Am Dienstagmorgen wurde mit Hilfe einer Hamburger Spedition begonnen, alle Wohnungen leerzuräumen. Bis zum 17. Januar sollen die 76 Wohnungen, die zum Zeitpunkt der Evakuierung noch bewohnt waren, geräumt sein.

Hamburg. Zu seinem Umzug aus den einsturzgefährdeten „Esso-Häusern“ an der Hamburger Reeperbahn hat Rainer Franck am Dienstag nur eine Sporttasche mitgebracht. „Damit will ich die nötigsten Sachen mitnehmen“, erklärt der 52-Jährige. Er gehört zu den ersten Mietern, die an diesem Morgen ihre Möbel und Sachen verpacken dürfen – allerdings nur mit Hilfe einer Spedition, um Erschütterungen zu vermeiden. Wie viele andere Mieter hatte Franck sein Zuhause Mitte Dezember nachts verlassen müssen, weil Anwohner von wackelnden Wänden berichteten. Läden, Bars und der legendäre Molotow-Club wurden evakuiert.

Eigentlich war der Auszug aus den Häusern, die direkt an einer ebenfalls gesperrten „Esso“-Tankstelle an der Amüsiermeile liegen, erst für Sommer 2014 angesetzt. Schon lange ist geplant, die maroden „Esso-Häuser“ in diesem Jahr abzureißen und einen Neubau zu errichten. Dagegen gab es immer wieder Proteste. Die Initiative „Esso-Häuser“ sorgt sich um die Mieter und befürchtet, dass der Kiez durch einen neuen Gebäudekomplex langweiliger und austauschbarer wird.

Nach Angaben des Eigentümers Bayerische Hausbau hatten mehrere Gutachten ergeben, dass eine Sanierung wirtschaftlich und technisch nicht sinnvoll sei. Die Initiative „Esso-Häuser“ wirft dem Eigentümer vor, er habe die Anfang der 1960er Jahre gebauten Gebäude bewusst verfallen lassen und aus Profitgründen auf den Abriss spekuliert. Die Bayerische Hausbau nennt die Vorwürfe haltlos. Ihr Sprecher Bernhard Taubenberger betont, die Mieter hätten ein Rückkehrrecht. Welche Konditionen man ihnen dabei werde bieten können, hänge von den weiteren politischen Entscheidungen ab.

Insgesamt müssen noch 76 Mietparteien ihre Sachen aus den Wohnungen räumen. Bis zum 17. Januar sollen alle Wohnungen leer sein. 18 Mieter haben schon Ersatzwohnungen gefunden. Der Rest wohnt noch in Hotels, bei Freunden oder Verwandten – in diesen Fällen werden die Möbel zwischengelagert. Die Häuser werden rund um die Uhr bewacht.

Fast zehn Jahre lang wohnte Franck in einem Appartement in den „Esso-Häusern“. Nach der Räumung wurde er in einem Hotel untergebracht. „Es ging eigentlich, aber über die Feiertage war es etwas ungewohnt“, berichtet er ruhig. Die Möbel und Kartons soll das Umzugsunternehmen direkt zu der Ersatzwohnung bringen, die der Mann nun gefunden hat. „Schwierig, viele Erinnerungen“, sagt Franck nachdenklich zu seinen Gefühlen am Umzugstag.

Seine Mütze mit der Aufschrift „St. Pauli“ verrät, wie sehr er an seinem Kiez hängt. Deshalb wünscht er sich, eines Tages in den Neubau an der Reeperbahn zurückkehren zu können. „Das Umfeld würde ich gerne wiederhaben“, sagt Franck, bevor Sicherheitspersonal eine Absperrung zu den Häusern für ihn öffnet.

Die Initiative Esso-Häuser fordert eine transparente Offenlegung der statischen Untersuchungen, ihrer Ergebnisse und eine Ursachenklärung der Erschütterungen Mitte Dezember. Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf, die Untersuchungsergebnisse zu erfahren, auf deren Grundlage der Abriss der Häuser vorgezogen werden soll. Momentan wird der entsprechende Antrag noch im Bezirksamt geprüft. Es heißt aber, dass die Genehmigung noch im Januar, ein Abriss der Häuser im März möglich sei.