In den kommenden Wochen dürfte es in den Hamburger Flüchtlingsheimen noch einmal enger werden. Knapp 130 Flüchtlinge aus Syrien werden in der Hansestadt erwartet.

In den Flüchtlingsheimen und Wohnunterkünften der Hansestadt dürfte es noch einmal enger werden: In den kommenden Wochen werden knapp 130 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien in der Hansestadt erwartet. Es sind Menschen, die vor den gewaltsamen Auseinandersetzungen in ihrem Land in Flüchtlingslager im Libanon geflohen sind und nun vorübergehend eine neue Heimat suchen.

Die Bundesregierung hatte zugesagt, bis zu 5000 Syrer für die Zeit des Konflikts aufzunehmen; nach dem Königsteiner Schlüssel zur Verteilung auf die Bundesländer kommen 127 von ihnen nach Hamburg.

Viele der Menschen haben wegen des Bürgerkriegs in den vergangenen Monaten und Jahren Schreckliches durchlebt. Es sind Kinder mit ihren Eltern, alleinstehende Frauen, Flüchtlinge, die eine besondere medizinische Versorgung benötigen oder die wegen ihrer Religion verfolgt werden.

Ihre bevorstehende Ankunft wirft aber auch ein Schlaglicht auf die sich verschärfende Flüchtlingsproblematik in der Hansestadt. Genauer: auf die gewaltigen Schwierigkeiten der Behörden, die steigende Zahl der Menschen in Heimen oder Wohnungen halbwegs angemessen unterzubringen.

Erst in dieser Woche gab das Statistikamt Nord die neuesten Zahlen bekannt: Im vergangenen Jahr erhielten in der Hansestadt 7638 Asylbewerber und Flüchtlinge staatliche Leistungen – neun Prozent mehr als 2011 und 14 Prozent mehr als 2009. Die Zuwanderungszahlen sind auch im laufenden Jahr weiterhin hoch, heißt es aus der Sozialbehörde, und werden „voraussichtlich deutlich über dem Niveau des Vorjahres liegen“.

Erst rund 500 der anvisierten 1000 Plätze gefunden

Ende 2011 hatte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) angesichts des wachsenden Stroms von Asylbewerbern, Bürgerkriegs- und Armutsflüchtlingen das ehrgeizige Ziel verkündet, in den Bezirken 1000 zusätzliche Unterbringungsplätze zu schaffen und an die Solidarität der Hamburger appelliert.

Das Ziel erwies sich als zu ehrgeizig. Bis heute sind erst rund 500 der anvisierten 1000 Plätze gefunden. Und auch wenn der Plan erst zur Hälfte erfüllt ist, hat die Sozialbehörde kürzlich noch einmal nachgelegt und die angepeilte Zahl fast verdoppelt.

Nun sollen bis Ende 2014 insgesamt 1900 zusätzliche Plätze gefunden werden. Auch die Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen die Flüchtlinge die ersten drei Monate verbringen, werden stark ausgebaut. Rund 70 Millionen Euro soll die Bürgerschaft dafür insgesamt in diesem und im kommenden Jahr zusätzlich zur Verfügung stellen.

Die vorhandenen Unterkünfte, sagte Scheele, hätten ihre Kapazitätsgrenzen längst erreicht. Man arbeite „mit Hochdruck“ daran, neue Standorte zu suchen. Dabei nimmt man auch bessergestellte Stadtteile ins Visier wie Volksdorf, Rissen oder Sülldorf.

Widerstand der Anwohner gegen Flüchtlingslager

Doch für Senat und Bezirke ist es nicht nur schwer, geeignete Flächen und Immobilien zu finden, sondern vor allem auch, die Flüchtlinge dort dann tatsächlich unterzubringen. Denn wenn es irgendwo konkret wird, entbrennt oft der Widerstand der Anwohner und Geschäftstreibenden.

Gerade erst hat das Oberverwaltungsgericht den Plänen, am Offakamp in Lokstedt auf dem Gelände eines ehemaligen Recyclinghofs ein Flüchtlingslager zu errichten, ein endgültiges Ende gesetzt. Geklagt hatte eine Schweizer Geschäftsfrau, der ein anliegendes Grundstück gehört.

Jetzt sucht das Bezirksamt fieberhaft nach einem Ersatzstandort. Doch schon droht in Billstedt die nächste Klage. Auf dem Gelände einer ehemaligen Schule am Oststeinbeker Weg soll eine Unterkunft für 60 Flüchtlinge entstehen. Nach einem 530.000 Euro teuren Umbau sollten im September die ersten Familien einziehen. Aber auch hier wehrt sich eine Bürgerinitiative dagegen, in dem ohnehin sehr belasteten Stadtteil weitere Flüchtlinge als Nachbarn zu bekommen – und will rechtlich dagegen vorgehen.

Herausforderung für den Senat

Die Unterbringung der knapp 130 syrischen Flüchtlinge, die jetzt in Hamburg erwartet werden, ist in den von Scheele vorgestellten Ausbauplänen noch gar nicht enthalten. Seine Sozialbehörde hofft, die Bürgerkriegsflüchtlinge direkt in Wohnungen unterzubringen. Dass diese in kleineren Gruppen nach und nach einreisen dürften, erleichtere die Unterbringung.

Für die erste Gruppe im August hat die Sozialbehörde 20 Wohnungen in Eidelstedt am Furtweg 32-34 angemietet – erst einmal bis Juli 2015. Wie lange die Flüchtlinge in Hamburg bleiben werden, ist angesichts der ungewissen Lage im Nahen Osten noch nicht abzusehen.

Schon die Aufgabe, eine wachsende Zahl von Flüchtlingen unterbringen zu müssen, vor Ort bei den Anwohnern aber häufig auf Widerstand zu stoßen, ist für den Senat eine Herausforderung.

Die Diskussion in der Öffentlichkeit und in der Politik aber bestimmen derzeit Flüchtlinge, die eigentlich rechtlich gar keinen Anspruch auf Unterbringung, staatliche Leistungen oder gar eine Arbeitserlaubnis haben: Es sind die Männer, die aus unterschiedlichen Teilen Afrikas stammen, in Libyen gearbeitet haben, im Zuge des dortigen Bürgerkriegs nach Italien geflohen waren und schließlich nach Hamburg kamen.

Ihre Zahl ist unklar. 300, sagen Flüchtlingsorganisationen, vielleicht 150, schätzen die Behörden. Etwa 80 der Männer sind seit mehreren Wochen nachts in der St. Pauli-Kirche untergekommen, nachdem sie lange auf der Straße geschlafen hatten.

In Hamburg keine Zukunft für die Flüchtlinge

Der Senat ist in der Zwickmühle: In die Kirche hineinzugehen und dort zumindest die Papiere der Flüchtlinge zu überprüfen, ist ein Szenario, das man auf jeden Fall vermeiden will – schon wegen der verheerenden öffentlichen Wirkung solcher Bilder. Bisher kennen die Behörden aber weder die tatsächliche Herkunft der Männer, noch ihre genaue Zahl.

In Teilen der Politik glaubt man, dass auch die Kirche sich verrannt hat, als sie den Männern Obdach gab – in der Hoffnung, diese würden zur Ruhe kommen und womöglich selbst an eine Rückkehr denken, ob nun nach Italien oder Afrika. Das ist bisher nicht geschehen. Der Senat hat klargestellt, dass es für die Männer in Hamburg keine Zukunft gibt, schon angesichts der stark gestiegenen Zahl legaler Flüchtlinge.

Auch wenn die dreimonatigen Touristenvisa der allermeisten Afrikaner längst abgelaufen sein dürften: Eine schnelle Lösung wird es nicht geben. Die Männer kurzerhand in Abschiebehaft zu nehmen, ist rechtlich ohnehin nicht möglich.

Wenn man ihre Personalien kennt, muss jeder Einzelfall geprüft werden. Es könnten dann Meldeauflagen erteilt und Ausreiseverfügungen verhängt werden, die dann aber noch durchzusetzen sind. Das dauert. In den Behörden heißt es: Eine Hängepartie bis Weihnachten will man auf keinen Fall.