Mit ein Grund für die niedrigen Besucherzahlen könnte das schlechte Image sein, das Wilhelmsburg lange hatte. Auch das Marketing-Konzept wird kritisiert. igs-Chef Baumgarten verteidigt Standortwahl.
Hamburg. In der Debatte um die ernüchternde Zwischenbilanz der Internationalen Gartenschau (igs) hat sich nun auch Lutz Cassel, Vorsitzender des Beirats für Stadtteilentwicklung Wilhelmsburg, zu Wort gemeldet. „Unser Stadtteil hat zu lange einen schlechten Ruf gehabt. Das lässt sich mit einer Gartenschau nicht mal schnell heil machen“, sagt er. Die negative Außenwirkung könnte einer der Gründe für die niedrigen Besucherzahlen sein. Wie berichtet, bleibt die igs mit bislang 350.000 weit hinter den kalkulierten 2,5 Millionen Besuchern zurück, die für eine kostendeckende Veranstaltung nötig wären.
Schuld an dem „Schmuddelkinder-Image“ der Elbinsel, so Cassel, sei eine verfehlte Stadtentwicklungspolitik. Die habe bereits nach der großen Flut 1962 begonnen. „Obwohl die Wilhelmsburger für ihren Stadtteil gekämpft haben, wurden hier Neubürger angesiedelt, die man anderswo nicht haben wollte“, sagt er. Eine „wahre Anerkennung“ der Gartenschau durch die Wilhelmsburger habe wegen fehlender Bürgerbeteiligung und weitreichenden Eingriffen in die Natur noch nicht stattgefunden. Dennoch sei die Gartenschau sehr gut geeignet, den „geschundenen Stadtteil“ ohne Gentrifizierung aufzuwerten.
igs-Chef Heiner Baumgarten ist nach wie vor davon überzeugt, dass es für Wilhelmsburg richtig und wichtig war, die Gartenschau hier zu veranstalten. „Die Entscheidung wurde 2001 getroffen – lange, bevor die Internationale Bauausstellung ins Gespräch kam. Man war sich damals bewusst geworden, dass man sich mit Wilhelmsburg künftig anders beschäftigen müsse als bisher.“
Die Gartenschau sollte dazu beitragen, Wilhelmsburg aufzuwerten. „Man wollte Investoren anlocken und den Zuzug von Neubürgern befördern“, so Baumgarten. Es sei der Gartenschau nicht gelungen, das Image der Elbinsel außerhalb Hamburgs aufzupolieren, sagt Lutz Cassel. „Dazu hätte man mehr Zeit benötigt.“ Dennoch sei die Ausstellung für den Stadtteil wichtig. Daher wünsche er sich, dass die Hamburger mehr Sympathie für sie entwickelten.
Mit verschiedenen Sommeraktionen (siehe unten) versucht die igs nun, den holperigen Start wieder auszugleichen. „Wir wollen die Grenze von zwei Millionen Besuchern auf jeden Fall erreichen“, sagt Heiner Baumgarten. War die angepeilte Zahl von 2,5 Millionen Besuchern zu hoch gegriffen angesichts der bislang 350.000 Menschen, die bislang auf das Gartenschaugelände kamen? „In einer Machbarkeitsstudie im Jahr 2000 gingen die Gutachter noch von fünf Millionen Besuchern aus“, so der igs-Chef. „Das haben wir 2007 überprüfen lassen und die Zahl nach sorgfältiger Bewertung auf 2,5 Millionen reduziert.“
Die igs sei in allen größeren Städten, die etwa zwei Stunden Fahrzeit von der Gartenschau entfernt liegen, beworben worden, so Baumgarten. Doch das Marketing-Konzept wird kritisiert. „Die igs spricht die Hamburger und ihre Gäste nicht ausreichend an und segelt marketingmäßig im Windschatten der IBA“, sagt Kurt Duwe, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion. Die Bauausstellung sei an markanten Punkten der Stadt präsent, die igs kaum. Außerdem müsse beim Marketing-Konzept für die Preisgestaltung nachgebessert werden.
„Die geringen Besucherzahlen liegen an den hohen Eintrittspreisen“, sagt Heike Sudmann von der Linksfraktion. Diese seien von Anfang an „reine Augenwischerei“ gewesen. Nach dem Motto „viele Besucher, viel Erfolg“ sei mit unglaublichen Zahlen jongliert worden, „um breite Akzeptanz für die hohen Kosten zu schaffen“. Roland Heintze von der CDU hält die Zahlen für realistisch. „Bereits 1963 und 1973 konnte Hamburg bei einer Gartenausstellung jeweils mehr als fünf Millionen Besucher begrüßen“, sagt er. Der Eintrittspreis sei jedoch eine wichtige Stellschraube, die Behörde müsse nachsteuern.
Dirk Kienscherf von der SPD findet die Preise angemessen. „Sie sind vergleichbar mit denen anderer Gartenschauen. Es ist aber gut, dass jetzt für gewisse Flexibilität gesorgt wird.“