Randalierer bewarfen die Einsatzkräfte mit Steinen, Flaschen und Feuewerkskörpern. Drei Aktivisten wurden festgenommen. Zur Demo gegen die Flüchtlingspolitik des Senats hatte das autonome Kulturzentrum Rote Flora aufgerufen.
Hamburg. Bei einer vom autonomen Kulturzentrum Rote Flora organisierten Protestaktion gegen die Flüchtlingspolitik des Hamburger Senats ist es am Dienstagabend zu Ausschreitungen gekommen. Polizisten wurden mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen, die Beamten setzten Pfefferspray ein, Wasserwerfer fuhren auf.
Mindestens zehn Polizisten wurden leicht verletzt. Drei Aktivisten seien wegen Körperverletzung und Widerstands gegen die Polizei festgenommen worden, teilte ein Polizeisprecher am frühen Mittwochmorgen mit.
Rund 1000 Menschen vorwiegend aus dem linken Spektrum hatten sich zu der Aktion vor der Roten Flora versammelt. Mit Sprechchören wie „Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht für alle – überall“ versuchten sie in einem nicht angemeldeten Demonstrationszug durch das Schanzenviertel zu ziehen. Die mit einem Großaufgebot präsente Polizei hatte jedoch zahlreiche Straßen abgeriegelt und verhinderte den Weitermarsch der überwiegend in der Kluft des autonomen „schwarzen Blocks“ gekleideten und teilweise vermummten Demonstranten.
Um 20.10 Uhr hatte sich der Zug vom Schulterblatt über die Susannenstraße in Richtung S- und U-Bahnhof Sternschanze in Bewegung gesetzt. Von dort ging es über die Schanzenstraße weiter - wo die Autonomen auf eine Hundertschaft der Polizei trafen.
An den Absperrungen und vor dem S-Bahnhof Sternschanze kam es dann zu den Auseinandersetzungen. Randalierer rissen Bauzäune nieder, zündeten Mülleimer an und zertrümmerten Gehwegplatten, um sich Wurfgeschosse zu verschaffen. Auch berittene Polizisten waren im Einsatz, die unter dem Gejohle der Demonstranten ebenfalls mit Feuerwerkskörpern beworfen wurden. Die Beamten setzten Pfefferspray ein und sperrten die Straße in Richtung Weidenallee. Als der Versuch eines Demonstrationszuges gescheitert war, zogen die Protestler in Kleingruppen durch das Viertel.
Mülltonnen und Auto angezündet
Randalierer zündeten mehrere Mülltonnen und mindestens ein Auto an. Außerdem hätten sie drei Fahrzeuge der Polizei beschädigt, sagte der Sprecher weiter. Darüber hinaus kam es zu einem Angriff auf eine Kolonne von Autos der Bundespolizei.
Die Lage sei unübersichtlich, da sich viele Kleingruppen über das Viertel verteilt in der Schanze aufhalten würden, sagte ein Sprecher der Polizei zwischenzeitlich.
Gegen 22 Uhr konnte das Schulterblatt wieder für den Verkehr freigegeben werden. Das Geschehen verlagerte sich in Richtung Fruchtallee und Grindelviertel. Immer wieder lieferten sich kleinere Gruppen Auseinandersetzungen mit der Polizei, errichteten Barrikaden und warfen mit Steinen und Böllern.
Andere hätten Feuerwerkskörper auf berittene Polizisten geworfen, eine Gruppe von etwa 30 Demonstranten habe Gegenstände auf das Hamburger Landgericht geschleudert und dadurch teilweise das Gebäude beschädigt.
Im Stadtteil Billstedt hätten die Ermittler zudem zwei weitere brennende Wagen gezählt, die nach Polizeiangaben zunächst jedoch nicht eindeutig den Ausschreitungen in der Innenstadt zugerechnet werden konnten.
Knapp 1100 Polizisten waren am Dienstagabend im Einsatz, davon etwa 350 aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen.
Aufruf zur Gewalt im Internet
Zuvor hatten die Protestler in einem Internetaufruf mit Gewalt gedroht und ein Ultimatum an den Hamburger Senat gestellt. Sie gaben Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bis Dienstagabend 20.00 Uhr Zeit, die Überprüfungen zu stoppen, andernfalls würde die Gruppe mit gewaltsamen Protesten reagieren. „Wir beschränken uns nicht mehr auf legale Protestformen“, drohten die Aktivisten.
„Wir sind auf alles vorbereitet“, sagt Polizeisprecher Mirko Streiber wenige Stunden vor dem Ablaufen der Frist. Angemeldet sei die Protestaktion nicht - dafür über diverse Kanäle angekündigt.
Senatssprecher Christoph Holstein hatte angesichts der Drohungen erklärt, dass sich an der Haltung des Senats nichts geändert habe. Es werde für die „Lampedusa-Flüchtlinge“ keine Pauschallösung geben.
Weitere Flüchtlinge kontrolliert
Der Protest richtete sich gegen die Flüchtlingspolitik des SPD-regierten Hamburger Senats. Die Aktivisten kritisieren die Überprüfung und Registrierung von in Hamburg gestrandeten „Lampedusa-Flüchtlingen“ durch Polizei und Ausländerbehörde.
Am Dienstag wurden 17 weitere Flüchtlinge kontrolliert - fünf im Umfeld der St. Pauli Kirche und 12 an der Brenner Straße in St. Georg. Letztere waren im B20 - einer sozialen Einrichtung - untergebracht. Acht von ihnen wurden in Gewahrsam genommen. Wie viele von ihnen zu der „Lampedusa“-Gruppe gehören, ist unklar.
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Unterdessen forderte Antje Möller, Sprecherin für Innen- und Flüchtlingspolitik der Grünen Bürgerschaftsfraktion, Bürgermeister Olaf Scholz dazu auf, die mutmaßliche Eskalation auf der Straße gegen Flüchtlinge sofort zu stoppen. „Soll es zu einem Kräftemessen zwischen der Polizei und dem Stadtteil kommen, nur weil der Senat eine politische Lösung und Gespräche mit den Flüchtlingen und ihrem Unterstützerkreis verweigert? Dieser Kurs ist verantwortungslos gegenüber den Polizistinnen und Polizisten und gegenüber den Flüchtlingen.“
Vergangenen Freitag hat die Polizei begonnen, die Identitäten der Afrikaner verstärkt zu überprüfen. Sie wurden überprüft und zur erkennungsdienstlichen Behandlung in Gewahrsam genommen. Sie wurden fotografiert, ihre Fingerabdrücke genommen und ihre persönlichen Daten gespeichert.
Bereits am Sonntagabend hatte es in der Roten Flora eine Vollversammlung zu den Ereignissen der vergangenen Tage gegeben. Von dort startete auch eine weitere Demonstration gegen "die harte Linie des Senats". Der Protestzug von bis zu 750 Personen zog von der Flora zur Reeperbahn und wieder zurück auf das Schulterblatt. Vereinzelt wurden Böller gezündet.
Kurz zuvor war bekannt geworden, dass Innensenator Michael Neumann keine Container-Unterkünfte für die sogenannten "Lampedusa"-Flüchtlinge auf dem Gelände der St.-Pauli-Kirche haben will. Wenn sich diese Menschen illegal in Hamburg aufhielten, dann könnten für sie auch keine Container aufgestellt werden, sagte der SPD-Politiker am Montag dem Sender NDR 90,3. Dies müsse auch die Kirche akzeptieren.