Die erste Kundgebung beginnt um 12 Uhr, die nächste um 15 Uhr, die letzte um 17 Uhr. Ein Polizist erzählt, wie er sich auf den Einsatz vorbereitet.
Sternschanze. Weit mehr als 2000 Polizisten werden die linke Großdemonstration im Schanzenviertel absichern – Stefan Bereuter ist einer von ihnen. Der 28-Jährige von der Wache 31 an der Oberaltenallee ist Angehöriger einer Alarmhundertschaft. Sie rückt dann aus, wenn die regulären Einsatzhundertschaften Unterstützung benötigen. Bereuter steht dann mit der Kamera an vorderster Front, um Straftaten wie Steinwürfe festzuhalten, sprich: Beweise zu sichern. Am Sonnabend ist Bereuter nach der offiziellen Auflösung der Demo im Einsatz – wenn die heiße Phase beginnt, wenn Krawalle zu erwarten sind. Obgleich Tausende gewaltbereite Autonome erwartet werden, sieht er dem Aufzug gelassen entgegen.
„Ich bin körperlich fit und gehe mit gesundem Menschenverstand in den Einsatz“, sagt der 28-Jährige als Mitglied der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Angst verspüre er nicht. „Angst wäre auch ein schlechter Berater.“ Bereuter hat „Schlachtfelderfahrung“, wenn man es so nennen möchte. Er hat nach Fußballspielen bei Demos mehrfach den Kopf hingehalten. „Ich hoffe natürlich, dass die Demonstration friedlich verläuft.“ Sollte die Lage eskalieren, sei der Einsatz von Gewalt das letzte Mittel. „Wichtig ist, dass man auch in brenzligen Situationen Herr der Lage bleibt. Am Anfang steht immer die direkte Ansprache. Wenn das überhaupt nichts bringt, können wir Pfefferspray oder den Mehrzweck-Einsatzstock einsetzen.“
Erwartet wird der harte Kern der linksradikalen Szene
Die Wahrscheinlichkeit, dass Bereuter und seine Kollegen einen ruhigen Sonnabendabend haben werden, ist verschwindend gering, angesichts der Gewaltaufrufe auf einschlägigen linken Internetseiten, wo schon Wochen vor der Demo darüber diskutiert wurde, wie die Taktik der Polizei ausgehebelt, mehr noch, wie auf die massiven Polizeikräfte reagiert werden könne. „Auch spontaner Protest gegen repressive Maßnahmen ist ein legitimes Mittel gegen eine polizeiliche Aushebelung des Versammlungsrechts. Für den Tag wird dazu aufgefordert, verantwortlich und entschlossen zu handeln und eine eigene Dynamik zu entwickeln“, heißt es in einem bekannten Portal. Die Polizei rechnet damit, dass Molotowcocktails vorbereitet wurden, Barrikaden und brennende Autos geplant sind. Der härteste Kern der linksradikalen Szene wird für die Proteste in der Hansestadt erwartet. Zusagen, sich an der Demo zu beteiligen, gibt von mehr als drei Dutzend autonomer Gruppen aus ganz Deutschland. Der sogenannte schwarze Block, der dem bunten Block – also den bürgerlichen Demonstranten – voraussichtlich folgen wird, könnte bis zu 3000 Aktivisten stark sein. Verglichen mit vergangenen Demonstrationen bildet diese Masse an Linksradikalen ein enormes Gewaltpotenzial: Bei den gewaltsamen Protesten gegen den von Rechtsradikalen initiierten „Tag der deutschen Zukunft“ in Wandsbek im vergangenen Jahr – den letzten größeren Ausschreitungen – zählte die Polizei 1000 gewaltbereite Linke.
Besonders kritisch wäre es, sollten Randalierer in die City vordringen. „Es besteht die Gefahr, dass gewaltbereite Linksextremisten aus dem Aufzug heraus oder nach den Versammlungen versuchen werden, in den Innenstadtbereich zu gelangen. Dies würde zu erheblichen Gefahren für unbeteiligte Bürger führen“, sagt Polizeisprecher Mirko Streiber. Die Polizei hat in den letzten Tagen um Hundertschaften aus anderen Bundesländern und der Bundespolizei geworben. Am Sonnabend sollen weit mehr als 2000 Beamte im Einsatz sein, über die genaue Zahl schweigt sich die Polizei aus. Mehrere Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE), die geschult sind, Randalierer aus größeren Personengruppen herauszufischen, werden im Einsatz sein, darunter auch das Unterstützungskommando (USK) aus Bayern. Die Spezialeinheit gilt als „schlagkräftig“.
Wie gering das Interesse an friedlichen Protesten ist, zeigt nicht zuletzt ein Anschlag auf das Auto des CDU-Innenexperten Kai Voet van Vormizeele in der Nacht zu Freitag. Mit Steinen wurde die Frontscheibe eingeschlagen. Nur einen Tag zuvor hatten die Fraktionen der Bürgerschaft parteiübergreifend für einen gewaltfreien Sonnabend geworben. Auch der Chef der Polizeigewerkschaft DPolG, Joachim Lenders, appellierte an die „besonnenen Kräfte der Rotfloristen“, darauf Einfluss zu nehmen, dass die Demonstration friedlich bleibe. „Wer über das Stöckchen Provokation springt“, das Flora-Besitzer Klausmartin Kretschmer und dessen Berater Gert Baer hinhielten, „der erweist sich einen Bärendienst“, sagte Lenders. Denn dann werde die Stimmung in der Stadt, die bislang für den Erhalt der Roten Flora sei, umspringen.
Angesichts der Krawall-Aussichten, sorgen sich die Einzelhändler in der Innenstadt und im Schanzenviertel um ihren Umsatz: „Solche Demos sind ein echter Umsatzhemmer“, sagt Wolfgang Linnekogel, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands in Hamburg. Das sei während der Lampedusa-Demos in den vergangenen Wochen schon deutlich zu spüren gewesen. Auch das vorsorglich hohe Polizeiaufgebot rings um Mönckebergstraße schrecke Käufer ab – und Gäste, die zum Weihnachtsshopping nach Hamburg kommen. „Die kommen dann nicht wieder“, sagt Linnekogel.