Hamburg persönlich

In diesem Eppendorfer Hinterhof liegt das Land der Mädchenträume. Eine knarrende Stiege über einer alten Autowerkstatt an der Schottmüllerstraße führt zu einer quakenden Hupe - die Haustürklingel. Und dann öffnet sich eine schwere Holztür zu einem Loft der Fantasie: An Kleiderstangen hängen Röcke aus Tüll, Kleider bestickt mit Perlen und Pailletten, Blusen mit Biesen und Rüschenaufschlägen und Samtmäntel mit Bordüren. In gigantischen, antiken Reisekoffern lagern kostbare Stoffe, Täschchen, Gürtel und Schals. Dazwischen laufen zwei Mädchen auf nackten Füßen über die alten Holzbohlen. Es sind Roma (13) und Toska (10), die Töchter von Birgit Gräfin Tyszkiewicz (46), die gerade Skizzen für ihre neue Kinderkollektion entwirft.

"Das ist mein Kreativreich. Hier wohnen wir, und hier arbeite ich. Aber alle drei Jahre ziehen wir um, weil das zu unserem Leben irgendwie dazugehört", erklärt die Modemacherin, die mit ihrer fantasievollen Kinderkollektion "Roma e Toska" soeben den Internationalen Kids Fashion Award 2007 für neues Kinderdesign gewonnen hat.

Ein Weg, der nicht vorbestimmt war. Denn noch vor fünf Jahren hatte die promovierte Kunsthistorikerin aus Elmshorn mit ihrem Mann Krzysztof (65) Kinderfilme produziert. Der Kameramann und Regisseur ist Nachfahr eines polnischen Adelsgeschlechts aus dem 16. Jahrhundert.

"Irgendwann fühlte ich mich dort nicht mehr richtig ausgelastet und begann zunächst, Romane zu schreiben. Als dann für eine "Sesamstraßen"-Produktion einige Kostüme fehlten, kaufte ich mir spontan eine Nähmaschine und begann zu nähen", erzählt Gräfin Tyszkiewicz. Aus der spontanen Aktion wurde eine ungeahnte Begeisterung. Wie im Rausch begann die Gräfin nun zu nähen. Die ersten Kundinnen ihrer märchenhaften, mitunter genial anmutenden Kreationen: ihre Töchter Roma und Toska, deren Freundinnen und schließlich Mütter.

"Aber erst als vor fünf Jahren eine Mode-agentin in der Boutique einer Freundin meine Sachen entdeckte, ging es richtig los. Sie begann mich in ganz Europa zu vermarkten", erzählt Birgit Gräfin Tyszkiewicz. So hängt ihre Kindermode, eine Mischung aus Mädchenträumen und Zeitgeist, inzwischen in anspruchsvollen Kinderboutiquen (u. a. im Hanse-Viertel) und seit Kurzem im Moskauer Luxuskaufhaus Gum und dem Londoner Shopping-Tempel Harrod's. Die Kollektion, die ursprünglich mit 100 verkauften Teilen pro Jahr startete, ist inzwischen auf mehr als 10 000 verkaufte Teile angestiegen.

"Meine Mode ist für selbstbewusste Mädchen mit der Faust in der Tasche gedacht. Also für solche, die auch ein Tutu mit Gummistiefeln anziehen", erklärt die Designerin ihren individuellen Stil. Dass ihre beiden Töchter Roma und Toska beim Arbeiten oft um sie herum sind, ist dabei ein positiver Nebeneffekt. "Bei uns mischen sich Alltag und Arbeit schon deshalb, weil Atelier und Wohnung ineinander übergehen. Außerdem sind die Mädchen meine besten Kritikerinnen und modeln auch für mich", sagt Birgit Gräfin Tyszkiewicz.