In der Angelsaison sind Enten, Gänse und andere Wasservögel besonders gefährdet. Liegen gebliebene Angelschnüre wickeln sich um ihre Flügel, Angelhaken durchbohren Schnabel und Füße.
Ein Fuß mehrfach von einem Angelhaken durchbohrt, der linke Flügel fest von einer Nylonschnur umwickelt – achtlos am Hamburger Alsterufer liegen gelassenes Angelmaterial ist der Graugans zum Verhängnis geworden. Glücklicherweise kann das in Helgoland beringte Tier eingefangen und befreit werden, die Verletzungen werden heilen.
Das Graugansjunge vom Osterbekkanal wird sterben. Es hat sich in einer Angelschnur verheddert, ein Fuß ist abgestorben. Das sich zersetzende Gewebe vergiftet sein Blut. Jedes Jahr werden Dutzende Wasservögel von Angelmaterial verletzt oder getötet. Auch die Schwanenmutter, die im vergangenen Jahr neben ihren Jungen tot auf den Alsterwiesen lag, ist an einem verschluckten Angelhaken verendet.
Möwen und Co. verenden an den Angelschnüren
„Pro Jahr verletzen sich schätzungsweise 150 Wasservögel an Angelmaterial, viele davon sterben“, sagt Martina Born. Sie gehört zu einer Gruppe von Hobby-Ornithologen, die an Hamburgs Gewässern Ausschau halten nach in Not geratenen Enten, Gänsen, Blässhühnern, Haubentauchern oder Schwänen. Den meisten können sie vor Ort helfen und sie von ihrer Pein befreien; manche Vögel aber sind so schwer verletzt, dass sie ins Tierheim Süderstraße gebracht werden müssen.
Pro Jahr werden dort etwa 40 bis 50 Vögel behandelt – auch außerhalb der Angelsaison. Neun waren es allein von November bis Dezember letzten Jahres, bestätigt Tierheim-Mitarbeiter René Olhöft. In diesem Jahr waren es bis Ende Mai bereits sechs.
Martina Born und ihre Gruppe haben bislang 16 Vögel gefunden. Darunter vier Sturmmöwen, die an einer in der Elbe treibenden Angelschnur verendet waren. Und eine Möwe, die mit einer Angelschnur im Schnabel an einem Baum am Goldbekkanal hing; sie hatte nach einem Köder geschnappt und musste von der Feuerwehr befreit werden. Nicht alle verletzten Vögel können gerettet werden. „Gerade Teichhühner und Haubentaucher lassen sich kaum einfangen“, sagt Martina Born.
„Die meisten Vögel sterben unbemerkt“
Nicht nur Wasservögel fallen den Angelhaken und Angelschnüren zum Opfer. Wie das „Komitee gegen Vogelmord“ mitteilt, wurden anderenorts in Deutschland bereits Bussarde, Waldkäuze, Dohlen und sogar Gimpel Opfer von Angelzubehör. Wasservogelexperte Thomas Hellwig ist davon überzeugt, dass es sich bei den bisher öffentlich gewordenen Fällen nur um die Spitze eines Eisbergs handelt.
„Die meisten Vögel sterben unbemerkt, versinken im Wasser und werden nie entdeckt.“ Um festzustellen, wie groß die Vogelverluste durch Angelmaterial tatsächlich sind, führe das Komitee seit Anfang 2012 ein bundesweites Monitoring durch. Am Wichtigsten sei, Angler davon zu überzeugen, dass sie ihren gefährlichen Müll nicht einfach am Ufer oder im Wasser liegen lassen.
Doch auch beim Angeln selbst ist Vorsicht geboten. „Wenn man Angeln achtlos in Richtung vorbeischwimmender Wasservögel auswirft, kann man diese bereits schwer an den Flügeln oder den Augen verletzen“, sagt Martina Born. Auch könnten die Vögel oftmals die feinen durchsichtigen Angelschnüre nicht erkennen.
Die illegalen Angler gefährden die Tiere
„Gerade in der Balzzeit sind Wasservögel oft in Kämpfe mit Rivalen verwickelt. Dabei können sie unbeabsichtigt in ausgelegte Angelschnüre geraten“, sagt die Vogelexpertin. Wer solche Kämpfe bemerke, solle die Angel vorsichtig einholen.
Hinweise wie diese hat der Arbeitskreis zu einem Informationsschreiben zusammengestellt und an 20 Hamburger Angelvereine geschickt hat. Nur vier haben es auf ihre Homepage gestellt. Dennoch bescheinigt „Schwanenvater“ Olaf Nieß den Vereinen, im Umgang mit Angelmaterial „hochgradig sensibilisiert“ zu sein. „Es sind die illegalen Angler, die mit ihrem Material nicht sachgerecht umgehen und die Vögel dadurch gefährden“, so Nieß.
Ihren Anteil schätzt er auf zehn bis 15 Prozent. An der Alster ist die Zahl der Schwarz-Angler durch die Kontrollen der letzten Jahre stark zurückgegangen. Doch Hamburg besitzt mehr als 6000 Hektar Wasserfläche. Dort sind 75 Angelvereine aktiv, mit 14.000 Mitgliedern. Im Verein Hamburger Angler gehe man achtsam mit Angelmaterial um, sagt der Vorsitzende Wander Habing. „Wenn ich bei jemandem etwas anderes erleben würde, nähme ich mir den zur Brust.“