Die Bürger haben dem Senat und dem Energiekonzern die rote Karte gezeigt. Olaf Scholz will sich beugen, Vattenfall sieht noch eine Chance.
Hamburg. Manfred Braasch holte ganz groß aus: „Das ist ein Meilenstein für die direkte Demokratie, weil wir die Mehrheit in Hamburg hinter uns haben – trotz massiver Medienkampagne mit millionenschwerer Anzeigenkampagne und einem Bündnis aus Wirtschaft und Politik.“
Für die Initiative Unser Hamburg – unser Netz “ hat er beim Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze einen unerwarteten Erfolg eingefahren. „Wir haben vor drei Jahren angefangen mit einem klaren Auftrag an Bürgerschaft und Senat, die Netze zurückzukaufen. Dafür haben wir heute in Hamburg eine Mehrheit bekommen. Wir erwarten, dass dieser klare politische Auftrag auch umgesetzt wird."
Da braucht er kein Sorge zu haben. Denn der unterlegene Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, sich an den Bürgerwillen zu halten.
Erstaunlich beim Volksentscheid ist, dass vor allem die citynahen Stadtteile sich für den Rückkauf aussprachen, mit Ausnahme von Harvestehude und Uhlenhorst. An den Rändern leben die meisten Rückkaufgegner.
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Der Energiekonzern Vattenfall rechnet sich gute Chancen aus, die Konzession für das Stromnetz wieder zu bekommen. „Wir nehmen das Votum der Hamburger mit Respekt zur Kenntnis“, sagte der deutsche Vattenfall-Chef Tuomo Hatakka in der Nacht zu Montag.
„Unabhängig vom Volksentscheid wird die Stromnetz Hamburg GmbH in den kommenden Wochen mit Hochdruck die Bewerbungsunterlagen für das Konzessionsvergabeverfahren vorbereiten.“ Die Vattenfall-Mitarbeiter hätten in den vergangenen Jahren hervorragende Arbeit geleistet. Das zeige auch die hohe Versorgungssicherheit in Hamburg.
Nach Auszählung fast aller Wahlbezirke beim Hamburger Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze hat sich die knappe Mehrheit der Befürworter von 50,9 Prozent weiter gefestigt. Wie die Auszählung von 1677 der 1686 Wahlbezirke ergab, entschieden sich die Hamburger für den vollständigen Rückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze.
Am frühen Montagmorgen kamen die Befürworter auf 440.690 Stimmen, was 50,9 Prozent entspricht. Mit der Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses wird im Laufe des Montags gerechnet.
Bürgermeister Scholz sagte: „Volksentscheide sind Abstimmungen über Sachfragen, und in dieser Frage hat das Volk anders entschieden als Senat und Bürgerschaft zuvor.“
Die Hamburger hätten sich für den vollständigen Rückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze entschieden. „Diesem Votum sieht sich der Senat verpflichtet.“ Er werde den Volksentscheid nicht ins Leere laufen lassen. „Der Senat hält seine Zusagen ein“, betonte er.
Hamburgs SPD-Fraktionschef Andreas Dressel hat die Niederlage der Rekommunalisierungsgegner beim Volksentscheid eingeräumt. „Mehrheit ist Mehrheit und wir sind gute Demokraten. Deshalb werden wir uns selbstverständlich daran halten“, sagte Dressel. Er gratuliere der Initiative „Unser Hamburg – unser Netz“.
Hamburgs Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD) sieht in einer Niederlage der Rekommunalisierungsgegner beim Volksentscheid keine Niederlage für den Senat. „Ein Rückschlag für den Hamburger Senat ist das nicht“, sagte Blankau. Es sei klar gewesen, dass es in dieser Frage zwei deutlich abweichende Auffassungen in der Stadt gebe – es hätte daher auch knapp anders ausgehen können.
„Das ist kein guter Tag für die Zukunft unseres Standorts“, sagte Michael Westhagemann, Vorsitzender des Industrieverbands Hamburg (IVH) und Sprecher für das Aktionsbündnis gegen den Rückkauf aus 15 Kammern, Verbänden und Vereinen. Auf Hamburg werde nun eine lange und riskante Phase mit Planungsunsicherheit zukommen.
Er erwarte langwierige politische und juristische Verfahren und möglicherweise negative Auswirkungen auf das allgemeine Investitionsklima in der Stadt.
Auch das Hamburger Handwerk erklärte, es sehe diese Entscheidung mit großer Sorge. „Nach dem Volksentscheid bleibt völlig unsicher, ob die Stadt Hamburg die anstehende Ausschreibung gewinnen und die Netze zurückkaufen kann“, sagte Josef Katzer, Präsident der Handwerkskammer. Die Wirtschaft sei aber auf verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen.