Linken-Abgeordnete protestieren in der Aktuellen Stunde gegen den Umgang des Senats mit den Lampedusa-Flüchtlingen. Sitzung wurde unterbrochen. Polizei drängt 50 Protestierer aus Bannmeile vor dem Rathaus ab.

Hamburg. Es war eine über weite Strecken sachliche, aber auch sehr emotionale Debatte: Eine kleine Szene der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft zeigt, wie polarisiert der Streit über die Zukunft der afrikanischen Flüchtlinge der Lampedusa-Gruppe nach wie vor ist. Gerade hatte Innensenator Michael Neumann (SPD) seine Rede mit dem erneuten Appell an die Afrikaner beendet, ihre Namen der Ausländerbehörde zu nennen, als die empörten Abgeordneten der Linken-Fraktion aufsprangen. „Humanität heißt Bleiberecht“, stand auf den Plakaten, die sie hochhielten, bis alle Fotografen und Kameraleute ihre Bilder im Kasten hatten.

Es war eine harmlose Aktion, die ohne Konsequenzen blieb. Bürgerschafts-Präsidentin Carola Veit (SPD) unterbrach die Sitzung, um sich mit den Fraktionsvorsitzenden zu beraten. Kurz darauf ging es weiter. „Mir ging es darum, die Debatte zügig weiterzuführen“, sagte Veit später. Ordnungsrufe für jeden Linken-Abgeordneten hätten zu einer Eskalation führen können.

Linke und Grüne fordern ein unbeschränktes Bleiberecht für die rund 300 afrikanischen Flüchtlinge, von denen 80 Männer seit Monaten in der St.-Pauli-Kirche Unterschlupf gefunden haben. SPD, CDU und FDP sehen nur die Chance, dass sich die Afrikaner wie alle anderen Flüchtlinge auch dem rechtsstaatlichen Einzelverfahren stellen. Dazu zählt die Preisgabe der Identität und die Schilderung der individuellen Fluchtgeschichte.

Wer gehofft hatte, dass es nach dem Appell von Bischöfin Kirsten Fehrs an die Lampedusa-Flüchtlinge, sich dem rechtsstaatlichen Verfahren zu stellen, zu einem schnellen Ende des Konflikts kommt, sah sich gestern getäuscht.

„Wir sind noch weit entfernt von einer Lösung, wenn die SPD den Umgang mit den Flüchtlingen allein über das Verfahrensrecht lösen will“, sagte Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan. Jetzt brauche es ein politisches Signal des SPD-geführten Senats, dass ein humanitäres Bleiberecht möglich sein kann. „Der Senat muss klar sagen, was das Ziel der Verfahren ist. Das kann man nur politisch lösen“, sagte Kerstan.

„Wer immer in unserem Land Hilfe sucht, von dem kann man verlangen, dass er seinen Namen nennt und seine Fluchtgeschichte erzählt. Warum soll das für eine spezielle Gruppe nicht gelten?“, konterte Neumann. Weiter kam er nicht. „Neumann, du lügst! Die Polizei hört nicht zu“, rief ein junger Mann von der Besuchertribüne und erntete Beifall von anderen Zuhörern.

Der Zwischenruf war eine Anspielung auf die Kontrollen der Polizei im Umfeld der St.-Pauli-Kirche. Neumann verteidigte den Einsatz der Beamten. „Es hat über Monate viele Gespräche mit den Flüchtlingen und der Kirche gegeben“, sagte der Innensenator. Erst hieß es, die Afrikaner müssten zur Ruhe kommen. „Doch als Ende September immer noch nichts geschah, ging es darum, dem Rechtsstaat Geltung zu verschaffen“, sagte Neumann. Der Senator wies den Vorwurf entschieden zurück, das Vorgehen der Polizei sei Rassismus. „Ich stelle mich vor meine Mitarbeiter. Man kann anderer Meinung sein und die Politik des Senats kritisieren, aber das geht zu weit“, sagte Neumann.

„Die Afrikaner haben breite Solidarität erfahren bis in die CDU hinein“, sagte die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider. „Nur der Senat und weite Teile der SPD haben Augen, Ohren und Herz verschlossen.“ Die Forderung nach einem Bleiberecht sei in der Stadt allgegenwärtig. „Das ist großartig“, sagte Schneider, die eine Einstellung der polizeilichen Kontrollen forderte.

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel dankte Bischöfin Fehrs für ihren Appell an die Flüchtlinge. „Nehmen Sie die Chance wahr, die Ihnen jetzt aufgezeigt wird“, sagte Dressel an die Adresse der Afrikaner. CDU-Innenpolitiker Kai Voet van Vormizeele warf Linken und Grünen vor: „Sie haben die Menschen für ihre Politik missbraucht. Das ist politisch ekelerregend.“

Nachdem am Dienstagabend zwei Frauen bei einer Veranstaltung des Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) mit nacktem Oberkörper gegen die Flüchtlingspolitik des Senats protestiert hatten, war das Rathaus gestern gut geschützt. Polizeibeamte konnten eine Gruppe von rund 50 Protestierern auf dem Rathausmarkt abdrängen, als sie versuchten, ins Rathaus zu gelangen.

In der evangelischen Kirche hat der Appell der Bischöfin ein positives Echo ausgelöst. „Das Wort der Bischöfin ist eine wichtige Unterstützung“, sagte Johann Hinrich Claussen, Propst im Kirchenkreis Hamburg-Ost. Die Flüchtlinge der Lampedusa-Gruppe selbst und ihre kirchlichen Unterstützer vor Ort auf St. Pauli wollten sich gestern nicht äußern.