Ökologisch falsch und wirtschaftlich fragwürdig: Ein Gutachten der Berliner LBD-Beratungsgesellschaft lässt kein gutes Haar an der 25,1 -Prozent-Beteiligung Hamburgs am Vattenfall-Fernwärmenetz.

Hamburg. Beim Kauf der 25,1 Prozent am Hamburger Fernwärmenetz hat der SPD-Senat laut einer Studie Fehler mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen gemacht. Die Stadt habe die Angaben Vattenfalls zum Wert des Unternehmens nie überprüft und sich allein auf die Angaben des Energiekonzerns verlassen, sagte Ben Schlemmermeier von der Berliner LBD-Beratungsgesellschaft am Freitag in Hamburg. Gleichwohl habe sie für ihren 25,1-Prozent-Anteil rund 325 Millionen Euro bezahlt und getan, was Vattenfall selbst bei einem Firmenkauf nie zulassen würde. „Niemand würde mehr als 300 Millionen Euro in die Fernwärme investieren ohne bis in die letzte Schraube geprüft zu haben, ob das Unternehmen das überhaupt wert ist.“

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Die LBD-Beratungsgesellschaft – sie berät nach eigenen Angaben vor allem Versorgungsunternehmen und Stadtwerke – hat ihr Gutachten im Auftrag der Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“ erstellt, die für eine vollständige Rekommunalisierung der Netze ist. Am 22. September können Hamburgs Bürger in einem Volksentscheid darüber befinden, ob die Strom-, Gas- und Fernwärmenetze wieder ganz in die öffentliche Hand übergehen sollen. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) setzt dem sein 25,1-Prozent-Modell entgegen. Das gibt der Stadt seiner Ansicht nach bei Vattenfall und Eon genug Einfluss beim Klimaschutz und sei außerdem deutlich billiger als die mutmaßlich zwei Milliarden Euro für den vollständigen Rückkauf der Netze.

Der Unternehmenswert allein für die Fernwärme sei sehr hoch angesetzt, sagte Schlemmermeier. Hochgerechnet ergäbe er rund 1,3 Milliarden Euro. Grund hierfür seien hohe Gewinne, entstanden durch niedrige Kosten wegen des Verbrennens billiger Kohle, entstanden durch eine hohe Abnahmedichte mit 450 000 Nutzeinheiten und entstanden durch weitgehend abgeschriebene Anlagen. Unklar sei jedoch: Wurde die Zukunft des Unternehmens in der Wertermittlung berücksichtigt? Denn da sei viel zu tun. „Man kann sagen, dass das Unternehmen ökologisch ein Sanierungsfall ist, ökonomisch aber eine Gelddruckmaschine“, sagte Schlemmermeier. Sollte etwa das Ziel einer kohlendioxidarmen beziehungsweise irgendwann -freien Welt nicht berücksichtigt worden sein, „dann ist das Unternehmen zu hoch bewertet“.

Anders als Bürgermeister Scholz sieht das Gutachten auch einen erheblichen Interessenkonflikt zwischen der Stadt und Vattenfall. Nachvollziehbarerweise wolle der Energiekonzern weiter Gewinne machen. Dem stünden aber klimapolitische Ziele der Stadt gegenüber, welche Hamburg nun nur schwer umsetzen könne, da die Hansestadt gleichzeitig auf die künftigen Ausschüttungen des Unternehmens angewiesen sei. Die Gutachter schlagen deshalb stattdessen vor, im Zuge der Konzessionsvergabe zunächst den klimapolitischen Rahmen gesetzlich festzulegen, dann das Unternehmen auf dieser Basis zu bewerten und zuletzt – sofern man überhaupt mit einem Partner zusammenarbeiten will – die gemeinsamen Ziele zu bestimmen.

Einwände des SPD-Senats und der Rückkaufgegner, das Risiko von Verlusten sei bei einem städtischen Betreiber sehr hoch, wies Schlemmermeier zurück. „Im Netzbetrieb macht keiner Verlust. Das Regulierungssystem ist Kosten plus Gewinn.“ Verluste gebe es im Erzeugungsbereich und dort bei jenen, die in den vergangenen Jahren etwa in große Kohlekraftwerke investiert haben. Im übrigen halte er die Hamburger Debatte für ein Stück weit befremdlich: „Wenn Sie eine Befragung unter den 800 Bürgermeistern in Deutschland machen würden, die eigene Stadtwerke haben, und sie fragen, warum haben Sie denn ein Stadtwerk, dann werden 800 Bürgermeister Ihnen sagen, weil wir damit Gewinne erzielen.“