Auch die letzte Nacht des Reeperbahn Festivals steckte voller Kontraste. Und die Veranstalter freuten sich schon am Nachmittag: Da war die erwartete Besucherzahl von 28.000 bereits erreicht.

Hamburg. In der Nacht zu Sonntag ist das Reeperbahn Festival auf St. Pauli - unter anderem mit Konzerten der Singer-Songwriterin Birdy, der Hip-Hopper Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi sowie mit diversen After-Show-Partys zu Ende gegangen. Und das Gefühl der viertägigen Club-Sause fasste Moderator Ray Cokes bei seiner Revue im Schmidt Theater am späten Sonnabendnachmittag bereits bestens zusammen: "Das war eine ganz schöne Achterbahn-Fahrt in den vergangenen Tagen!" Und zwar eine mit diesem besonderen "Hamburg-Feeling", wegen dem er sich an der Elbe so zu Hause fühle.

Die Stadt und ihre Besucher wiederum gaben Cokes das Kompliment doppelt und dreifach zurück: Die Schlange der Festivalgänger, die seine Show besuchen wollten, reichte bis zur Esso-Tanke. Das viel strapazierte Wort Kult trifft auf diese Stunde gepflegten Wahnsinns mehr als zu.

Cokes stellte nicht nur vier Bands vor, etwa das orchestral aufspielende Folk-Kollektiv Charity Children aus Neuseeland, dem Iran, Australien und Deutschland. Er suchte sich im Publikum auch wieder sein obligatorisches Bar-Personal. Und er platzierte einen treuen Fan, den er im vergangenen Jahr bereits zu seinem persönlichen Jesus ernannt hatte, als Maskottchen neben sich auf dem Bühnen-Sofa. Für das fünfte Jubiläum seiner Reeperbahn-Revue gab's zudem ein Überraschungsständchen der Polka-Ska-Formation Bazzookas sowie eine Torte.

Schwer angesagt war am Sonnabendmittag auch der Showcase des Hamburger Labels Audiolith, das in der Molotow-Bar unter anderem die Punk-Combo Feine Sahne Fischfilet präsentierte. Frühzeitiger Ausnahmezustand herrschte da in dem kleinen Laden am Spielbudenplatz.

Doch nicht nur lokale, auch zahlreiche internationale Vertreter der Musikbranche nutzten das Festival, um ihre Künstler ins Rampenlicht zu rücken. Bands aus 27 Ländern spielten in mehr als 70 Locations rund um den Kiez auf. Und beim Driften von Club zu Club bot sich ein hübsches Kontrastprogramm.

So ließ sich etwa im Gruenspan Mark und Bein erschüttern beim Auftritt von Viktor & The Blood, einem stylisch in Anzüge gehüllten Trio aus Schweden, das sich aus Mitgliedern von Sugarplum Fairy und Mando Diao zusammen setzt. Und das einen knackigen, melodiösen Mix aus Hard- und Garage-Rock intonierte.

In ganz andere Sphären entführte da der Moskauer Pianist Misha Mishenko mit seinen von isländischen Landschaften inspirierten Kompositionen. Auf Sitzkissen und Stühlen hockte da ein - das muss lobend erwähnt werden - mucksmäuschenstill lauschendes Publikum im altehrwürdigen Schulmuseum in der Seilerstraße. Eine neue Location des Festivals, die ein großer Gewinn ist.

Nach einem nostalgischen, energiegeladenen wie grandiosen Konzert der Indie-Heroen Build To Spill in der Großen Freiheit ging es dann auf die MS Claudia auf der Elbe, wo das kanadische Quintett Rah Rah seinen bereits dritten Gig dieses letzten Festivaltages spielte.

"Das ist das mit Abstand Verrückteste, was wir je gemacht haben", sagte die Band über die konzertante Bootstour, um im Anschluss mit ihren Songs an Schlagzeug, Gitarre, Geige und Keyboard die dicht gedrängte Menge auf der kleinen Barkasse zu euphorisieren. Eine Achterbahn-Fahrt, in der Tat.