Überraschende Wende im Streit um die gekündigten Krankenpflegeschüler. Parteien wollen sich außergerichtlich einigen. In den nächsten Tagen sollen die Ausbildungsverträge unterschrieben werden.

Hamburg. Im Sitzungssaal 119 im ersten Stock des Arbeitsgerichts am Osterbekkanal in Barmbek war von „guten zielführenden Gesprächen“ die Rede. Übereinstimmend baten die Anwälte den Vorsitzenden Richter, die nächsten Termine für Verhandlungen gegen den Klinikbetreiber Asklepios aufzuheben. Nach gerade mal fünfzehn Minuten war die Sitzung vorbei. Ein bisschen verwirrt verließen auch die junger Tunesier ihre Zuschauerplätze. Als Rechtsanwältin Anja Borstelmann ihnen auf dem Flur erklärte, dass das ein weiterer Schritt in den Güteverhandlungen mit dem Krankenhauskonzern sei, leuchtete Hoffnung in ihren Augen. Der Anwalt der Gegenseite war da schon mit kurzen Gruß Richtung Treppe verschwunden.

Außerhalb des Gerichts laufen die Verhandlungen allerdings auf Hochtouren. Und vieles spricht dafür, dass im Konflikt um die gekündigten Krankenpflegeschüler eine Einigung kurz bevor steht. Asklepios hat den 21 jungen Tunesiern inzwischen neue Ausbildungsverträge in Hamburger Kliniken angeboten. In den nächsten Tagen sollen sie nach Informationen des Abendblatts unterschrieben werden. Ausbildungsstart könnte dann am 1.November sein. Im Gegenzug werden die Klagen zurückgezogen. Es ist eine Lösung kurz vor Ultimo. Anfang November läuft das Aufenthaltsrecht der jungen Leute aus. Seit knapp drei Monaten leben sie hauptsächlich von Spenden.

Der Fall hatte in den vergangenen Wochen mehrfach für Schlagzeilen gesorgt. Eigentlich wollte Asklepios 150 junge Menschen aus Tunesien in Hamburg zu Krankenpflegern ausbilden. Einerseits sollten so neue Wege zur Beseitigung des drohenden Mangels in den Gesundheitsberufen beschritten, andererseits Pflegekräfte für das Mutterland des Arabischen Frühlings qualifiziert werden. Der vorgeschaltete sechsmonatige Sprach- und Integrationskurs wurde im Rahmen einer Transformationspartnerschaft im Gesundheitswesen (Tapig) vom Auswärtigen Amt mitfinanziert, das tunesische Gesundheitsministerium unterstützte das Projekt und auch der Hamburger Senat. Doch der viel gelobte Plan scheiterte nicht mal ein Jahr nach dem Start. Hintergrund ist der Streit um eine Eigenbeteiligung an der Ausbildung in Höhe von mehr als 18.000 Euro.

Eskaliert war die Situation Mitte August, als die jungen Tunesier vor Beginn der Ausbildung bei Asklepios einen Darlehensvertrag für eine Eigenbeteiligung an dem Integrationsprojekt unterschreiben sollten sowie einen Finanzierungsförderungsvertrag. Unstimmigkeiten gab es nicht nur über die Höhe der Summe, sondern auch über die Rückzahlungsmodalitäten nach dem Berufsstart. So sollten bereits während der Ausbildung monatliche Zinsen in Höhe von 46 Euro fällig werden – viel Geld bei einem Anfangs-Bruttosalär von 984 Euro. Der Tilgungsplan sah eine fünfjährige Laufzeit nach der Ausbildung vor. Die jungen Leute fühlten sich unter Druck gesetzt, forderten Nachbesserungen. Tapig-Projektleiter Jan Stephan Hillebrand verwies auf bereits unterschriebene Verträge für das Begleitprogramm. Als es nach mehreren Gesprächen nicht zu einer Einigung kam, leitete Asklepios Mitte August die ersten Kündigungen ein und erklärte kurz darauf den kompletten Ausstieg aus dem Vorzeigeprogramm. Begründung: Die Erwartungen seien zu unterschiedlich. Bereits geplante Kurse wurden abgesagt. Nur die 27 Programmteilnehmer, die ihre Ausbildung bereits begonnen hatten, konnten weitermachen.

Die gekündigten Programmteilnehmer reichten daraufhin Klagen beim Arbeitsgericht Hamburg ein. Es sei bewusst ein Zusammenhang zwischen dem Ausbildungsvertrag und dem Darlehensvertrag hergestellt worden, hatte Rechtsanwältin Borstelmann von der Kanzlei Hamburg-Gänsemarkt argumentiert, die die Tunesier vertritt. „Das ist sowohl eine verbotene Maßreglung als auch sittenwidrig.“ Um zu einer schnellen Lösung zu kommen, verhandelte sie mit dem Klinikkonzern über eine gütliche Einigung.

Auf Nachfrage bestätigte Asklepios die Gespräche. Man habe schriftliche Entschuldigungen von einigen Teilnehmern erhalten sowie einen Gesprächsvorschlag von deren Rechtsvertreterin, sagte Konzernsprecher Mathias Eberenz. „Angesichts der Schreiben sind wir auf den Gesprächsvorschlag eingegangen: Wir haben ein Ausbildungsverhältnis laut Tarifvertrag und den Regeln zu bieten, die für alle Auszubildenden gelten. Wenn das etwas ist, was die ehemaligen Kursteilnehmer interessiert, dann gibt es auch eine Grundlage für Gespräche.“ Eine abschließende Klärung oder Einigung liege aber noch nicht vor.

Trotzdem sieht es so aus, dass die nächsten Tage die entscheidende Wende bringen könnten. Die jungen Tunesier hatten immer wieder betont, die Ausbildung bei Asklepios absolvieren zu wollen. Die vergangenen Wochen verbrachten sie in großer Unsicherheit, mit der ständigen Angst, demnächst auf der Straße zu stehen. Der Rauswurf aus dem Appartementhaus in der Nähe des Hauptbahnhofs blieb aus. Teil des Vergleichs ist laut Rechtsanwältin Borstelmann auch, dass Asklepios noch bis Ende November die Mietkosten übernimmt. „Die Teilnehmer sind sehr froh, dass sie in Deutschland bleiben und jetzt mit der Ausbildung beginnen können“, so die Juristin, vorausgesetzt die Ausländerbehörde legt den tunesischen Auszubildenden keine Steine in den Weg. Die Frage, was mit der Forderung von mehr als 18.000 Euro Selbstbeteiligung an dem Programm geschieht, ist allerdings noch völlig offen. Nach einem Bericht von „Spiegel Online“ ist Asklepios inzwischen auf Distanz zu Projektleiter Hillebrand gegangen. Das Unternehmen wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern.