Birgit Gräfin Tyszkiewicz, Gründerin des Modelabels Roma e Toska, kämpft seit der Firmengründung im Jahr 2001 für das gute Gewissen in der Branche. Sie produziert nach strengen nachhaltigen Produktionsvorgaben in Italien und Deutschland.
Eppendorf. Sie rahmen Birgit Gräfin Tyszkiewicz ein bisschen wie Engelchen und Teufelchen im Pop-up-Store an der Isestraße ein: Auf der linken Seite ein Foto von Roma, die 19-jährige Tochter mit rotem Schopf und selbstbewusstem Blick, auf der rechten Seite ein Porträt der 16-jährigen Toska, brünett und eher der verspielte Teenager. Während Roma gerne von Kopf bis Fuß in den selbst entworfenen Kleidern ihrer Mutter herumläuft, geht Toska am liebsten mit ihren Freundinnen bei Billigketten einkaufen. „Und nach dem Waschen ärgert sie sich dann, wie die T-Shirts aussehen“, sagt die Designerin, die sich auch ein bisschen über das Einkaufsverhalten ihrer jüngeren Tochter ärgert – und ihr deswegen kurzum das Taschengeld gekürzt hat. „Ich habe zu ihr gesagt, dass sie sich dafür ihr Budget selbst verdienen muss.“ Im Kleinen funktioniert die Erziehung zu nachhaltigem Konsum also einigermaßen. Aber wie schwer es ist, die Kunden davon zu überzeugen, weiß Birgit Gräfin Tyszkiewicz nur zu gut.
Schließlich kämpft die Designerin, die ihr Modelabel Roma e Toska nach ihren Töchtern benannte, seit der Firmengründung im Jahr 2001 für das gute Gewissen in der Branche: „Wir produzieren seit jeher nach strengen nachhaltigen Produktionsvorgaben in Italien und Deutschland“, sagt die 52-Jährige. Im Erzgebirge wird genäht, die Strickwaren stammen aus der italienischen Region Como, die Gürtel werden im Schwarzwald hergestellt. Da sie ohnehin gerne verreist, besucht sie die Produktionsfirmen so oft wie möglich, wählt die Stoffe aus und profitiert dabei von dem zum Teil jahrhundertealten Wissen wie etwa bei Cerruti. „Die Leidenschaft und Hingabe dafür, gute Qualität herzustellen, inspiriert mich immer wieder“, sagt Birgit Gräfin Tyszkiewicz. „Oft höre ich zwar, dass etwas nicht geht“, lacht die Designerin, die aus einer Handwerkerfamilie stammt und mit dem Satz quasi aufgewachsen ist. „Aber ich antworte dann einfach, dass sie es irgendwie möglich machen sollen.“ Zum Beispiel zarte Buschwindröschen auf Baumwolle oder die „Promenade in den Wäldern“ des russischen Malers Iwan Schischkin auf Crêpe de Chine drucken. Bei ihrer aktuellen Sommerkollektion „Into the Woods“ ließ sie sich ebenso von der Natur wie von der Kunst leiten.
Birgit Gräfin Tyszkiewicz ist erst spät, mit 40 Jahren, zur Mode gekommen. „Mir ist Mode sehr wichtig. Ich möchte, dass man durch meine Kleider sichtbar wird, dass sie die Persönlichkeit unterstreichen.“ Eigentlich ist sie gelernte Kunsthistorikerin. „Ich habe Ausstellungen kuratiert und Bücher herausgebracht. Aber dann dachte ich, dass noch etwas anderes kommen muss.“ Das kam dann auch. Ihr Mann Krzysztof arbeitete lange Zeit für eine Filmproduktion, für eine TV-Serie wurden Kostüme gebraucht. „So fing alles an.“ Auch für ihre Töchter und deren Freundinnen nähte sie damals Kleider, Röcke und Mäntel. 2001 war es so weit: Unter dem Namen Roma e Toska entwarf die Quereinsteigerin zunächst Kindermode: niedliche Tüllröcke, coole Leggins und Blazer. Aber schon damals merkte die Designerin, dass sie von großen Labels erschlagen wird. Um sich bekannt zu machen, steckte Birgit Gräfin Tyszkiewicz ihre Tochter Toska in ein selbst entworfenes Outfit und flog mit ihr nach London. „Im Nobelkaufhaus Harrods lungerten wir beide so lange herum, bis uns die Department-Chefin ansprach. So landeten wir mit unserem Label bei Harrods.“ Kurz darauf wollte auch das Luxuskaufhaus Gum in Moskau ordern. Natürlich gibt es auch betuchte Hamburgerinnen, die für ihre juvenilen Töchter ein 200-Euro-Jäckchen mitnehmen. Doch ist Russland heute der größte Absatzmarkt.
Aus dem einstigen Kindermodelabel ist eine Young-Women-Marke geworden. „Die Konkurrenz und der Preisdruck auf dem Markt für Kindermode wurden einfach zu groß“, sagt die Designerin. „Auf der einen Seite hat man Billigketten wie H&M und Zara, auf der anderen Seite Edelmarken wie Burberry und Stella McCartney. Und die meisten davon lassen in Asien fertigen.“ Darauf wollte sich Birgit Gräfin Tyszkiewicz nie einlassen. Lieber ein paar wenige Teile kaufen als Masse ist ihre Devise. Und „wir können nicht billig.“ Der Preis für einen Blazer fängt bei 150 Euro an, ein Wendepullover aus der Winterkollektion kostet schon mal 340 Euro.
Wer Roma e Toska kaufen will, wird in Hamburg keinen Laden finden. Birgit Gräfin Tyszkiewicz setzt auf Onlineshopping und Pop-up-Stores. Geplant ist eine Tournee durch deutsche Städte. Bis 30. April verkauft sie ihre Mode in der Isestraße 79, am Sonntag lädt die Gräfin dort zu einem Brunch von 11 bis 16 Uhr ein. 50 Prozent des Verkaufserlöses will die Designerin der Organisation des Fashion Revolution Day spenden, der an den Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch vor einem Jahr erinnert, bei dem über 1000 Menschen starben.
Ihr Mann, mittlerweile pensioniert, sorgt im Hintergrund dafür, dass alles läuft. Toska besucht das Lycée Français. Kürzlich begleitete sie ihre Mutter zu einem Produzenten in Italien. „Vielleicht wird sie einmal in meine Fußstapfen treten.“
Die beste Motivation aber hat ihre Tochter Roma geliefert, die in Toulouse Philosophie und Literatur studiert. Auf die Frage, warum es Roma e Toska auch in Zukunft geben soll, antwortete die 19-Jährige ihrer Mutter: „Weil ich Klamotten brauche und eine Mutter, die weiterhin an der Front kämpft.“