Reeder Schües vergleicht das Konzerthaus mit Berlins Pannenflughafen. Bürgermeister Scholz sagt Entscheidung bis Weihnachten zu.
Hamburg. So eine heftige Attacke gegen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), noch dazu von einem sehr prominenten Absender, gab es selten: Der Freundeskreis Elbphilharmonie, dem viele bekannte Hamburger und Großspender für das Konzerthaus wie Michael Otto und die Ehrenbürger Hannelore und Helmut Greve angehören, hat Scholz offen aufgefordert, endlich zu handeln und das Projekt voranzubringen.
"Sie regieren im kommenden März nun zwei Jahre, und zwar mit einer Machtfülle wie keiner Ihrer Amtsvorgänger. Nun warten wir langsam auf Vollzugsmeldungen", sagte der Vorsitzende des Freundeskreises, Nikolaus W. Schües, gestern Abend bei einem Dinner im Hotel Vier Jahreszeiten.
"Wir sind sehr besorgt über den derzeitigen Sachstand", sagte Schües, der früher Handelskammer-Präses war. Der Bau stehe seit einem Jahr still, und die Eckpunktevereinbarung zwischen der Stadt und dem Baukonzern Hochtief vom 5. Juli habe "die Erwartungen bislang nicht erfüllt". In Anspielung auf eine Scholz-Aussage, die Verhandlungen seien auf der Zielgeraden, fragte Schües provokativ: "Wie lang müssen wir uns Ihre Zielgerade vorstellen?"
Schües, der im Jahr 2004 den Firmenmantel der Reeder-Familie Laeisz erworben hat, verglich die Elbphilharmonie auch mit dem ebenfalls stockenden Bau des Großflughafens Berlin-Brandenburg und richtete einen geradezu flehentlichen Appell an Scholz: "Bitte ersparen Sie sich, aber auch uns einen Sachstand, in dem der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg wegen der Elbphilharmonie ebenso in der politischen Steilwand hängt, bei fallenden Temperaturen, wie Ihr Berliner Amtskollege Klaus Wowereit wegen des Großflughafens!"
Der Bau der Elbphilharmonie wurde unter dem damaligen CDU-Senat im April 2007 begonnen und sollte eigentlich bereits 2010 abgeschlossen sein. Ende 2008 wurden die Verträge mit Hochtief angepasst, wodurch die Kosten für die Stadt von 114 auf 323 Millionen Euro explodierten. Der Streit mit dem Baukonzern hielt jedoch an und gipfelte Ende vergangenen Jahres darin, dass Hochtief die Arbeiten praktisch einstellte. Mehrere Ultimaten des neuen SPD-Senats für eine Einigung sind verstrichen. Die für September versprochene Neuordnungsvereinbarung liegt noch nicht vor.
Schües forderte daher ein "Bauausgabebuch", aus dem genau hervorgeht, wie viel Geld für die Elbphilharmonie wann an wen geflossen ist. Wenn das teilweise veröffentlicht werde, wäre das "eine vertrauensbildende Maßnahme". Der Appell des Freundeskreis-Vorsitzenden: "Dieses Jahrhundertprojekt ... muss heraus aus dem Dunkeln!"
Schues forderte relativ unverblümt, mehr Geld für die Elbphilharmonie auszugeben, und verglich das mit dem Bau der Laeiszhalle (früher Musikhalle). 1901 habe eine Privatstiftung von Carl und Sophie Laeisz dafür 1,2 Millionen Goldmark zur Verfügung gestellt. Als der Senat sechs Jahre später um einen Nachschlag gebeten habe, habe es noch einmal 800.000 Goldmark gegeben. Würde der heutige Senat so kalkulieren, würde das Konzerthaus nicht 323, sondern 536 Millionen Euro kosten, so Schues. "Vielleicht liegen Sie dann gar nicht so falsch und lassen sich von dem Motto leiten ,Aus der Geschichte lernen'!"
Ein "Hamburger Kaufmann" würde die Baustelle zudem mindestens einmal monatlich besuchen. Auch müsse darüber jeweils ein Bericht angefertigt werden. Dann könne der Bürgermeister später nicht behaupten, sich an Details nicht zu erinnern oder sie nie gekannt zu haben. Das war in Schues' Rede der einzige Vorwurf, der nicht gegen Scholz, sondern gegen Ole von Beust (CDU) gerichtet war. Der Altbürgermeister und seine Senatsmitglieder verweisen im Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft zur Elbphilharmonie häufig auf "Erinnerungslücken".
In seiner Erwiderung ging Olaf Scholz nicht auf alle Vorschläge und Fragen ein. "Wenn ich meine Karten offenlege, dann brauche ich mit meinem Gegenüber nicht mehr zu verhandeln. Das werden Sie sicher verstehen", sagte der Bürgermeister. Er versprach, die Elbphilharmonie werde in jedem Fall zu Ende gebaut. "Und ich will sie eröffnen - egal wie oft ich dafür kandidieren muss." Dafür erhielt er kräftigen Beifall.
Erstmals nannte Scholz einen Zeitpunkt für die Entscheidung, ob Hochtief das Konzerthaus zu Ende bauen soll. "Es wird vor Weihnachten eine Entscheidung geben. Dass gebaut wird, steht fest. Wer baut, steht dann fest." Den Streit mit Hochtief durch das Ausstellen neuer Schecks zu lösen lehnte Scholz erneut ab.