Im Newsroom diskutierten Chefredakteur Lars Haider und Redakteurin Vanessa Seifert mit ihren Gästen die Ergebnisse. Hauptthema der einstündigen Sendung: das historische Scheitern der Liberalen
„Es ist ein Desaster, eine historische Niederlage.“ Auch für die Hamburger FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding gibt es nichts zu beschönigen am Scheitern der Liberalen, die es zum ersten Mal seit 1949 nicht in den Bundestag geschafft haben: „Uns ist es nicht gelungen, die Erwartungen unserer Wähler zu erfüllen. Und wir hatten sicherlich auch nicht das richtige Personal.“ Es sei eindeutig „eine ganze Menge schiefgelaufen“.
Für die frühere Partei- und Fraktionsvorsitzende der Grünen, Krista Sager, ist das Aus der Liberalen „kein Schock“, wie sie in der einstündigen Abendblatt-Wahlsendung sagte, die live im Internet übertragen wurde. „Die Wähler wollen Angela Merkel, aber nicht mehr die schwarz-gelbe Regierung“, so Krista Sager. Mit der Erfahrung der Grünen, die schon einmal aus dem Bundestag rausgefallen sind, könne sie der FDP nur raten: „Um wieder auf die Beine zu kommen, braucht man eine starke inhaltliche Mission und nicht nur ein oder zwei Stars, sondern personellen Unterbau.“ Der nordrhein-westfälische FDP-Fraktionschef Christian Lindner könne jetzt „auch nicht alles allein reißen“. Katja Suding entgegnete, ihre Partei werde „in die schonungslose Analyse“ gehen.
Obwohl der Juniorpartner abhanden gekommen ist, zeigte sich CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich in der Runde sehr zufrieden: „Die Freude überwiegt ganz klar. Unser Ergebnis – das beste seit der Deutschen Einheit– bestätigt eindrucksvoll die Politik der Bundeskanzlerin.“
Es sei Angela Merkel außerordentlich gut gelungen, merkte Altbürgermeister Ortwin Runde (SPD) an, „alle Schuld auf die FDP-Minister zu laden“. Mit dieser Strategie sei ihr „ein wahres Wunder“ gelungen. Runde, der in Hamburg von 1997 bis 2001 regierte, wünschte der CDU die absolute Mehrheit: „Dann kann Frau Merkel ihre ganze Führungsverantwortung zeigen.“ Das Abschneiden der eigenen Partei empfand der Sozialdemokrat als „nicht befriedigend“: „Es ist aus meiner Sicht vor allem das Ergebnis einer Oppositionspolitik, die nicht profiliert genug war.“ Dora Heyenn, Fraktionsvorsitzende der Linken, war enttäuscht, dass sich die Hoffnung auf ein zweistelliges Ergebnis nicht erfüllt hat. „Dennoch haben wir uns als soziales Gewissen dieses Landes fest in der Parteienlandschaft etabliert.“ Auch die Grünen hatten eher mit einem Ergebnis von 13 bis 14 Prozent gerechnet, wie Krista Sager zugab. „Die sexualpolitischen Verirrungen der 1980er-Jahre, der als Bevormundung interpretierte Veggieday und auch die Zuspitzung auf die Kanzlerfrage haben uns Stimmen gekostet“, analysierte Krista Sager selbstkritisch. Es sei bedauerlich, dass die Grünen es nicht geschafft hätten, Inhalte wie die Energiewende „nach vorne zu kriegen“.
CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich gab zu, dass er nach der Nominierung Peer Steinbrücks zum Kanzlerkandidaten zunächst „doch etwas Angst“ hatte: „Die Strategie war ja offensichtlich, programmatisch mit Rot-Grün zwar nach links zu rücken, aber doch einen Kandidaten aufzustellen, der in die Mitte der Gesellschaft hineinwirkt.“ Im Laufe des alles andere als pannenfreien Wahlkampfes von Peer Steinbrück habe sich die Sorge jedoch schnell gelegt, so Wersich.
Thema in der Runde war auch das Ergebnis der eurokritischen Alternative für Deutschland des Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, die offenbar sowohl Wähler aus dem Lager der FDP als auch aus der Klientel der Linkspartei angezogen hat. „Da sehe ich höchstens das Versäumnis, dass wir uns als FDP nicht noch stärker pro Europa positioniert haben“, sagte Suding. Für Dora Heyenn ist die Politikverdrossenheit ein großes Problem: „Das sieht man auch wieder an der Wahlbeteiligung.“