Bürgermeister Olaf Scholz will sich nun mit „bester Bewerbung der Stadt“ um Stromkonzession bewerben. CDU und FDP sehen Entscheidung als Niederlage für den Senatschefs.
Hamburg Die Bürgerschaft hat am Mittwoch die ersten Schritte zur Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids zum Rückkauf der Energienetze beschlossen. Mit einem Antrag der SPD-Fraktion wurde der Senat aufgefordert, zunächst zu prüfen, ob man die fehlenden 74,9 Prozent an den Netzen von Vattenfall und E.on zukaufen kann. Falls das nicht möglich sei, solle die bisherige 25,1-Prozent-Beteiligung der Stadt an den Netzen rückabgewickelt werden. Zudem solle zügig eine Netzgesellschaft gegründet und eine Bewerbung um die Stromkonzession vorbereitet werden, die bis zum 15. Januar 2014 eingereicht werden muss.
In der Aktuellen Stunde hatte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zuvor bekräftigt, dass sein Senat den Volksentscheid mit aller Kraft umsetzen werde. „Ich bin ein großer Anhänger der Volksgesetzgebung. Wenn entschieden ist, müssen sich alle daran halten“, sagte Scholz. Der Senat werde die Unternehmen fragen, ob die ihre Anteile verkaufen und falls diese ablehnen die Verträge rückabwickeln. Danach werde sich die Stadt auf die Bewerbung um die Stromkonzession mit der neuen städtischen Netzgesellschaft vorbereiten. „Wir wollen eine Bewerbung abgeben, die so gut ist, dass keine Behörde irgendwo in Deutschland sie ablehnen könnte“, sagte Scholz. Ziel sei es „die beste Bewerbung in Hamburg abzugeben“, so der Bürgermeister. Zudem werde der Senat sicherstellen, dass die betroffenen Arbeitnehmer, die derzeit noch für Vattenfall und E.on arbeiten “eine gute Perspektive auch in der Zukunft haben“.
Dass das zum Volksentscheid geschmiedete Bündnis zwischen SPD, CDU und FDP bereits wieder aufgekündigt ist, zeigte sich bei der Rede von CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich. „Die SPD und Olaf Scholz sind mit ihrer Energiepolitik in Hamburg gescheitert“, sagte Wersich. „Statt in die Energiewende hat uns die Politik von Olaf Scholz ins Energiechaos geführt.“ Es räche sich, dass auch die SPD über die Jahre immer mehr Staat gefordert habe. Die 25,1-Prozent-Beteiligung des Scholz-Senates habe die Menschen nicht überzeugt. „Wer in Gefahr und großer Not den Mittelweg geht, findet sicher den Tod“, sagte Wersich. „Die SPD ist an den eigenen Wählern gescheitert.“
Zugleich warf Wersich Scholz vor, mit öffentlichen Äußerungen den Eindruck zu erwecken, als werde die Konzession nun in jedem Fall an die neue städtische Gesellschaft gehen. Das widerspreche der Rechtslage, die eine diskriminierungsfreie Vergabe verlange, so Wersich. „Sie liefern schon heute die Begründung, warum unterlegene Mitbewerber vor Gericht ziehen“, sagte Wersich. Bei der Umsetzung des Volksentscheides dürfe es kein „alternativloses Hauruckverfahren“ geben. „Wir bieten unsere Zusammenarbeit an“, so Wersich. „Wir werden aber nicht einer selbstherrlichen SPD wieder die Kohlen aus dem Feuer holen.“
Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan bemühte sich, nach Wochen harter polemischer Auseinandersetzung die Wogen zu glätten. „Die Grünen bieten ihre konstruktive Mitarbeit an, um die Spaltung der Stadt in dieser wichtigen Frage zu überwinden“, so Kerstan. „Es ist aber nicht anständig von der CDU, jetzt einzig der SPD die Verantwortung zuzuschieben und weiter Stimmung zu machen.“ Die Grünen begrüßten es ausdrücklich, dass die SPD sich jetzt auf den Weg macht, den Entscheid umzusetzen. „Wir Grünen wissen, wie es ist, einen Volksentscheid zu verlieren und das Gegenteil von dem umsetzen zu müssen, was man gewollt hat“. Nun aber könne dieser Prozess nur von allen gemeinsam zum Erfolg geführt werden.
Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn nannte den Volksentscheid einen „großen Erfolg für die Demokratie“. Obwohl die Gegner des Netzrückkaufs sehr viel mehr Geld zur Verfügung gehabt hätten, habe sich die Initiative durchgesetzt. Nun sei eine „Befriedung der Lage nötig“. Heyenns Parteifreund Norbert Hackbusch lobte den Bürgermeister. „Das ist die richtige Art und Weise, damit umzugehen. Wir werden diesen Weg unterstützen“, so Hackbusch. Der CDU attestiert er ein „Demokratiedefizit“. Besonders froh sei er darüber, dass der Volksentscheid gezeigt habe: „Geld regiert nicht immer die Welt.“
FDP-Fraktionschefin Katja Suding forderte den Senat auf „mit dem Votum vernünftig umzugehen“. Die FDP werde dies „konstruktiv unterstützten“. Das Ergebnis sei vor allem eine Niederlage für Bürgermeister Scholz. „Eine breitere Unterstützung hat man sich kaum vorstellen können. Dass es nicht geholfen hat, hat vor allem mit der inkonsequenten Haltung des Bürgermeisters zu tun“, so Suding. Die Hamburger hätten die 25-Prozent-Variante nicht verstanden. „Energiepolitisch steht der Senat nun mit leeren Händen da.“ Suding regte an, die Ausgestaltung von Volksentscheiden noch einmal zu analysieren. „Irreführende und vage Fragestellungen bieten großes Potential für Frust und Politikverdrossenheit“, so Suding. Daher solle man über eine „Weiterentwicklung des Gesetzes nachdenken“.
SPD-Fraktionschef Andreas Dressel wies diese Forderung zurück. Sie drei Tage nach einer Niederlage beim Volksentscheid zu erheben, sei „nicht okay“. Dressel gratulierte der Initiative zu ihrem Sieg. „Anlass für Triumphgeheul oder Schuldzuweisungen gibt es aber nicht. Die Lager waren fast gleichauf.“ Man werde jetzt mit allen Seiten reden, so Dressel. „Wir vertrauen dem Bürgermeister dieses Konzessionsverfahren an – und wir werden es parlamentarisch intensiv begleiten.“