Mitarbeiter des Jugendnotdienstes klagen über unhaltbare Zustände wegen Überfüllung. Dolmetscher werden bedarfsabhängig beauftragt und eingesetzt.
Hamburg. Mit der steigenden Zahl an Flüchtlingen, die nach Hamburg kommen, nimmt auch die Menge an minderjährigen unbegleiteten Jugendlichen zu, gleichzeitig gibt es nicht genügend Unterbringungsmöglichkeiten. Der Kinder- und Jugendnotdienst des Landesbetriebs Erziehung und Beratung (LEB) an der Feuerbergstraße in Alsterdorf, wo die jungen Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Obhut genommen werden, ist jetzt am Rand seiner Kapazitäten. Weil es keine geeigneten Räume mehr gibt, werden Jugendliche in der Turnhalle untergebracht. Gerade hat die zuständige Sozialbehörde zwei Zelte zum Aufenthalt und zum Schlafen sowie einen Sanitärcontainer auf dem Gelände aufstellen lassen.
Viel zu tun scheint es für die jungen Flüchtlinge, die meisten von ihnen sind männlich, an diesem Vormittag nicht zu geben. Ein Teil von ihnen steht vor dem Gelände, ein Vater mit seiner Tochter auf den Schultern, ein Mann mit Hund gehen an ihnen über den kleinen Stichweg in Richtung Alsterdorfer Markt vorbei. Andere Jungs vertreiben sich ihre Zeit hinter dem Hauptgebäude mit Basketball und Fußballspielen. Seit Jahresbeginn sind 580 Kinder und Jugendliche vom Kinder- und Jugendnotdienst aufgenommen worden, die meisten von ihnen kommen aus Afghanistan (142), Ägypten (106) und Somalia (69). Davon waren 141 junge Menschen unter 16 Jahre und 439 von ihnen 16 bis 18 Jahre alt. Besonders in den vergangenen drei Monaten hat die Zahl der unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge zugenommen.
Landesbetrieb Erziehung und Beratung sucht Betreuungsplätze
Waren es im Juli 124 Flüchtlinge, ist diese Zahl im September auf 183 angestiegen. Der Landesbetrieb Erziehung und Beratung verfügt über drei Erstversorgungseinrichtungen für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge an den Standorten Jugendparkweg, Kollaustraße und an der Feuerbergstraße. „Die Soll-Plätze der Erstversorgungseinrichtung waren im Jahr 2013 – von einzelnen Tagen abgesehen – immer voll ausgelastet und gelegentlich sowie in den letzten zwei Wochen im vertretbaren Rahmen überbelegt“, heißt es in der Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. Doch was gilt als vertretbar? „Das sind hier unhaltbare Zustände“, heißt es aus Mitarbeiterkreisen. „Es ist ein Riesengewusel, wenn in einer Gruppe, in der eigentlich nur zwölf Jugendliche sind, mit 18 Jugendlichen gearbeitet werden muss.“ Eine sinnvolle Beschäftigung sei kaum möglich, seitdem die Sporthalle nicht genutzt werden kann, weil auch dort Jugendliche untergebracht sind.
„Hip-Hop, Ballspiele, das fällt aus.“ Wenn dann noch einige von ihnen gewalttätig werden, mache das die Arbeit mit der Gruppe noch schwerer. Regelmäßig müsse die Polizei gerufen werden. Die Arbeitsbelastung habe zugenommen, „alle sind gestresst – von der Putzfrau bis zum Sozialpädagogen. Für den einzelnen Jugendlichen bleibt kaum Zeit“. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus Hamburg, die aus familiären Gründen in die Unterbringung kommen, trete immer mehr in den Hintergrund.
Aktuell sind 117 Jugendliche, davon 96 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, auf dem Gelände Feuerbergstraße untergebracht. Rund 80 pädagogische Fachkräfte sowie fünf Sprach- und Kulturvermittler arbeiten derzeit vor Ort. Es gebe ein spezielles Team, das sich ausschließlich um Themen wie Aufenthaltsstatus oder Gesundheit kümmert. „Dieses Team steht den Mitarbeitern in der Betreuung für Fragen zur Verfügung“, sagt Marcel Schweitzer, Sprecher der zuständigen Sozialbehörde. Die Betreuungskräfte seien unter anderem in Länderkunde mit kulturellen Hintergründen geschult. Um allen zu betreuenden Jugendlichen gerecht zu werden, soll die Personalausstattung verstärkt werden: „Gegenwärtig gibt es laufende Einstellungsverfahren, mit denen geeignete Mitarbeiter gefunden werden“, sagt Schweitzer. Dolmetscher würden bedarfsabhängig beauftragt und eingesetzt.
Antje Möller, Sprecherin für Innen- und Flüchtlingspolitik der grünen Bürgerschaftsfraktion, kritisiert die Unterbringung der jungen Menschen in Zelten: „Seit drei Monaten zeichnet sich der verstärkte Zulauf beim Kinder- und Jugendnotdienst ab, nun zum Winter hin mit Zelten für die Unterbringung von Jugendlichen oder sogar Kindern zu reagieren halte ich für untragbar. Schnellstmöglich müssen mehr Plätze in der Folgeunterbringung geschaffen werden, und auch für die Erstversorgung in einem festen Haus muss gesorgt werden. Mir stellt sich die Frage, wieso für die unbegleiteten Minderjährigen hier nicht vorausschauend mit den Trägern der Ausbau der betreuten Plätze realisiert werden konnte.“
Der Landesbetrieb Erziehung und Beratung sucht Betreuungsplätze für die sogenannten Anschlusshilfen. Schweitzer: „So entstehen Einrichtungen in Groß Borstel mit 18 Plätzen und in Harburg mit zehn Plätzen. In weiteren Stadtteilen entstehen kleinere Einheiten mit zwei oder drei Plätzen. Im Bau befinden sich Objekte mit rund 30 Plätzen, die je nach Entwicklung ebenfalls im Schwerpunkt für junge Flüchtlinge genutzt werden können.“