Fröhliche Völkerverständigung mit Musik und Tanz bei dem farbenprächtigen Marsch der weltweiten Lions Clubs rund um die Binnenalster mit 15.000 Teilnehmern aus 130 Ländern

Hamburg. „Die Inder sind ja unheimlich viele“, staunt der ältere Hamburger. Seit zwei Stunden verfolgt er am Neuen Jungfernstieg die Parade der vorbeiziehenden Lions aus aller Welt. Ein farbenprächtiges Spektakel mit Musik und Tanz, bunten Fahnen und prächtigen Kleidern, wie es Hamburg noch nie gesehen hat. Ein Hauch von Olympia weht durch die Stadt. Der Weg um die Binnenalster wird für fünf Stunden zum riesigen Stadion. Eine großartige Laufbahn für den Einmarsch der Nationen. Und die Inder sind wirklich sehr viele.

Die Schweizer sind aber auch sehr viele. „Wir sind mit 400 Lions-Mitgliedern zum Weltkongress nach Hamburg gekommen“, sagt Thomas Spuler. Der Brückenbauer aus Bülach hat flugs ausgerechnet, dass es gerade einmal 20.000-mal so viele Schweizer gibt, wie derzeit in Hamburg sind. Und die, die sich auf den Weg an die Elbe gemacht haben, sind bester Laune. „Ihr habt so schönes Wetter hier, bei uns ist es derzeit nicht so gut“, sagt er. Perfekte Tage seien das und Hamburg wirklich eine Reise wert. Oder auch zwei. „Wir kommen auf jeden Fall noch einmal wieder.“ Dann wird sich der Ingenieur auch die Elbphilharmonie ansehen. Als Brückenbauer könnte er ja vielleicht sogar mit seinem Wissen helfen. „Wir helfen, wo wir können“, sagt er.

Dienen und helfen, das ist in diesen Tagen, in denen in Hamburg die Löwen los sind, das angesagte Motto. So mancher Hamburger am Rand der „Parade der Nationen“ muss noch aufgeklärt werden, was die Lions eigentlich machen. Dass sie sich ehrenamtlich für Menschen in Not engagieren, überall auf der Welt Geld für soziale und kulturelle Projekte sammeln und sich für Toleranz, Humanität und Bildung einsetzen. 1,4 Millionen Lions gibt es weltweit, und Völkerverständigung steht ganz oben auf ihrem Programm.

In Hamburg wird sie in die Tat umgesetzt. Der Umzug hat sich in Bewegung gesetzt, ein fröhlicher Alsterlauf, bei dem die Zuschauer aus dem Staunen nicht herauskommen. Die Lions aus den USA machen richtig Party. „Oh, when the saints go marching in“, schallt es in die Ohren. Mit Pauken und Trompeten erobert die große Gruppe aus Mississippi den Ballindamm, die Kennedybrücke und den Neuen Jungfernstieg. Sie haben vorsichtshalber ein paar kräftige Männer als Begleitschutz mitgebracht, damit die hoch fliegenden Fahnenstangen der jungen und leicht bekleideten US-Girls sich nicht versehentlich in den Augen der Zuschauer verfangen.

Es folgt die gewaltige Delegation aus dem Nepal. „Wir hatten sage und schreibe 3600 Anmeldungen aus Nepal“, sagt Lions-Sprecher Ulrich Stoltenberg. Die Frauen sind in Gelb gekleidet, die Männer in Schwarz, ihre Botschaft ist eindeutig: „Nepal!“ Sie verbeugen sich und rufen: „Nepal!“ Sie lachen und rufen: „Nepal!“ Sie schwenken ihre Fähnchen und rufen: „Nepal!“ Dann kommen die Niederländer mit ihren lustigen Clocks an den Füßen, die Polen mit ihren rot-weißen und die Portugiesen mit ihren grün-roten Regenschirmen, die heute aber nur die Sonnenstrahlen abhalten müssen.

Und schließlich der große skandinavische Block. Finnen und Norweger, Dänen und Schweden schwenken ihre gewaltigen Fahnen und singen lauthals „Falleri, fallera, falleri, fallerahahahaha“. Da singt sogar mancher Gast am Rande mit. Die bunt geschmückte Tänzerin aus Sri Lanka verrenkt sich derart, dass man meint, sie müsse den Teufel aus ihrem Leib vertreiben. Ihre Landsleute begrüßen jeden Zuschauer per Handschlag. Ein fröhliches Volk. Sonnenkinder allesamt.

Die Taiwanesen folgen einer ganz eigenen Choreografie. Leute fotografieren, Leute filmen, Leute abklatschen. Leute fotografieren, Leute filmen, Leute abklatschen. Und alles laut und lachend. Gleich darauf folgen die stillen Thailänder. Sie sagen nichts.

Das tun die Tschechen. Brüllen laut: „Ahoi, Hamburg!“ Passend folgt gleich darauf die Marching Band „Swinging Hamburg“. Sie machen Werbung für ihren City Jazzwalk um die Alster am 11. August und intonieren dann: „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh’n“. Da hält es auch die Löwen aus Algerien nicht mehr. Sie schnippen mit den Fingern, klatschen im Takt und wippen mit dem Oberkörper.

So geht es stundenlang weiter. Die Ägypter haben 40 Kleopatras nach Hamburg entsandt, vorne auf einem Wagen stehen die beiden Schönsten und haben gleich noch eine Pyramide aus Pappe mit dabei. Die Inder kommen mit dem Fahrrad vorneweg, die Österreicher in Lederhosen und die Löwen aus Nigeria in blau-gelben Kostümen sowie mit schwarzem Hut und Spazierstock. Die Lions aus der Karibik tragen grün-weiße Kleider und Anzüge und singen, passend zum Wetter: „Feeling hot, hot, hot, feeling hot, hot, hot.“

„Schade, dass viele Hamburger diese Parade verpasst haben, weil sie in den Ferien sind oder nichts davon gewusst haben“, sagt Peter Kleenworth, 71. Der Diplom-Ingenieur aus Hamburg hat 1985 den Lions Club Altona gegründet. Aus Anlass des 96. Lions-Kongresses hat er in Hamburg ein einmaliges Treffen organisiert: Er hat alle Lions Clubs aus aller Welt eingeladen, die den Namen Altona oder Altoona tragen.

Gekommen sind die Mitglieder von fünf Clubs in den USA aus den Staaten Alabama, Illinois, Iowa, Pennsylvania und Wisconsin sowie Vertreter des Clubs aus Victoria in Australien. Bei einem Empfang im Altonaer Rathaus hat Kersten Albers, kommissarischer Bezirksamtsleiter, den Gästen aus dem Ausland die Geschichte Altonas erklärt. „Dass Altona lange unter dänischem Einfluss stand und erst 1937 eingemeindet wurde, war den meisten nicht bekannt“, sagt Peter Kleenworth. Die Gäste seien tief beeindruckt gewesen, so viel über die Wurzeln der Gründungsväter ihrer Städte erfahren zu haben.

Vom Altonaer Balkon genossen sie den Blick auf die Elbe und die Köhlbrandbrücke. „Bei einem Stopp vor dem Internationalen Seegerichtshof erfuhren sie, dass Hamburg auch eine große Bedeutung bei der Uno genießt, zumal Lions International auch ein NGO-Mitglied der Uno ist.“ Als größte aller Nichtregierungsorganisationen (NGO) versteht sich Lions International nicht nur aufs Helfen, sondern auch auf ausgelassenes Feiern. Wohl noch nie hat Hamburgs Innenstadt mehr lachende Menschen gesehen.

Am Ende der Parade laufen die deutschen Lions. Mit 5600 Teilnehmern stellen sie die größte Gruppe der 23.000 Teilnehmer, von denen rund 15.000 aus 130 Ländern bei der Parade am Sonnabend dabei sind. Sie schwenken ihre schwarz-rot-gelben Fahnen, machen die La-Ola-Welle mit den Zuschauern und singen „Humba, humba, humba täterä.“

Peter Kleenworth fand nur ein Wort für die Parade. „Fantastisch.“ Was ihn bei aller Fröhlichkeit am meisten begeistert hat? „Dass auch drei Frauen aus der Mongolei dabei waren.“ Er ist sich sicher, dass dieses weltweite Treffen für Hamburg ein gewaltiger Multiplikator sein wird. „Unsere Gäste waren alle das erste Mal in Hamburg, sie waren erstaunt, wie viele Parks es hier gibt.“ Kleenworth war 1960 als Jugendlicher bei den Olympischen Spielen in Rom dabei. Er kennt das großartige Gefühl, wenn Menschen aus aller Welt friedlich zusammen feiern. Ein bisschen Olympia haben die Lions nun schon mal nach Hamburg gebracht.