Statt kalkulierten 900.000 Besuchern kamen in den ersten zwei Monaten nur rund 350.000. Heiner Baumgarten über die fehlenden Gartenschau-Besucher, den Standort Wilhelmsburg und die hohen Eintrittspreise
Hamburg Statt kalkulierten 900.000 Besuchern kamen in den ersten zwei Monaten nur rund 350.000 zur Gartenschau. Heiner Baumgarten hofft das Defizit im Sommer vor allem mit Hamburgern auszugleichen.
Hamburger Abendblatt: Herr Baumgarten, wie fällt Ihre erste Zwischenbilanz nach zwei Monaten Gartenschau aus?
Heiner Baumgarten: Es ist natürlich nicht so gelaufen, wie wir uns das erwartet hatten. Wir hatten extrem mit dem kühlen und regnerischen Wetter zu kämpfen. Zwar gehen die Besucherzahlen bei gutem Wetter jetzt kontinuierlich nach oben, zufrieden sind wir aber noch nicht sein.
Wie ist die Resonanz der Besucher?
Baumgarten: Die meisten sind sehr zufrieden bis begeistert, sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf die Qualität des Angebots.
Was hat den Besuchern nicht gefallen?
Baumgarten: Aus unseren Befragungen ging hervor, dass die Auffindbarkeit der Parkplätze ein Problem war, da haben wir aber schon nachgebessert. Zudem gab es Kritik an den Gastronomiepreisen, auch da haben wir mittlerweile ein Angebot im mittleren Preissegment einfordern können.
Wenn die Resonanz so gut ist, warum kamen dann so wenig Besucher? Lag es nur am Wetter?
Baumgarten: Sicher war und ist das Wetter ein großes Problem. Aber – und das ist nur eine vage Annahme - ist der Stadtteil Wilhelmsburg als potenzieller Ausflugsort bei den Hamburgern noch nicht so angekommen.
Warum wurde die Gartenschau dann nach Wilhelmsburg vergeben?
Baumgarten: Das war eine wohlüberlegte Entscheidung. man wollte das Image des Stadtteils schon lange verbessern aber viele kleine Maßnahmen konnten nicht nachhaltig greifen. Eine Gartenschau ist naturgemäß positiv besetzt. Außerdem waren die notwendigen Flächen schon da, was auch ein wichtiges Kriterium war, genauso wie das generelle Bestreben der Stadt mit dem Sprung über die Elbe, die Stadtentwicklung nach Süden voranzubringen.
Inwieweit ist es ein Problem, dass mit der Internationalen Bauausstellung eine Konkurrenzveranstaltung quasi direkt nebenan liegt?
Baumgarten: Die IBA ist keine Konkurrenz, eine Verzahnung macht durchaus Sinn, um die Attraktivität Wilhelmsburgs in den Vordergrund zu stellen.
Ist das Konkurrenzangebot in und um Hamburg nicht generell zu groß, um als Gartenschau überleben zu können?
Baumgarten: Sich in einer Großstadt wie Hamburg als Event zu behaupten ist eine Herausforderung.. Es gab in den letzten Wochen gerade an den Wochenenden starke Konkurrenzveranstaltungen – vom Kirchentag über den Hafengeburtstag bis jetzt zu den Harley Days. Die Freizeitangebote sind schlicht sehr umfangreich.
Welche Gründe kann es für die Besucherzahlen noch geben? Es gab auch immer wieder Kritik an den hohen Eintrittspreisen.
Baumgarten: Wir befinden uns im Vergleich zu anderen Tagesveranstaltungen mit einem derart umfassenden Freizeitangebot durchaus in einem sehr gängigen Preisniveau, da können wir jeden Vergleich bestehen.
Warum ist eine Preissenkung für Sie keine Option?
Baumgarten: Dann hätten wir wieder eine neue Diskussion. Die Besucher, die hier waren und 21 Euro Eintritt gezahlt haben, würden sich benachteiligt fühlen. Wir wollen lieber einen anderen Weg gehen und Besucher mit speziellen Aktionen überzeugen, die natürlich auch echte Ersparnis bedeuten.
Das müssen Sie auch. Wollen Sie ihr Ziel von 2,5 Millionen Besuchern mit zum Ende der Gartenschau im Oktober erreichen, müssten ab sofort täglich 15.000 Besucher kommen. Wie soll das gehen?
Baumgarten: Wir erhoffen uns in den Sommermonaten bis in den September hinein starke Besucheranstiege, das sind traditionell auch die starken und schönsten Monate jeder Gartenschau. Gerade jetzt in der Urlaubs- und Ferienzeit wollen wir mit gezielten Aktionen besondere Zielgruppen ansprechen. Damit sollen dann vor allem Familien mit Kindern animiert werden.
War die Kalkulation von insgesamt 2,5 Millionen Besuchern zu optimistisch?
Baumgarten: Die Kalkulation haben Gutachter von vergangenen Gartenschauen abgeleitet. Zur letzten Gartenschau in Koblenz, die im größeren Umkreis das einzige Highlight war, kamen rund 3,5 Millionen Besucher. Da war eine Kalkulation von 2,5 Millionen für Hamburg durchaus realistisch.
Aktuell sieht es nicht danach aus. Müssen Sie ihr Ziel korrigieren?
Baumgarten: Wir wollen die Grenze von zwei Millionen Besuchern auf jeden Fall erreichen, aber unser Ziel müssen die 2,5 Millionen bleiben. Ob es uns gelingt die regnerischen und kalten Wochen zu kompensieren, ist ungewiss.
Wo fehlten die Besucher zum Start? Waren es Hamburger oder die Besucher, die extra von außerhalb anreisten?
Baumgarten: Fast die Hälfte der Besucher kommen von außerhalb, das ist mehr als bei anderen Gartenschauen. Für uns geht es jetzt darum, gerade die Hamburger und die Menschen aus dem Speckgürtel zu gewinnen. Aber auch in den Nachbarstaaten des europäischen Auslands steckt noch viel Potenzial. Für die kommenden Monate haben wir auch schon rund 700.000 vorbestellte Karten von Reiseunternehmen.
Die Stadt hat 70 Millionen Euro für die dauerhafte Nutzung der Anlage investiert, die igs-GmbH als hundertprozentige Tochterfirma der Stadt weitere 50 Millionen Euro für die tägliche Durchführung per Kredit finanziert, der durch die Einnahmen refinanziert werden soll. Wer haftet, wenn die Besucherzahlen so bleiben wie jetzt?
Baumgarten: Erreichen wir unsere Ziele nicht, ist wie bei allen Gartenschauen die Stadt zu 100 Prozent in der Pflicht, das Defizit auszugleichen. Wir wollen die Differenz natürlich so klein wie möglich halten und trotz des schwierigen Starts gegensteuern. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann dies durchaus noch gelingen.
Was kommt da auf die Stadt an Mehrbelastung zu?
Baumgarten: Stand heute wäre das eine größere Summe, aber jetzt über konkrete Zahlen zu sprechen, wäre reine Spekulation. Wir steuern jetzt konzentriert nach, schauen nach vorn und im Oktober machen wir einen Strich. Erst dann können wir belastbare Aussagen treffen.