschs in den USA erschossen wurde, kamen mehr als 1000 Zuschauer. Der Vater des getöteten Schülers kritisiert Amerikas Waffengesetze.

St. Pauli. Das Entsetzen über den gewaltsamen Tod des Hamburger Schülers Diren ist unvermindert groß. Erstmals meldete sich nun auch der Vater des Jugendlichen, der in die USA geflogen ist, zu Wort. Er kritisierte die dort geltenden Waffengesetze scharf. „Amerika kann hier nicht weiterhin Cowboy spielen“, sagte Celal D. Er habe sich keine Gedanken darüber gemacht, „dass hier jeder jemanden erschießen kann, nur weil er in seinen Garten gekommen ist“. Andernfalls hätte er seinem Sohn, der in der Nacht zu Sonntag in der Garage eines Fremden erschossen wurde, den Schüleraustausch in Amerika keinesfalls erlaubt.

Celal D. wird wahrscheinlich am Sonnabend nach Hamburg zurückkehren. Nach einer Zeremonie in der Yeni-Beyazit Moschee soll Direns Leichnam zur Bestattung nach Bodrum im Südwesten der Türkei gebracht werden. Für die Finanzierung sammeln die Freunde, Fußballkollegen und Mitschüler des Jugendlichen Spenden. Sie haben die Facebook-Seite R.I.P. Diren ins Leben gerufen. Hier wird die Nummer des Spendenkontos bekannt gegeben und auf eine Gedenkveranstaltung aufmerksam gemacht, die am Sonnabend in den Räumen der Alevitischen Gemeinde am Nobistor veranstaltet wird.

Auf einem Benefizpokalspiel waren bereits mehrere Tausend Euro zusammengekommen, zwei weitere Benefizspiele sind geplant. Mehr als 1000 Zuschauer hatten am Mittwoch das Fußballturnier auf dem Hermann-Schnell-Sportplatz besucht, darunter Direns Mutter und seine beiden Schwestern. Nach einer Schweigeminute trat Direns Mannschaft, die A-Junioren des SC Teutonia v. 1910, gegen den Duvenstedter SV an; beide Teams trugen einen Trauerflor. Viele Gäste hatten T-Shirts mit einem Foto von Diren an, zahlreiche Plakate und Bilder erinnerten an den Hobbyfußballer. „RIP Diren. Wir lieben dich“ stand darauf und „Helden sind unsterblich“. Am Spielfeldrand hing ein Banner mit der Aufschrift „Unser Bruder stirbt, und Amerika schaut zu.“ Einige Besucher legten weinend Rosen nieder.

Auch auf dem Spielfeld gab es bewegende Momente: Als Teutonia das erste Tor gelang, rissen sich alle Spieler die weißen Trikots vom Körper – darunter trugen sie schwarze Shirts mit Direns Porträt. Das Pokalspiel ging am Ende 3:2 für die Duvenstedter aus. Dennoch: „Das Spiel war aus sportlicher Sicht heute absolut nebensächlich“, sagte Trainer Kadir Koc.

Große Anteilnahme

Unter den Zuschauern war auch der Leiter des Gymnasiums Allee. Er werde Diren als „tollen Kerl“ in Erinnerung behalten, sagte Ulf Nebe. Der Jugendliche sei „voller Hoffnung und besonnen“ gewesen. „Dass so viele gekommen sind,“ sagt er, „zeigt, wie beliebt Diren war.“ Ab Montag sollen sich laut Schulbehörde Mitarbeiter der Beratungsstelle Gewaltprävention um die Schüler kümmern. Neben einer zentralen Veranstaltung in der Aula sei zudem geplant, einen „Trauerraum“ einzurichten, in dem die Berater Schülern und Lehrer Gespräche anbieten werden.

Auch in den USA sorgt der Fall weiter für Schlagzeilen und Diskussionen. Der Tod des Schülers sei „ohne Frage tragisch“, erklärte Anwalt Ryan. Sein Mandant, der Todesschütze Markus K., und dessen Partnerin, die ein zehn Monate altes Kind haben, seien erschüttert. Sie glaubten aber, dass die Schüsse gerechtfertigt gewesen seien. „Sie fühlten sich bedroht. Sie wussten nicht, was er in ihrer Garage wollte, wie er sich verhalten würde, ob er zum Beispiel Drogen genommen hatte oder ob da mehr als zwei Männer waren.“

Das Gericht setzte ihn gegen Zahlung einer Kaution von 30.000 Dollar (21.000 Euro) vorerst auf freien Fuß. Nach Angaben des Anwalts erhält Markus K. nun Morddrohungen, hasserfüllte anonyme Anrufe und Facebook-Nachrichten. „Es ist eine sehr problematische Situation für sie. Sie verlassen ihr Haus nicht mehr.“

Zwar räumt der Staat Montana für die Verteidigung des eigenen Hauses das bewaffnete Recht auf Notwehr ein. Laut Anklageschrift stellte Markus K. aber potenziellen Dieben eine Falle. Seine Partnerin habe als eine Art Köder eine Handtasche in die Garage gelegt. Einer Zeugin zufolge soll der Mann seit Nächten darauf gewartet haben, jemanden zu fassen und zu erschießen.

Die Gasteltern von Diren D. haben sich mit einer Botschaft an die deutsche Bevölkerung gewandt. Randy Smith und Kate Walker sagten, die tödlichen Schüsse auf den 17- Jährigen seien ein Einzelfall und spiegelten nicht das Wesen der Vereinigten Staaten wider.

Sie wollten, dass die deutschen Bürger wüssten, dass der Tod des Jugendlichen die Tat eines Einzelnen gewesen sei. „Wir wollen, dass sie wissen, dass das nicht Amerika ist. Das ist eine Person, der Rest der Gesellschaft ist sehr hilfsbereit“, sagte Walker.

Auch die Hamburger Staatsanwaltschaft will ein Ermittlungsverfahren einleiten. „Wir prüfen den Sachverhalt und haben bereits die erforderlichen Unterlagen von den zuständigen amerikanischen Behörden angefordert“, sagte Sprecherin Nana Frombach.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bezeichnete Direns gewaltsamen Tod in den USA als „großes Unglück“. „Hamburg trauert um einen jungen Mann, der unter tragischen Umständen ums Leben kam“, erklärte Scholz. „Sein Tod macht uns traurig. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Freunden.“

Unterdessen musste der FC Teutonia 05, der von einer Nachrichtenagentur fälschlicherweise als Direns Heimatverein bezeichnet worden war, sein Gästebuch sperren. Dort waren Dutzende ausländerfeindliche Kommentare aufgetaucht. „Wir sind zutiefst erschüttert, dass die Plattform für übelste rassistische Äußerungen missbraucht wurde“, sagt Präsident Diddo Ramm.