Hochrangige Mitglieder vermuten hinter Abwahl des Innenpolitikers van Vormizeele eine Kampfansage an einen liberalen Kurs. Von Junger Union geht angeblich ein Rechtsruck aus.

Hamburg. Natürlich: Wer gefeuert, abgewählt oder besiegt wird, neigt zu Verschwörungstheorien. Denn mit der Annahme, man sei Opfer fieser Intriganten geworden, lässt es sich besser leben als mit dem Eingeständnis, seinen Job nicht gut gemacht zu haben. Beim Sturz des langjährigen Uhlenhorster CDU-Chefs Kai Voet van Vormizeele in den Ortsverbandswahlen der vorigen Woche aber ist die Lage etwas diffiziler.

Schon allein deshalb, weil „V3“, wie er in der Partei genannt wird, nicht bloß Ortschef war. Als innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion steht er auch für einen eher toleranten Kurs, zum Beispiel im Umgang mit den Besetzern der Roten Flora. Ein Kurs, für den auch die liberale CDU-Parteiführung um Landeschef Marcus Weinberg und Fraktionschef Dietrich Wersich verantwortlich zeichnet.

Mag sein, dass der 52-jährige van Vormizeele, der die Uhlenhorster Union seit 1998 führte, sich zuletzt nicht mehr mit viel Herzblut um die Basisarbeit gekümmert hat, wie hier und da zu hören ist. Bedeutender dafür, dass er jetzt durch den politisch unerfahrenen Wirtschaftsingenieur Matthias C. Lischke ersetzt wurde, dürfte aber anderes sein. So hatte sich Voet van Vormizeele zuletzt mit der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union (JU) angelegt, die eine neue Gruppe eröffnen wollte. „V3“ sei dagegen gewesen, heißt es. Die JU holte schließlich zum Gegenschlag aus – und brachte den zum Wirtschaftsflügel gerechneten Lischke als ihren Kandidaten in Stellung.

Hinter dem Konflikt versteckt sich wohl auch ein Richtungsstreit. Denn während die JU früher eher liberale Positionen innerhalb der Partei vertreten hätte, stünden viele ihrer Mitglieder heute für einen „stramm konservativen“ oder gar „reaktionären Kurs“, heißt es von Mitgliedern des Landesausschusses. Das sehe man schon an den Diskussionen in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter.

Auch andere hochrangige Parteimitglieder berichten, dass es in der JU Führungspersonen gebe, die beim Streit um Rote Flora oder Homo-Ehe „erzkonservative Positionen“ verträten und für einen Schwenk nach rechts plädierten. „Manche von den Jungen haben nicht präsent, dass wir mit unserem Kurs bis 2010 sehr gut gefahren sind“, sagt einer. „Es deutet sich an, dass in der Hamburger CDU ein ehemals rein personalpolitischer Konflikt zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung der politischen Ausrichtung wird“, sagt auch Tomas Spahn, Politikwissenschaftler und langjähriger Landesdelegierter der CDU. „Auf der einen Seite stehen diejenigen, die die Erfahrungen der von-Beust-Ära weiterentwickeln möchten zu einer mehrheitsfähigen, bürgerlich-liberalen Großstadtpolitik. Auf der anderen Seite formieren sich Kräfte, die mit einer unreflektierten Binnensicht ihre von Nostalgie geprägten Vorstellungen ohne Rücksicht auf langfristige Politikentwicklungen und Bürgermehrheiten durchsetzen wollen.“ In dieser Situation könne es für die CDU schwer werden, bei den kommenden Wahlen „aus ihrem Tal der Tränen herauszukommen“, so Spahn. „Zugleich gerät die Partei in die Gefahr, dabei ihre profiliertesten Köpfe zu verbrennen.“

Die nach dem Scheitern von Schwarz-Grün gegründete Gruppe Christdemokratischer Aufbruch, der Spahn angehört, sieht schon jetzt den Kreisvorsitzenden von Hamburg-Nord und voraussichtlichen Bürgermeisterkandidaten Dietrich Wersich geschwächt. „Vormizeele gilt in Bürgerschaftsfraktion und Kreisverband Nord als Unterstützer von Wersich“, schreibt die Gruppe auf ihrer Facebook-Seite. „Insider gehen davon aus, dass mit dieser Aktion gezielt die Position Wersichs geschwächt werden sollte.“

Der CDU-Landesvorsitzende Marcus Weinberg will von einem Richtungsstreit nichts wissen. „Es ist ein völlig normaler Prozess, dass es bei den Wahlen an der Basis zu Kampfabstimmungen und personellen Neuausrichtungen kommen kann“, sagte er dem Abendblatt. „Bei der Bewertung der Basis spielt die Arbeit der Vorstände insgesamt eine Rolle, weniger die inhaltliche Ausrichtung. Die jeweiligen Ergebnisse in den Ortsverbänden sind deshalb ursächlich einzeln zu bewerten.“

JU-Chef Carsten Ovens wies derweil die Vorwürfe zurück, er und seine Mitstreiter schmiedeten Pläne, die Partei weiter nach rechts zu rücken. In der JU gebe es unterschiedliche Strömungen. „Für uns ist aber die Geschlossenheit der Partei das, was zählt“, so Ovens.

Karen Koop, langjährige Bürgerschaftsabgeordnete und Ex-Vorstandsmitglied, erteilte jedem Versuch, die Partei nach rechts zu rücken, eine Absage. „Eine reaktionäre Bewegung brauchen wir nicht“, so Koop. „Wir müssen den gesellschaftlichen Wandel abbilden.“ Auch die neuen Machtansprüche der JU sieht Koop kritisch. „Verjüngung führt nicht automatisch zu einer Qualitätsverbesserung“, sagt die 69-Jährige.

Der abgewählte van Vormizeele gibt sich derweil noch nicht geschlagen. Auch wenn seine Chancen auf eine aussichtsreiche Aufstellung für die Bürgerschaftswahl 2015 durch den Verlust seiner Uhlenhorster Hausmacht deutlich gesunken sind, will er wieder antreten. „Ich bin gewillt, mein Mandat zu verteidigen“, sagt Voet van Vormizeele.

Bis Ende des Monats laufen in der Hamburger CDU noch die Wahlen in den 54 Ortsverbänden. Im Februar werden die Kreisvorstände neu gewählt und im Juni die Kandidaten für die Bürgerschaftswahl 2015 bestimmt.

Folgen Sie dem Autor bei Twitter unter @jmwell