Bürgermeister sieht große finanzielle Risiken, sollte sich die Initiative beim Volksentscheid am Sonntag durchsetzen
Hamburg. Drei Tage vor dem Volksentscheid über den Rückkauf der Energienetze hat Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vor den juristischen Folgen gewarnt. „Meine Vermutung ist: Wir würden uns statt mit der Energiewende das ganze restliche Jahrzehnt mit Prozessen beschäftigen“, sagte Scholz im Interview mit dem Hamburger Abendblatt.
Wenn die Stadt die Strom-, Gas- und Fernwärmenetze in eigene Regie übernehmen sollte, erwartet der SPD-Politiker, dass die jetzigen Betreiber Vattenfall und E.on dagegen klagen werden. „Dann wird es außerdem Streit über die Höhe des Kaufpreises geben“, sagte Scholz. „Das ist einer der Gründe, warum ich gesagt habe: Es ist besser, mit den Unternehmen hart zu verhandeln und so zu einem guten Ergebnis zu kommen, als den Weg über die Gerichte zu gehen“, sagte der Bürgermeister. Am Sonntag entscheiden die Hamburger parallel zur Bundestagswahl per Volksentscheid darüber, ob der Senat aufgefordert werden soll, „alle notwendigen und zulässigen Schritte“ zu unternehmen, um die Energienetze zu 100 Prozent zu erwerben. Scholz und die allein regierende SPD halten dagegen eine Minderheitsbeteiligung für ausreichend, um Einfluss auf Vattenfall und E.on mit Blick auf die Energiewende auszuüben. Hamburg hat inzwischen 25,1 Prozent der drei Netze für 543 Millionen Euro erworben.
Eindringlich warnte Scholz vor den wirtschaftlichen Risiken des kompletten Netze-Rückkaufs, der voraussichtlich rund zwei Milliarden Euro kosten wird. „Diejenigen, die mit dem Betrieb der Netze Geld verdienen, haben deswegen Erfolg, weil sie für den Kauf keine Kredite aufnehmen müssen, sondern aus eigenem Anlagevermögen investieren können“, sagte der Bürgermeister. „Aber wir haben das Geld nicht auf der Bank, wir nehmen es von der Bank und müssen dafür Zinsen zahlen.“ Die Gefahr sei groß, dass „die schmale Differenz zwischen zu zahlenden Zinsen und den Dividenden wegschmilzt und man in die roten Zahlen rutscht“.
Außerdem werde der Strom durch den Netze-Rückkauf nicht billiger. „Wir erhalten auch die HEW nicht zurück. Jeder Wahlberechtigte sollte sich deshalb im Wahllokal fragen, ob es sinnvoll ist, zwei Milliarden Euro auszugeben, um im Wesentlichen Rohre und Kabel zu bekommen“, sagte der Bürgermeister. Außerdem solle sich jeder fragen, ob es klug sei, sich in ein kompliziertes Vergabeverfahren um die Netz-Konzessionen zu begeben, obwohl andere den Job schon länger machen und unbestritten gut können.
Scholz verteidigte die aufwendige Werbekampagne von Vattenfall gegen den Netze-Rückkauf. „Wenn man für Volksentscheide ist, muss man auch dafür sein, dass wie Befürworter und Gegner sich auch die Betroffenen selbst zu Wort melden dürfen“, sagte der SPD-Politiker.