Die Handelskammer Hamburg hat mit weiteren Gegnern der Rekommunalisierung der Energienetze eine sogenannte Hamburger Erklärung unterzeichnet. Diese sorgt jetzt für einen großen Streit.
Hamburg. Je näher der Volksentscheid um den Rückkauf der Energienetze rückt, desto erbitterter kämpfen Befürworter und Gegner für ihre jeweilige Position. Jetzt sorgt eine von den Rückkaufsgegnern veröffentlichte „Hamburger Erklärung“ für einen Riesenstreit. Die Hamburger Grünen sprechen in diesem Zusammenhang sogar von Missachtung eines Richterspruchs.
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Hintergrund: Die Gegner der Rekommunalisierung der Hamburger Energienetze haben eine sogenannte „Hamburger Erklärung“ veröffentlicht, in der sie sich gegen den 100 prozentigen Rückkauf der Netze aussprechen. Das von 15 Organisationen und Verbänden unterstützte Papier sei inzwischen auch vom Plenum der Handelskammer – dem Parlament der Hamburger Wirtschaft – abgesegnet worden. SPD, CDU und FDP, ebenfalls Gegner einer Rekommunalisierung, begrüßten die Erklärung. Darin heißt es unter anderem: „Wir sind dagegen, mehr als zwei Milliarden Euro Schulden zu machen für den Kauf von Strom-, Gas- und Fernwärmenetzen.“ Hamburg habe Wichtigeres zu tun: die Modernisierung der Straßen, Brücken und Wasserwege sowie Aufwendungen für Hochschulen, Schulen und Kitaplätze. „Deshalb sagen wir: Nein zum Netzkauf!“
Das bringt nicht nicht zur die Initiatoren des Volksentscheides „Unser Hamburg – Unser Netz“ auf die Palme, sondern auch die Hamburger Grünen. In einer Pressemeldung der Grünen heißt es: „Die Handelskammer Hamburg missachtet die geltende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, indem sie in eindeutig unzulässiger Weise mit der ,Hamburger Erklärung‘ Partei gegen den Netzrückkauf nimmt (BVerwG 8 C 20.09). Das Gericht urteilt eindeutig, dass eine Kammer in ihrer Stellung ‚das höchstmögliche Maß an Objektivität‘ wahren müsse. Die so genannte sogenannte ,Hamburger Erklärung‘ ist alles andere objektiv, wenn sie durch den Netzrückkauf ,die Zukunft unserer Kinder‘ in Gefahr sieht oder behauptet, dass Hamburg bei einem Netzrückkauf ,an Lebensqualität‘ verlieren würde. Zudem pocht das Gericht auch eindeutig auf die Darstellung von Minderheitenpositionen.“
Die Grünen fordern von der Kammer, sich aus dem Bündnis zurückzuziehen. „Es hat im Plenum der Hamburger Handelskammer erheblichen Widerstand gegen die Formulierungen der ,Hamburger Erklärung‘ gegeben. Das ist bemerkenswert, weil unüblich. Wir und viele Hamburger Unternehmer erwarten von einer Körperschaft öffentlichen Rechts, dass sie sich an Recht und Gesetz hält und dass sie Stellungnahme zu politisch umstrittenen Themen entsprechend ausgewogen und objektiv formuliert“, sagte Anjes Tjarks, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. Er sieht im handeln der Kammer einen Fall für die Aufsichtsbehörde. „Die Kammer hat hier eindeutig ihr Mandat überschritten. Wegen der Zwangsmitgliedschaft kann die Kammer nicht agieren wie ein Lobby-Verband. Sie sollte sich aus dem Nein-Bündnis zurückziehen“, so Tjarks. Die Grünen seien sich sicher, dass viele Unternehmer in Hamburg es nicht wollen, dass die Kammer als verlängerter Arm von Vattenfall und E.on agiere.
Auch das Bündnis „Unser Hamburg – Unser Netz“ ist empört. Sie nennen die Hamburger Erklärung eine „Zumutung für die Hamburger Wähler“. Es werde erneut mit der mit der Behauptung, dass mit den Geld für den Netzkauf „Wichtigeres“ wie die „Modernisierung unserer Straßen, Brücken und Wasserwege sowie Aufwendungen für Hochschulen, Schulen und Kitaplätze“ finanziert werden sollte, auf Stimmenfang gegangen, so die Initiative.
„Es ist bedauerlich, dass die Gegenseite wiederholt einen derart falschen Kontext bemüht und Ängste schürt. Die Handelskammer als Motor der ganzen Veranstaltung behauptet zudem, für 180.000 Hamburger Unternehmen zu sprechen. Auch dies ist falsch, es mehren sich kritische Stimmen zum Vorgehen der Handelskammer“, sagte Manfred Braasch, Vertrauensperson von „Unser Hamburg – unser Netz“. Bei der Rücknahme der Energienetze komme es zu einer Kreditaufnahme nach dem gleichen Konstrukt, das bereits der Hamburger Senat für seine 25,1 prozentige Beteiligung an Vattenfall und E.on genutzt hat. Dieses Konstrukt ist nach Aussage des Senates „haushaltsneutral“ (Drucksache 20/2392, Seite 5). Es seien keine Haushaltsmittel, die für die Alternativen Kita oder Netze bereit liegen. Es sei vielmehr ein Kredit für die gezielte Übernahme von drei Wirtschaftsbetrieben mit auskömmlichen Renditen. Wie auskömmlich Netzbetriebe sind, habe erst im März 2013 der Präsident der Bundesnetzagentur hervorgehoben. Demzufolge hätten die zehn größten Verteilnetzbetreiber in 2010 zwischen 10 - 25 Prozent Rendite erwirtschaftet.